Quelle: S. 52 u. 53 der "Willeke-Chronik" (1933-1939) im Archiv HH
Erstes Jungschützen-Vogelschießen!
Plettenberg steht am 17. und 18. Juni (1934) wieder mal im Zeichen des Schützenfestes.
Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte alter Überlieferung gemäß, wird es nach der Väter
Sitte und Brauch gefeiert. Die Häuser sind mit Fahnen in den Farben des Reiches und
der Schützengesellschaft und frischem Grün geschmückt, Girlanden mit Fähnchen,
Wimpeln und Inschriften sind über die Straßen gespannt, und eine festfrohe Stimmung
liegt über der ganzen Bevölkerung.
Den schönsten Schmuck haben die geräumige Schützenhalle selbst und der Wieden angelegt,
auf dem sich, wie im Vorjahr, reges Kirmesleben entfaltete. Und über all der Festlichkeit
liegt strahlender Sonnenschein, der mit seinem Glanz die allgemeine Feststimmung noch
mehr zu heben geeignet ist.
Böllerkrachen am Samstagabend kündete das Fest an. Die Jungschützen trafen sich in der
Schützenhalle und wurden hier mit ihrer neuen grünen Jacke und einem Schützenhut
eingekleidet. Das marschierten sie hinter dem Tambourkorps "Gloria" strammen Schrittes
durch die Straßen der Stadt. Überall machten die Jungens in ihrer schmucken Ausrüstung
einen guten Eindruck und warben so für die schöne Schützensache.
Die Altschützen trafen sich später in der Schützenhalle zur traditionellen letzten
Mitgliederversammlung vor dem Feste. Der Festsonntag wurde mit Böllerschüssen
eingeleitet. Im Laufe des Vormittags traten die Jungschützen zum Vogelschießen
im Wieden an. Mit Eifer und Ernst waren die Jungens bei der Sache, als sie zunächst
im geschlossenen Zuge mit Musikbegleitung die Schützenfahnen und ihren Vogel beim
Obersten abholten und dann nach seiner Aufstellung hinter der Schützenhalle mit
Luftgewehren und Bleikugeln nach ihm schossen. Zahlreiche Volksgenossen schauten
dem ersten Jungschützen-Vogelschießen zu und bewunderten die Treffsicherheit dieser
Jungens. Es dauerte nicht lange als ein Stück nach dem anderen von dem Gipsvogel
den Schüssen zum Opfer fiel, bis endlich der letzte Schwanzrest von Adolf Muth
heruntergeholt wurde, der von seinen Kameraden voll Begeisterung zum König ausgerufen
und im Triumpf auf den Schultern in die Schützenhalle getragen wurde. Auch war ein
Hofstaat schnell zusammengestellt.
In den frühen Nachmittagsstunden versammelten sich dann die Schützen einschließlich
der Jungschützenkompagnie im Wieden. Nach dem Abholen des Vogels marschierte
das Schützenbataillon unter Vorantritt des Städischen Orchesters nach dem
Schießstand auf dem Kohlberg. Während des Schießens unterhielt das Orchester mit
schönen Darbietungen, während das Zielwasser reichlich floß und zur Hebung der
Stimmung nicht unwesentlich beitrug. Beim 620. Schuß um 1/2 7 Uhr abends fiel der
letzte Rest des Vogels und Heinrich Niggetiet wurde zum König ausgerufen.
Nach kurzer Zeit begab man sich hinunter zur Haltermannsbrücke am Umlauf, von wo
aus der Rückmarsch nach der Schützenhalle angetreten wurde. Überall stand die
Plettenberger Bevölkerung dicht gedrängt am Straßenrand, um den König zu begrüßen.
Mit Einbruch der Dunkelheit begann dann in der Schützenhalle ein großer Schützenball,
währenddessen die Krönung des neuen Königspaares vorgenommen wurde.
Der Hauptfesttag, der Montag, wurde wieder mit Böllerschießen und einem Morgen-Festzug
eingeleitet. Dann folgte das Biergericht, das wie immer bei den Schützen viel Anklang fand,
und anschließend war das Königsessen. Gegen 4 Uhr verkündeten Böllerschüsse, daß
der große Nachmittags-Festzug, der Hauptzug des ganzen Schützenfestes, seinen Anfang
nahm. Die drei Königspaare mit ihrem Hofstaat und der Oberst mit seinen Adjutanten fuhren
in Pferdedroschken, die Veteranen in Kraftwagen. Im Festzug selbst gefiel besonders die
Jungschützenkompagnie, die mit Kindergewehren ausgerüstet war. Die Beteiligung am
Festzug ließ etwas zu wünschen übrig; wahrscheinlich hat die Hitze manchen Schützen
davon abgehalten, den Festzug mitzumachen.
Wieder in der Halle angekommen, begann das Kaffeetrinken mit Festkonzert, das ebenfalls
einen stärkeren Besuch hätte aufweisen können. Es war schon fast 9 Uhr, als das Konzert
beendet und die Fahnen wieder zum Rathaus gebracht wurden. Ein Kindertanz schloß sich
an, der den Kleinen viel Freude machte, und dann folgte als Abschluß wieder ein großer
Festball, der besser besucht war als der des Vortages. Vor allem war die Stimmung ganz
vorzüglich, so daß die Unentwegtesten bis in die frühen Morgenstunden zusammenblieben. |