Quelle: S. 9/10 der Festschrift zur 100jähr. Jubelfeier der Plettenberger Schützengesellschaft
(erschienen 1936, Verfasser Rektor i. R. Ernst Weimann)

Ab 1879: Verlauf des Festes genau geregelt

Unsere Bevölkerung wurde lebenshungriger, verdiente mehr Geld als früher und wußte Feste zu feiern, bei denen man auch schon mal "einen Groschen springen ließ". Der Becher wurde geschwungen, Wein und Bier erzeugten Stimmung, und in trautem Beisammensein wurde des Vaterlandes Hochgesang und der Vaterstadt Preis gesungen. Was Wunder, wenn sich der wirtschaftliche Aufschwung in der Folgezeit der Hochkonjunktur auch besonders bei den so glänzenden Festen unserer Schützengesellschaft bemerkbar machte, und die "Thronrechnungen" eine respektable Höhe erreichten

Gerade diese Feste, an denen sich ja alle Bevölkerungskreise beteiligten, waren der beste Gradmesser für die wirtschaftliche Lage in den einzelnen Jahren. Und die dürfte gerade in den Jahren 1879 und 1881 keine schlechte gewesen sein; denn da versprach der rührige Vorstand (Carl Meuser) am Schlusse des allgemeinen Festprogramms: "Sodann rufen heißer Kaffee, kühles Bier, perlender Wein, fröhliche Musik, gewählte Toiletten, leuchtende Augen und munteres Geplauder alt und jung zu heiterer Fröhlichkeit, bis der Tanz die Jugend hinüber zu ihrem Elysium trägt, und bis Bacchus und Gambrinus ihre rosige Laune über das vergnügt schmunzelnde Alter ergießen und dasselbe dann seinem Eldorado früherer Tage zujauchzt." Herz, was willst du noch mehr! konnte da der frohe Schützenbruder sagen.

Hoffentlich ist am 19. und 20. Juni 1879 nach dem Wunsche des Vorstandes auch der Himmel gnädig gewesen und alle sind in sonntäglicher Laune erschienen, so daß ein vergnügtes Fest gefeiert werden konnte. Der ganze Verlauf des Festes aber war für die Jahre 1879 und 1881 und damit auch für die Folgezeit also geregelt:

1. Tag:
Morgens 5 1/2 Uhr: Reveille (Wecksignal). 6 1/2 Uhr: Antreten auf dem Maiplatze. Der Feldwebel teilt die Mannschaften ordnungsgemäß in Züge und Sektionen ein und stellt den Festzug wie folgt auf: Tambour, Musikkorps, Königinfahne, frühere Könige, Vorstand, neue Kriegerfahne, König mit seinem Hofe, alte Bürgerfahne, 1. Zug, neue Bürgerfahne, 2. Zug, Junggesellenfahne, 3. Zug.

Der erste Zug holt die Fahnen und den Herrn Bürgermeister ab. Sind die Fahnen eingereiht, so wird der Hauptmann durch seinen Adjutanten benachrichtigt. Hieraus holt die ganze Compagnie den König ab und macht den Umzug durch alle Straßen der Stadt, soweit dieselben passierbar sind und mit Ehrenpforten geschmückt.
In dem Wieden angekommen, beginnt sie das Schießen nach den üblichen Regeln und unter Ausschluß derer, welche an dem Zuge sich nicht beteiligt haben. Fällt bis 1 Uhr der Vogel nicht, so wird am 2. Tag weiter geschossen. Das Los entscheidet, welcher Zug zuerst schießt. Für Se. Majestät den Kaiser schießt der Herr Bürgermeister, dann schießen der König, die früheren Könige, der Vorstand, der Hauptmann, die Adjutanten, der Feldwebel, endlich die Züge in der durch das Los bestimmten Reihenfolge.
Jeder Zugführer ist beim Schießen seines Zuges dafür verantwortlich, daß den polizeilichen Vorschriften Genüge geleistet wird, die erforderlichen Sicherheitsposten aufgestellt werden und die Schießbude nur von Mitgliedern des Vorstandes betreten wird. Derjenige, welcher unbefugter Weise auf den Vogel schießt, wird sofort vom Schützenplatze entfernt; auch dürfen zum Schießen nur die vom Schießunternehmer gelieferten Büchsen benutzt werden.

Diejenigen Schützen, welche nach dem Königsschuß die drei besten Schüsse abgegeben haben, d. h. den Kopf mit Krone, das Zepter und endlich den Reichsapfel heruntergeschossen haben, sollen dadurch geehrt werden, daß ihre Namen durch den Feldwebel verkündet werden, sie gleich hinter dem Könige rangieren und ein Abzeichen erhalten.
Ist der Königsschuß gefallen, so tritt die Compagnie zusammen und marschiert mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen, den neuen König an der Spitze, dreimal um die Vogelstange. Nach einem Hoch auf den neuen König bestimmt dieser die Königin und seine beiden Leib-Adjutanten und haben zwei vom Hauptmann bestimmte Offiziere diese Königl. Ordre zu überbringen, etvl. auch weitere Ordres Ihrer Majestät der Königin zu gewärtigen. Die Königin bestimmt zwei Hofdamen. Sobald die Königin zum Abholen bereit ist, tritt auf Trommelschlag die Compagnie wieder vor dem Schützenzelt zusammen, holt König und Königin sowie das alte Königspaar ab, macht mit den hohen und höchsten Herrschaften einen Umzug durch alle Straßen der Stadt und bewegt sich dann nach dem Wieden, woselbst die Krönung des neuen Königspaares in üblicher Weise stattfindet. Nach der Krönung findet ein Konzert, eventl. bei vorgerückter Zeit ein Ball statt, welcher bis 12 Uhr dauert.

2. Tag:
Morgens 7 Uhr: Reveille (Wecksignal). 8 Uhr: Antreten der Schützen auf dem Kirchplatz. Sobald die Compagnie versammelt ist, holt der 2. Zug die Fahnen ab, und nachdem der neue König, an dessen Wohnung sich der alte König dem Zuge anschließt, abgeholt ist, macht die Compagnie einen Zug durch die Stadt zum Wieden, woselbst das Frühkonzert stattfindet. Um 10 Uhr tritt der 3. Zug, dem sich alle unverheirateten Schützen anschließen, zusammen und holt mit dem Musikkorps und der Junggesellenfahne die Jungfrauen, welche sich um die Bekränzung der Stadt verdient gemacht haben, auf dem Marktplatz zu dem Mädchentanz ab und wird erwartet, "daß sich die Schützen dabei liebenswert zeigen".