Quelle: ST von Montag, 19.09.1983, im Archiv HH
Schwarzenberg-Brunnen gibt seine Geheimnisse preis
Plettenberg. (HH) Genau 80 Sekunden (!) dauerte am Samstag die Fahrt in die Tiefe des
Schwarzenberg-Brunnens. Dann war in 15 Meter Tiefe der vorläufige Grund des Brunnens erreicht.
Daß dies möglich war, ist den Mitgliedern der Plettenberger Schützengesellschaft zu verdanken,
die in den letzten beiden Jahren rund 44 Kubikmeter - das sind immerhin 11 Lastwagen voll - Steine
und Geröll aus dem Brunnen emporholten. Ganze vier Meter tief war der Schwarzenberg-Brunnen,
als die Schützengesellschaft ihre Aktion begann. Nun ist man in einer Schicht angekommen, die
etwa dem Stand des Jahres 1910 entspricht.
Es klang zuerst wie eine Schnapsidee, als der Chronist, damals in seiner Eigenschaft als
Ortsheimatpfleger, der Schützengesellschaft vorschlug, sie möge dem Brunnen aus dem
Schwarzenberg auf den Grund gehen. Immerhin weiß die Sage zu berichten, daß der Wasserspeicher
des ehemaligen Schlosses Schwarzenberg ca. 80 Meter tief auf den Grund der Lenne gehen
soll. Der Vorschlag, bis zum 150-jährigen Bestehen der Schützengesellschaft im Jahre 1986 den
Wahrheitsgehalt der Sage zu prüfen, nahm die Schützengesellschaft nach kurzer Diskussion an.
"Wie tief mag der Brunnen wohl sein?", fragten sich Generationen von Besuchern. Zu Prüfzwecken
ließen sie dann meist mehrere Steine in den Brunnen fallen, so daß 1981 nur noch 4 Meter Tiefe
gemessen werden konnten. Mit Eifer begannen die Mitglieder der Schützengesellschaft diese
Steinschichten abzutragen. Es war eine mühselige Arbeit, wenn mit Hilfe eines Drahtkorbes Schicht
um Schicht der Brunnenfüllung ans Tageslicht geholt wurde.
Im Verlauf der Arbeiten waren alle Beteiligten gespannt, welche Überraschungen der Brunnen der
Burgruine Schwarzenberg wohl in sich bergen würde. Nachdem man sich durch die Zivilisationsschichten
der Nachkriegsjahre hindurchgearbeitet hatte, war man in einer Tiefe von 10 Metern angelangt. Aus
Sicherheitsgründen mußte in dieser Tiefe eine Plattform angebracht werden. Außerdem wurde das
Mauerwerk, aus dem die Brunnenwandung bis in 10 Meter Tiefe bestand, mit Mörtel sauber verfugt.
Sauber in Gestein gehauen war ab zehn Meter Tiefe der Schwarzenberg-Brunnen, der einen Durchmesser
von gut zwei Metern hat.
In 15 Meter Tiefe schloß die Schützengesellschaft am Samstag die Arbeiten für dieses Jahr ab. Sie bot
interessierten Besuchern die Gelegenheit, einen Blick in den Brunnen zu werfen. Der war dazu eigens
ausgeleuchtet. Der Andrang am Samstag war groß, denn so tief hatte man seit der Jahrhundertwende
nicht mehr in den Brunnen schauen können.
Im Verlauf der Grabungsarbeiten gab der Brunnen einige Geheimnisse preis. Zuerst fanden sich Wasserflaschen
aus der Nachkriegszeit. Dann holte man schmiedeeiserne Geländerteile und Zierstäbe ans Licht. Am
Samstag fand man noch die Spitze eines Lederschuhes, der zweifelsohne einem schmalen Damenfuß
einmal Schutz bot. Scherzhaft machte der Fund des "Burgfräuleins" die Runde.
Besonders interessant war aber der Fund eines alten Gewehres samt Munition im Sommer diesen Jahres.
In 12 Meter Tiefe wurden das Gewehr und 100 Schuß Munition gefunden. Die Holzteile des Gewehres
waren bereits abgefault. Die Eisenteile wiesen starken Rostbefall auf. Das Gewehrschloß fehlte, doch
die Visiereinrichtung war noch komplett.
Eine Untersuchung der Waffe durch zwei Waffenexperten aus Plettenberg ergab dann folgendes Ergebnis:
Bei der Waffe handelt es sich um einen rumänischen Repetierkarabiner, Modell 1893, Kaliber 6,5 Millimeter.
Die Waffe wurde 1893 in Steyr (Österreich) für Rumänien hergestellt. Die rumänische Armee benutzte
diese Waffe bis zum Ende des I. Weltkrieges. Der Stempel "07" am Schloßkasten läßt auf das
Auslieferungsjahr (1907) an die Truppe schließen. Bei der Munition handelt es sich um rumänische
Militärpatronen 6,5 x 53 H. Es ist anzunehmen, daß die Waffe als Beute nach Plettenberg gekommen
ist. Das Gewehr soll in Übereinstimmung mit der Plettenberger Schützengesellschaft im Heimathaus
ausgestellt werden. Die Munition wurde dem Ordnungsamt Plettenberg übergeben.
Am Samstag warfen einige hundert Besucher noch einen Blick in den Brunnen, der sicher noch mehrere
Geheimnisse preisgeben wird. Die Schützengesellschaft baute am Samstag die Aufzugsanlage ab und
verschloß den Brunnen. Im kommenden Frühjahr will man mit einem größeren Kran weitermachen. Inzwischen
sind alle Mitarbeiter der Schützengesellschaft am Brunnenobjekt selbst gespannt, wie weit der Burgbrunnen
in die Tiefe geht. Dort herrscht übrigens eine konstante Temperatur von 8 Grad.
Quelle: ST vom 25.07.1985, im Archiv HH
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