Quelle: WDR Radio 2006

Annette Wilmes

Im Sauerland habe ich eine glückliche Kindheit verbracht. Aber dann war ziemlich schnell klar: aus Plettenberg musste ich raus. Hier konnte ich zwar erste journalistische Übungen bei der Westfälischen Rundschau absolvieren, aber Schützenfest und Reitverein waren nicht das, was ich in der Welt suchte. Nach dem Abitur ging es in die nächste große Stadt, das war Köln.

Eigentlich gefiel es mir am Rhein, aber die Liebe sorgte dafür, dass ich an die Spree weiter zog. Die Liebe zur Stadt Berlin ist bis heute nicht verflossen. Ich arbeitete im Buchvertrieb und vergaß darüber das Studieren nicht: Abschluss mit Magister Artium an der Freien Universität Berlin in Publizistik, Erwachsenenbildung und Soziologie.

Von Anfang an zog es mich in die Gemäuer des Kriminalgerichts von Moabit, in dem seit Beginn des 20. Jahrhunderts Menschen abgeurteilt werden. Viele Jahre war ich dort Gerichtsreporterin für die Rundfunkanstalten der ARD. Beim Radio war ich bereits 1980 gelandet, habe auf der Kultur-Welle des "Sender Freies Berlin" als Autorin und Moderatorin gearbeitet, aber auch für den Jugendfunk "SFBeat".

Wir waren mit unseren Mikrophonen dabei, als besetzte Häuser geräumt wurden, aber auch, als Demonstranten gegen Luftverschmutzung und gegen Tariferhöhungen bei den Verkehrsbetrieben auf die Straße gingen. Ich schrieb zwar nebenher für die "Zeit", nach der Wende für die "Wochenpost" und andere "Printmedien", meine Leidenschaft aber galt immer dem Radio. Es folgten Kommentare, Reportagen und Features über kleine und große Gerichtsprozesse, über das Leben hinter Gittern, über die Nürnberger Prozesse, den Auschwitz-Prozess, über das DDR-Unrecht, aber auch über aktuelle justizpolitische Themen: Jugendstrafrecht, Familienrecht, Europäische Verfassung.

Der Kontakt nach Köln ist nie abgebrochen, für den WDR arbeite ich seit 1983. Mit WDR4 habe ich seit 2000 zu tun, als die "Recht-so!"-Reihe erfunden wurde: was passiert, wenn Kinder geschlagen werden, wie werden Justizopfer entschädigt, wie kann man sich vor Lockvogel-Angeboten schützen, wie werden Umweltsünder bestraft. Der Paragraphendschungel ist undurchsichtig, es macht Spaß, Pfade zu finden und sie anderen zu zeigen.

Meine Liebe zu Berlin wurde nach dem Fall der Mauer übrigens noch mal ordentlich aufgefrischt. Aber auch Köln ist wieder näher gerückt, seit viele Rheinländer mit der Regierung hierher gezogen sind. Von hier aus meine Berichte zum WDR zu schicken, ist schön, kann aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Deshalb ist hin und wieder eine Reise an den Rhein angesagt, wo ich dann die Kölschen Töne genieße, Kölsch statt Wein trinke und mich an die erste Zeit in der "großen weiten Welt" zurückerinnere.
Weiteres auf: annette-wilmes.de


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