Quelle: Süderländer Tageblatt vom 07.12.2010
Gebürtiger Plettenberger mit Landespreis
PLETTENBERG Am Dienstag ist der in Plettenberg geborene und in Tirol lebende Historiker Rolf
Steininger mit dem Tiroler Landespreis für Wissenschaft 2010 ausgezeichnet worden. Das Preisgeld für
den ehemaligen Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck
ist mit 14.000 Euro dotiert.
Steininger ist ein Sohn unserer Heimatstadt. Hier wurde er 1942 geboren, um später in Marburg, Göttingen, München, Lancaster und Cardiff Anglistik und Geschichte zu studieren. 1971 promovierte er zum Dr. phil. und 1976 folgte die Habilitation in Neuer und Neuester Geschichte in Hannover. 1980 erhielt Steininger eine Professur, ehe er 1983 nach Tirol und Innsbruck wechselte.
Der gebürtige Plettenberger ist ein Wissenschaftler, der die Ergebnisse seiner Forschungen gerne einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. So verfasste er bisher um die 40 Monographien und über 150 Aufsätze. Sein Themenbereich reicht vom Kalten Krieg über Israel und den Nahostkonflikt bis hin zur ersten deutschen Gesamtdarstellung des Korea-Krieges. In einem Interview mit dem österreichischen Sender ORF gesteht Steininger über seine Arbeitsweise: "Wenn ich hinter die Kulissen schaue, hinter die Akten, dann sieht manches anders aus, als man es gerne hätte."
Ein viel gefragter Mann: Obwohl er nun schon über 25 Jahre in Tirol tätig ist, ist Steininger ein weit gereister Mann. Er erhielt Gastprofessuren an den Universitäten in Tel Aviv, Queensland, New Orleans und Bozen. Darüber hinaus arbeitete er als Gastwissenschaftler in Saigon, Hanoi und Kapstadt.
Der gebürtige Plettenberger gilt als bekannter Kritiker der Bildungspolitik Österreichs und Deutschlands. Beide Nationen seien keine "ausgesprochenen Bildungsländer". Die Kürzungen im und das Bildungssystem an sich seien "langfristig ein Desaster", da die Politik nur "von einem Budget zum nächsten" denke. Demgegenüber stellt Steininger das positive Beispiel erfolgreicher Bildungspolitik in Israel.
"Es wird Schindluder mit unseren Kindern getrieben", so Steininger, der sich ausdrücklich für Studiengebühren ausspricht. Allerdings dürfe niemandem "der Zugang zur Universität verwehrt werden aus finanziellen Gründen."
Weithin bekannt wurde Rolf Steininger mit seiner Kritik an der Politik Konrad Adenauers, die die Teilung Deutschlands nur gefestigt hätte.
Der seit 1984 jährlich vergebene Tiroler Landespreis für Wissenschaft ist eine Würdigung für Forscher, die durch ihre Publikationen das Potenzial des Universitätsstandorts Innsbruck beziehungsweise Tirols gesteigert haben.
Steininger ist als Gestalter von Radio- und Fernsehbeiträgen bekannt. Zuletzt arbeitete er
hauptverantwortlich an der mehrteiligen WDR-Dokumentation "Die Bonner Republik" mit. Von 1984
bis 2010 war er Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Leopold-Franzes-Universität in
Innsbruck. Bisher hat er Angebote anderer Universitäten abgelehnt. cc
Quelle: Horst Hassel am 25.10.2009 für die WR Lokalausgabe Plettenberg
Rolf Steininger - ein Breddeschüler macht Karriere
Von Horst Hassel
Plettenberg. Als Rolf Steininger 1952 die Aufnahmeprüfung für das heimische Gymnasium an der Königstraße machte, war er als Arbeitersohn dort ein Exot. Seinem Volksschul-Lehrer Karl „Kallemann“ Ahrens von der Breddeschule war es u. a. zu verdanken, dass aus ihm, wie man so schön sagt „was Richtiges geworden ist“, nämlich ein „Ordentlicher Universitäts-Professor“ mit Doktor an der Universität Innsbruck und Leiter des dortigen „Instituts für Zeitgeschichte“.
Von Plettenberg hinaus in die Welt, diesen Weg sind in den vergangenen Jahrzehnten viele gegangen. Darunter sind einige gebürtige Plettenberger, die im In- und Ausland großen ideellen, kulturellen, wirtschaftlichen oder politischen Erfolg hatten. Rolf Steininger (67) ist einer von ihnen. Ihm war es nicht in die Wiege gelegt, einmal Experte für wissenschaftlich begleitete Weltpolitik zu werden. Aufgewachsen ist er am Eschen, im Haus Eschensiedlung 7, einem 4-Familienhaus. Sein Vater arbeitete beim Stammwerk Schade. Noch heute hütet Rolf Steininger eine Goldene Uhr, die sein Vater für langjährige Treue zur Firma Schade überreicht bekam. Vater Steininger, Geburtsjahrgang 1899, stammte übrigens aus dem Bayerischen Wald. Er war mit der Firma Holzmann nach Plettenberg gekommen, als die damals den Sieseler Tunnel ausbaute.
Zunächst besuchte Rolf Steininger die Breddeschule und fiel da schon seinem Lehrer Karl Ahrens auf. Der ahnte, dass in Rolf Steininger mehr steckte, machte sich stark dafür, dass Rolf zum Gymnasium ging. Der Arbeitersohn galt dann als Exot unter den Bewerbern, die sich zur Aufnahmeprüfung dort anmeldeten. Die Aufnahmeprüfung bestand Rolf Steininger, doch es lagen noch viele weitere Steine im Weg: Damals musste Schulgeld gezahlt werden, was für die Eltern beim geringen Verdienst des Vaters problematisch war. Zudem war für die Eltern das Thema Höhere Schulbildung fremd, sie konnten ihren Sohn inhaltlich nicht unterstützen oder gar fördern.
Das Schicksal nahm den Eltern zunächst eine langfristige Entscheidung ab: Mit einer Gehirnhautentzündung wurde Rolf Steininger in das Krankenhaus Werdohl eingeliefert. Die Eltern schickten ihren Sohn vor lauter Sorge erst gar nicht ins Gymnasium und wieder zur Breddeschule. Doch Karl „Kallemann“ Ahrens gab keine Ruhe und empfahl den Eltern, den jungen Rolf nach Hilchenbach zu schicken. Dort, am „Jung-Stilling-Gymnasium für Jungen in Aufbauform“ (allerdings auch mit Mädchen) mit angeschlossenem Internat, sei der weitere schulische Lebensweg ihres Sohnes in besten Händen. Das Internat kostete 125 Mark im Monat, Rolf Steiningers Vater verdiente 250 Mark im Monat…
Per Handschlag erklärte sich Wilhelm Schade gegenüber Vater Steininger bereit, bei Problemen und in Notfällen für dessen Sohn zu sorgen. Das war für Vater Steiningers zwar eine Hilfe, aber um zu seinem Lohn etwas dazuverdienen zu können, machte er einen Flaschenbierhandel – an der Tür – auf, mit dem er viele „Gastarbeiter“, darunter die damals am Eschen zahlreich tätigen Maurer aus dem Hessenland, als Kunden gewann. Mutter Steininger bereitete für sie einen Mittagstisch. „Meine Eltern haben sich krummgelegt, um mir die Ausbildung finanzieren zu können!“ erinnert sich Rolf Steininger. Das Schulgeld für das erste Halbjahr in Hilchenbach besorgte noch Karl Ahrens, für das 2. Halbjahr erließ die Schule ihm das Schulgeld wegen guter Noten.
Nach 2 ½ Jahren Internat bezog Rolf Steininger ein Zimmer in Hilchenbach: „Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich immer ein eigenes Zimmer gehabt und war für das, was ich tat, selbst verantwortlich“, stellte Rolf Steininger rückblickend fest. Er machte sein Abitur am Jung-Stilling-Gymnasium und stand dann vor der Frage: Welche berufliche Laufbahn soll ich einschlagen? Die „Berufsberatung“ bestand damals aus dem gutgemeinten Rat der Mutter: „Junge, werd‘ Beamter!“ Das hieß wohl Lehrer. Rolf Steininger studierte Geschichte – dazu hatte ihn sein Vater mit seiner Lebensgeschichte motiviert – und Englisch in Marburg, Göttingen und München, absolvierte ein jeweils einjähriges Auslandsstudium in Lancaster und Cardiff. 1970 folgte das Staatsexamen. Die Eltern erlebten noch, dass ihr Sohn 1971 den „Doktor der Philosophie“ machte und 1976 an der Uni Hannover im Fach Neuere und Neueste Geschichte habilitierte. 1979 starb Vater Steininger, 1980 erhielt Rolf Steininger eine Professur an der Uni Hannover, war Gastwissenschaftler in Kapstadt, Hanoi und Saigon und übernahm zahlreiche Gastprofessuren u. a. in Australien, Israel und den USA. Dort, in New Orleans, lernte er auch seine zweite Frau kennen, mit der er heute in Innsbruck lebt. Rolf Steiningers vier Kinder sind nahezu in alle Welt zerstreut. Ein Sohn lebt in Bangkok, der zweite in Salzburg, die Tochter in Wien, Sohn Oliver (13) noch bei den Eltern.
Wer mehr über Rolfs Steiningers Fernseharbeit wissen will: Der WDR bringt eine sechsteilige Folge über die „Bonner Republik“, die am 1. Oktober begann (weitere Folgen: 1., 8., 15. November jeweils sonntags ab 15.10. im WDR), später auf Phoenix.
Rolf Steiniger hat den Weg vom Eschen in die Welt gemacht. Aus dem Breddeschüler wurde ein weltweit anerkannter Professor und Leiter des Instituts für Zeitgeschichte in Innsbruck mit zahlreichen Veröffentlichungen, Audio-CDs, Rundfunk- und international preisgekrönten Fernsehdokumentationen.
Zur Person:
Quelle: am 10.05.2010 erschien der obige Artikel in der WR Plettenberg
WR Serie
Flaschenbier als Finanzspritze
Horst Hassel
Plettenberg. Als Rolf Steininger 1952 die Aufnahmeprüfung für das heimische Gymnasium an der Königstraße machte, war er als Arbeitersohn dort ein Exot. Die WR startet heute eine neue Serie über bekannte Plettenberger.
Seinem Volksschul-Lehrer Karl „Kallemann“ Ahrens von der Breddeschule war es u. a. zu verdanken, dass aus ihm, wie man so schön sagt „was Richtiges geworden ist“, nämlich ein „Ordentlicher Universitäts-Professor“ mit Doktor an der Universität Innsbruck und Leiter des dortigen „Instituts für Zeitgeschichte“.
Aufgewachsen ist der heute 67-Jährige im Haus Eschensiedlung 7, einem Vier-Familienhaus. Sein Vater arbeitete beim Stammwerk Schade. Noch heute hütet Rolf Steininger eine goldene Uhr, die sein Vater für langjährige Treue zur Firma Schade überreicht bekam. Vater Steininger war mit der Firma Holzmann nach Plettenberg gekommen, als die den Sieseler Tunnel ausbaute.
Zunächst besuchte Rolf Steininger die Breddeschule – da fiel er schon seinem Lehrer Karl Ahrens auf. Der ahnte, dass in dem Jungen mehr steckte, machte sich stark dafür, dass Rolf zum Gymnasium ging.
Der Arbeitersohn galt als Exot unter den Bewerbern, die sich zur Aufnahmeprüfung dort anmeldeten. Die Prüfung bestand Steininger, doch es lagen viele weitere Steine im Weg: Damals musste Schulgeld gezahlt werden, was für die Eltern problematisch war.
Das Schicksal nahm den Eltern zunächst eine langfristige Entscheidung ab: Mit einer Gehirnhautentzündung wurde Rolf Steininger in das Krankenhaus Werdohl eingeliefert. Die Eltern schickten ihren Sohn vor lauter Sorge wieder zur Breddeschule. Doch Karl „Kallemann“ Ahrens gab keine Ruhe und empfahl den Eltern, den jungen Rolf nach Hilchenbach zu schicken. Dort, am „Jung-Stilling-Gymnasium für Jungen in Aufbauform“ (allerdings auch mit Mädchen) mit angeschlossenem Internat, sei der weitere schulische Lebensweg ihres Sohnes in besten Händen. Das Internat kostete 125 Mark im Monat, Rolf Steiningers Vater verdiente 250 Mark.
Per Handschlag erklärte sich Wilhelm Schade gegenüber Vater Steininger bereit, bei Problemen für dessen Sohn zu sorgen. Das war für Vater Steiningers zwar eine Hilfe, aber um zu seinem Lohn etwas dazuverdienen zu können, machte er einen Flaschenbierhandel – an der Tür – auf, mit dem er viele „Gastarbeiter“, darunter die damals am Eschen zahlreichen Maurer, als Kunden gewann. Mutter Steininger bereitete für sie einen Mittagstisch.
„Meine Eltern haben sich krummgelegt, um die Ausbildung bezahlen zu können!“ erinnert sich der Professor. Das Schulgeld für das erste Halbjahr in Hilchenbach besorgte Karl Ahrens, für das 2. Halbjahr erließ die Schule ihm das Schulgeld wegen guter Noten.
Rolf Steininger machte sein Abitur am Jung-Stilling-Gymnasium und stand vor der Frage nach seiner beruflichen Laufbahn. Die „Berufsberatung“ bestand aus dem Rat der Mutter: „Junge, werd‘ Beamter!“ Das hieß Lehrer.
Steininger studierte Geschichte – dazu hatte ihn sein Vater mit seiner Lebensgeschichte motiviert – und Englisch in Marburg, Göttingen und München, absolvierte ein jeweils einjähriges Auslandsstudium in Lancaster und Cardiff. 1970 folgte das Staatsexamen. Die Eltern erlebten noch, dass ihr Sohn 1971 den „Doktor der Philosophie“ machte und 1976 an der Uni Hannover im Fach Neuere und Neueste Geschichte habilitierte.
Steiningers vier Kinder sind nahezu in alle Welt zerstreut. Ein Sohn lebt in Bangkok, der zweite in Salzburg, die Tochter in Wien, Sohn Oliver (13) noch bei den Eltern.
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