USA-Besuch in Plettenberg
Quelle: Amtliche Bekanntmachungen für den Kreis Altena, 3.
Jahrgang Nummer 44, Plettenberg, Donnerstag, 16. Septbr. 1948
Plettenberg. Es kommt nicht alle Tage vor, dass wir in
Plettenberg Besuch von der anderen Seite des großen Teiches haben, ganz
besonders, seit Kriegs- und Nachkriegszeit unsere Verkehrsverbindungen mit der
Außenwelt fast völlig unterbrochen haben. Um so erfreulicher ist es, dass eine
ehemalige Plettenbergerin, die seit einem Vierteljahrhundert mit ihrer Familie
in den Vereinigten Staaten lebt, in diesen Wochen den weiten Weg von der alten
zur neuen Welt nicht gescheut hat, um ihrer Vaterstadt Plettenberg und ihren
alten Freunden und Verwandten einen Besuch abzustatten.
Es ist Frau Adolf
Schmidt aus der Stadt Pallisade im nordamerikanischen Staat New Jersey, die
zurzeit einen vierwöchigen Aufenthalt hier verbringt und uns bereitwillig über
ihre Eindrücke drüben und hier, über das Leben der Amerikaner und ihre
Einstellung zu Deutschland sowie auch über das Schicksal verschiedener
Plettenberger Familien in Amerika berichtete.
Frau Schmidt weilt augenblicklich bei ihrer betagten
80-jährigen Mutter, Frau Mäckler, und ihrer Schwester Frau Schwarz, im Hause
ihres Schwagers, des Oberpostsekretärs a. D. Schwarz am Dingeringhauser Weg.
Sie ist vor reichlich drei Wochen hier eingetroffen
und wird am kommenden Samstag mit Ablauf ihrer 30-tägigen
Aufenthaltsgenehmigung auf dem Luftwege, auf dem sie gekommen ist, wieder nach
den Vereinigten Staaten abreisen.
Amerika – Europa in 18 Stunden!
Wenn der erste Flug nach Europa auch
schon etliche Jahre zurückliegt, so darf für uns Plettenberger Frau Schmidt
wenigstens den Ruhm in Anspruch nehmen, erstmals eine solche Luftreise mit dem
Endziel Plettenberg unternommen zu haben.
Plettenberger Familien in USA
Erst bei der Landung erfuhren sie von der
damals geltenden Bestimmung, dass jeder Einwandernde von der Quaratänestation
durch einen amerikanischen Bürger abgeholt werden müsse. Sie entsannen sich
ihres schon länger drüben ansässigen Landsmannes Fritz Heßmer, der in Amerika
die erste große Stimmnägelfabrik begründet hatte, und riefen ihn telefonisch
an. Fritz Heßmer, unser inzwischen verstorbener Ehrenbürger, zögerte keinen
Augenblick und holte die beiden Landsleute vom Newyorker Hafen ab.
Nicht
uninteressant ist es in diesem Zusammenhang, dass einst auch Fritz Heßmer durch
einen ausgewanderten Landsmann, den aus Eiringhausen stammenden Willi Emde (der
es in USA unter dem Namen Edenborn zum Multimillionär und Eisenbahnkönig
brachte) herübergeholt und bei den ersten Schritten auf amerikanischem Boden
unterstützt worden ist.
Unsere beiden jungen und unternehmungslustigen Auswanderer
Adolf Schmidt und Adolf Schöttler hatten damals vor, nach Detroit zu den
Fordwerken zu gehen, doch wurde aus diesem Plan nichts, da ihnen Fritz Heßmer
sogleich eine Beschäftigung in seiner Fabrik anbot. Im Laufe der Zeit haben
sich die beiden Freunde dann selbständig gemacht. Herr Adolf Schmidt ist seit
dem vorigen Jahr Inhaber einer Kugellagerfabrik in Pallisade, während Herr Ad.
Schöttler mit seiner Gattin (Emma geb. Klein von der Allestraße) auf Long
Island bei Neuyork ansässig ist und eine Kunsttischlerei betreibt.
Doch Frau
Schmidt weiß noch von weiteren Plettenberger Familien zu berichten, die in
dieser Gegend ansässig sind und es durch die westfälischen Tugenden Fleiß und
Ausdauer zu angesehener Position gebracht haben. In Tenefly (ebenfalls im Staat
New Jersey) ist der ehemals in einer Pelzfabrik tätig gewesene, jetzt von
seiner Rente lebende Herr Hermann Geisler aus Plettenberg ansässig. Auch dessen
Gattin ist eine Plettenbergerin (Emma Geisler geb. Hoffmann), und seine erwachsenen
Söhne betreiben gutgehende Delikateßwarengeschäfte.
Auf Long Island wohnt
wohnen auch der aus Böddinghausen stammende Schreinermeister Henry Wolff mit
seiner Gattin (Helene geb. Nitsche), und in der Stadt New Jersey die jetzt mit
dem deutschen Silberschmiedemeister Alex Wirsinek vermählte Plettenbergerin
Emmi Wolf. Von allen diesen ehemaligen Plettenbergern bringt Frau Schmidt
herzliche Grüße an die Heimat und alle Freunde, Bekannten und Verwandten mit.
Ein Jeep kam nach Plettenberg . . .
Amerika - nüchtern gesehen
Die Deutschen in Amerika
Als nach der Kapitulation durch Zeitungsberichte die ersten
Nachrichten über die schwierigen Verhältnisse in Deutschland bekannt wurden,
taten die deutschstämmigen Amerikaner sofort alles in ihren Kräften Stehende,
um die Not zu lindern. Jeder Deutsche drüben, ob arm oder reich, spendete, ja
opferte oft von den letzten Ersparnissen, um der notleidenden Heimat zu helfen.
Frau Schmidt schilderte uns anschaulich, wie damals die Deutschen in langen
Reihen vor den Paketschaltern Schlange standen und sich die Paketsendungen für
Deutschland in den Lagerräumen zu Bergen türmten, die anscheinend kaum noch zu
bewältigen waren. Das spontane Bekenntnis so vieler Landsleute zur alten Heimat
war für alle Deutschen drüben ein innerlich erhebendes Erlebnis.
Nun steht Frau Schmidt vor dem Rückflug in ihre
amerikanische Wahlheimat. Sie hat die Schwierigkeiten gesehen, mit denen wir in
der alten Heimat zu kämpfen haben und auch die Ansätze erkannt, die dennoch
schon an manchen Orten für einen Neubeginn gemacht werden. Sie hat gesehen,
dass trotz allem, was über das deutsche Land gekommen ist, die Heimat und die
Menschen im Kern unverändert geblieben sind. Wir schieden von ihr mit den
besten Wünschen für einen glücklichen Rückflug und herzlichen Grüßen an alle
alten Plettenberger in der neuen Welt. Dr. H. |