Quelle: Heimatblätter des mittleren Lennegebietes, Nr. 2, Werdohl, Anfang April 1930, 6. Jahrgang

Carl Friedrich Wilhelm Schirmer (1804-1875)

Ein Lebensbild von ihm zur Erinnerung an das Jahr 1829, in dem er als Pfarrer nach Plettenberg kam



Weil Schirmer als Superintendent und Kreisschulinspektor auch Bedeutung für manche Nachbargemeinde gehabt hat, so ist es angebracht, dass seiner auch in den "Heimatblättern" gedacht wird.
Seine Vorfahren lebten in der Gegend von Bayreuth, wo sein Großvater Forstbeamter war. Dessen 1768 geborener Sohn Heinrich Christoph Schirmer verließ 1787 als bester Abiturient das Gymnasium zu Culmbach am Main. Er widmete sich ebenfalls dem Forstfach und eignete sich in den verschiedensten Stellungen und auf Reisen allerlei Kenntnisse für seinen Beruf an; besonders geschickt erwies er sich in der Forstmeßkunst.

Seine Tätigkeit in seinem Berufe war die Veranlassung, dass er 1802 als Forstmeister nach Altenkirchen berufen wurde. Dort hat er in glücklicher, anerkannter Tätigkeit, im Kreise wohltuender Häuslichkeit und in angenehmer Geselligkeit sich sehr wohl gefühlt. 1816 wurde er als Regierungs- und Forstrat an die neu errichtete Regierung in Koblenz versetzt. Im vorgerückten Alter erhielt er seine Versetzung nach Köln, wo ihm auch der Titel "Wirklicher Oberforstmeister" und der "Rote Adler-Orden 4. Klasse" verliehen wurden, ein Beweis dafür, wie sehr seine Vorgesetzten mit seiner Tätigkeit zufrieden waren. Die letzten 6 Jahre seines Lebens verbrachte er in wohlvedientem Ruhestande und wählte sich zum Wohnort Deutz. Hier lebte er nur für seine Familie und die wenigen ihm noch gebliebenen Freunde.

Die Erziehung seiner Kinder leitete er mit größter Sorgfalt und einer Mischung von Ernst und Freundlichkeit, die den Kindern sehr heilsam gewesen ist und an deren schönen Früchten er sich im Alter erfreuen durfte. Der jüngste Sohn schlug des Vaters Laufbahn ein und war bei dessen Tod Stollbergischer Forstmeister; der älteste diente damals als Major in Düsseldorf, und der zweite war als Richter in Köln tätig.

Der am 6. November 1804 in Altenkirchen geborene Carl Friedrich Wilhelm Schirmer war der dritte Sohn Heinrich Christoph Schirmers. Dieser erhielt den ersten Unterricht in seinem Geburtsort. Nachdem der Vater nach Koblenz versetzt worden war, besuchte Carl Friedrich Wilhelm von 1816 - 1824 das dortige Gymnasium. Diese Zeit stand unter den Nachwirkungen der Befreiungskriege und des neu erwachenden Glaubenslebens und bestärkte ihn in seinem Entschluss, Theologie zu studieren. Deshalb bezog er 1824 die Universität zu Bonn.

Die Erinnerung an jene schöne Zeit erhob ihn in späterem Alter noch zu jugendlicher Begeisterung. Hier schloss er manche Freundschaft mit Gesinnungsgenossen fürs ganze Leben. Unter seinen Freunden waren viele, die später an hervorragender Stelle im Dienste des Vaterlandes standen. 1828 bestand er vor dem Konsistorium in Koblenz das erste theologische Examen. Bald danach übernahm er die Rektorstelle in Herdecke. 1829 unterzog er sich der zweiten theologischen Prüfung in Münster und bewarb sich um die erledigte lutherische Pfarrstelle zu Plettenberg, in die er dann auch berufen wurde. Schon am 1. November 1829 holte ihn die Gemeinde in festlichem Zuge von Werdohl ab nach Plettenberg. Am 6. November fand seine Ordination und Einführung als Nachfolger des verstorbenen Pastor Schlieper durch den Superintendenten Keßler aus Werdohl statt.



In der Gemeinde Plettenberg bestanden eigenartige kirchliche Verhältnisse, denn die nicht viel über 200 Seelen umfassende reformierte Gemeinde und die ungefährt zehnmal so große lutherische Gemeinde benutzten abwechselnd dieselbe 1345 erbaute Kirche. Bis zum Jahre 1809 waren die Lutherischen von zwei Pastoren bedient worden. Dann aber hatte die französische Regierung das Eingehen der zweiten Pfarrstelle verfügt. Schirmers Arbeit in der großen Gemeinde wurde noch dadurch wesentlich erschwert, dass fast sämtliche Einwohner der neuen und zum Teil recht weit abliegenden und nur auf schlechten Wegen zu erreichenden Bauerschaften zu seiner Gemeinde gehörten. Für sein Amt brachte er reiche Geistesgaben und ein weiches Herz mit.

Es gelang ihm, einen heilsamen Einfluss auf die Gemeinde auszuüben und gesunden kirchlichen Sinn zu fördern. Auf seine Veranlassung wandte sich das Presbyterium 1834 an den Bürgermeister mit der Bitte, das Schnapstrinken während des Gottesdienstes polizeilich zu verbieten. 1839 erhob Schirmer den Vorwurf, einige der neu gewählten Repräsentanten hätten im Jahr nur vier- bis fünfmal die Kirche besucht. Allmählich besserten sich die Zustände in der Gemeinde, so dass im Jahre 1841 über dieselbe berichtet werden konnte, "die Gemeinde nimmt am Gottesdienste fleißig teil, das Heilige Abendmahl wird in Ehren gehalten".



Zur Förderung des kirchlichen Lebens trugen viel bei seine anregenden und von Geistesfülle sprudelnden Predigten. Den Gemeindegliedern gegenüber war er allzeit freundlich und hilfsbereit, und durch seine weit verzweigten Verbindungen auch in anderer als kirchlicher Beziehung war es ihm möglich, manchem wertvolle Dienste zu leisten. Dass er sich bei solcher Tätigkeit die Achtung und das Vertrauen des größten Teils seiner Gemeinde erwarb, ist selbstverständlich. Die größten Verdienste hat er sich um die Vereinigung der beiden evangelischen Gemeinden Plettenbergs erworben. Einigungsverhandlungen begann das lutherische Presbyterium schon 1839, die freilich erst am 1. Juli 1851 zum Zusammenschluss führten.
- Das Foto rechts ist dem "Sonntagsblatt für die evangelische Gemeinde Plettenberg" vom 27.10.1930 entnommen.

Auch den kirchlichen Gebäuden wandte er seine Sorgfalt zu; daher wurden 1842 Dach und Turm der Böhler Kapelle gründlich erneuert und 1875 die Kirche für 1.740 Taler neu verputzt.
Auch im Kreise seiner Amtsbrüder erfreute sich Schirmer des besten Ansehens. Schon 1832 wurde er in den Synodalvorstand und 1841 sogar zum Superintendenten der Synode gewählt. Die ihm 1847 angebotene Wiederwahl glaubte er ablehnen zu müssen. Besonderes Interesse zeigte Schirmer für die Schulen. Darum übertrug ihm die Regierung zu Arnsberg 1857 das Amt eines Kreisschulinspektors, dem er sich bis zu seinem Ende mit dem größten Eifer gewidmet hat. Durch anregende Konferenzen suchte er die Weiterbildung der Lehrer zu fördern. Auch bemühte er sich nach Kräften, deren Gehaltsverhältnisse zu verbessern.

In Plettenberg bestand neben einer zweiklassigen lutherischen eine einklassige reformierte Schule, deren Vereinigung zu einer leistungsfähigeren dreiklassigen Schule auf seine Veranlassung 1853 durchgeführt wurde. Er besaß die Gabe, zu organisieren, Schwierigkeiten zu beseitigen und die Gegensätze auszugleichen, was sich bei der Regelung der Schulverhältnisse in den Bauerschaften Pasel, Eiringhausen und Böddinghausen zeigte.

Sein gewandtes Auftreten, seine geistreiche Rede- und Schlagfertigkeit verschafften ihm auch Ansehen in den obersten Verwaltungsstellen. 1839 bestimmte ihn der Oberpräsident Freiherr Vincke, als Sprecher einer Abordnung den damaligen Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV., bei seinem Besuch in Altena, um Befürwortung des Baues der Lennestraße von Altena bis Pasel zu bitten. Als 1840 die Verlegung des Gerichtes von Plettenberg verfügt worden war, entsandten Stadt und Amt ihn nach Berlin, und seinen Bemühungen ist es zu verdanken, dass das Gericht nicht verlegt wurde. Für seine segensreiche Tätigkeit in seinem Pfarramt und darüber hinaus wurde ihm die staatliche Anerkennung durch Verleihung des Roten Adlerordens zuteil.

Sein Familienleben war ein vielbewegtes. Seine erste Gemahlin Karoline Thomee - eine Plettenbergerin - mit der er seit 1830 verheiratet war, starb schon 1832 und bald danach auch das von ihr hinterlassene Söhnlein. 1837 vermählte er sich mit dem Freifräulein Luise von Plettenberg-Schwarzenberg. Die meistend er aus dieser Ehe geborenen Kinder starben im jugendlichen Alter. Dann riß der Tod auch die Gattin von seiner Seite. Von den beiden ihm verbliebenen Söhnen wurde der älteste Amtmann des Amtes Plettenberg. Zusammen mit diesem und seinem ältesten Bruder, dem pensionierten Generalmajor Heinrich Schirmer, verlebte er die letzten zehn Jahre seines Lebens. Besonders war ihm sein jüngster Sohn ans Herz gewachsen. Dieser wurde für seinen Einsatz in dem Kriege 1866 mit dem Kronenorden geehrt und berechtigte zu großen Hoffnungen. Darum war es dem Vater überaus schmerzlich, dass dieser am 16. August 1870 bei Mars-la-Tour als Regimentsadjutant im Infantrie-Regiment 56 den Heldentod erlitt.

Der Verlust dieses so sehr geliebten Sohnes schmerzte Schirmer so sehr, dass seine Kräfte allmählich abnahmen. Es bildete sich bei ihm Darmkrebs, der ihm wochenlang unsägliche Schmerzen bereitete, bis ihn am 10. Februar 1876 der Herr durch einen sanften Tod erlöste.
Seine Zeitgenossen schrieben damals über ihn: "Schirmer war alles in allem genommen ein bedeutender Mann, eine tief und originell angelegte Figur, ein Mann von umfassenden Kenntnissen und begabt mit einem großen Herzen. Man konnte nicht gleichgültig an ihm vorübergehen. Man musste bei dem ersten Zusammentreffen mit ihm schon eine entschiedene Stellung einnehmen. Das hat ihm viel treue Freundschaft, aber auch manch bittere Feindschaft eingetragen. Er ist durch gute und böse Gerüchte gegangen; aber die ihn näher kannten, denen sich sein Herz erschloss, die trauern um seinen Tod als um einen fast unersetzlichen verlust. Sein Gedächtnis bleibt in Segen nah und fern. Wir haben einen guten Mann begraben."

Die Beerdigung fand am 14. Februar statt. Von seinen Freunden redeten am Sarge Pfarrer Daniel aus werdohl und in der Kirche Pfarrer Spiritus von Lüdenscheid.


Ruhestätte der Familie Schirmer

Auf dem Grabstein der Familie Schirmer auf dem Böhler Friedhof finden sich folgende Eintragungen:

Meiner unvergesslichen Caroline Schirmer geb. Thomee und unserem lieben Robert, den frühe vollendeten in der Hoffung eines baldigen und fröhlichen Wiedersehens! Des hinterlassenen Gatten und Vaters einsam weinende Liebe.

An der rechten Seite der Steele: Sie starb noch vor vollendetem 25. Lebensjahr ihres kurzen aber vielgeprüften Lebens nach langen und schmerzlichen Leiden als die letzte ihrer Familie am 5. July 1832. Ruth 1.16.17 - Offenb. 2.10 Sei getreu bis in den Tod so will ich dir die Krone des Lebens geben.

An der linken Seite der Steele:
Er folgte bald seiner seligen Mutter nach kurzen aber heftigen Krämpfen zu Cöln a Rh am 3. August 1832. Ruth 1.20.21 - Ps. 4 V. 9 Ich liege und schlafe ganz mit Frieden denn allein du Herr hilfst mir dass ich sicher wohne.

Hier ruhen ferner:
Carl Friedrich Wilhelm Schirmer, weiland evangelischer Pferrer zu Plettenberg, Ritter p.p., * 06. November 1804 †10. Februar 1876
Louise Schirmer geb. Freiin von Plettenberg-Schwarzenberg, *02. August 1811 †03. September 1865
Alexandrine Wilhelmine Freifrau von Plettenberg-Schwarzenberg geb. Freiin von Syberg-Kemnade, *03. März 1773 †25. März 1851
Oscar Schirmer, *23. April 1842 †10. September 1856
Olga Schirmer geb.Klein, *23. Februar 1895 †27. November 1942
Anna Schirmer geb. Golinski, *24. Juli 1891 †15. Mai 1984
Heinrich Schirmer, *27. März 1877 †10. Mai 1967



Fotos: Horst Hassel


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