Quelle: Süderländer Tageblatt vom 20.03.1965
Hauptlehrer Rudolf Vieregge verstorben
Plettenberg. Noch am Sonnabend sprach er in der Geschäftsstelle
der Heimatzeitung vor, um in der ihm eigenen Bescheidenheit darum
zu bitten, dass von seinem 71. Geburtstag, den er am gestrigen
Montag hätte feiern können, keine Notiz genommen würde. Nun ist an
eben diesem Tage Hauptlehrer Rudolf Vieregge ganz plötzlich heimgerufen
worden.
Herr Vieregge entstammte einer alten Bauernfamilie in Plettenberg-Leinschede.
Nach dem Besuch der Volksschule, Realschule und des damals noch Königlich
Preußischen Lehrerseminars war er zwölf Jahre lang an der Albert-Schweitzer-
Schule in Nachrodt-Obstfeld tätig und übernahm dann, nach Ablegung der
Realschullehrerprüfung, die Leitung der Volksschule Freiheit in Altena,
an der er fast 30 Jahre wirkte.
1960 trat Herr Vieregge in den wohlverdienten Ruhestand. Doch als vor
nunmehr drei Jahren der Leiter der Gemeinschaftsschule Ohle, Herr Benfer,
plötzlich einem Herzschlag erlag, sprang Rudolf Vieregge auf Ersuchen
der Schulbehörde sofort wieder in die Bresche und führte die Abschlussklasse
bis zur Entlassung. Als dann auch an der hiesigen Martin-Luther-Schule
infolge des großen Lehrermangels nicht alle Stellen besetzt werden konnten,
stellte Rudolf Vieregge sich nochmals ein Jahr zur Verfügung und wurde
Ostern 1964 erst endgültig verabschiedet.
Herr Vieregge nahm an beiden Weltkriegen vom ersten bis zum letzten Tage
teil. Im Ersten Weltkrieg wurde er zweimal verwundet und mit dem Eisernen
Kreuz I. Klasse ausgezeichnet. Im zweiten Weltkrieg führte er ein Bataillon
und zuletzt ein Regiment. Als alter Soldat setzte er sich nach dem Kriege
für die Ziele des Deutschen Soldatenbundes Kyffhäuser ein und wehrte sich
gegen die Diffamierung des deutschen Soldaten. Er war erster Vorsitzender
des Kreisverbandes Altena-Lüdenscheid und stellvertretender Vorsitzender
der Kyffhäuser Kameradschaft Ohle.
Aber auch auf anderen Gebieten stellte Herr Vieregge seine Kraft in den
Dienst der Allgemeinheit. So leitete er seit 1947 schon den ev. Kirchenchor
Ohle, nachdem er bereits von 1922 bis 1939 in gleicher Eigenschaft der ev.
Gemeinde Nachrodt diente. Nicht vergessen sei seine 30-jährige Tätigkeit
im Vorstande der Abteilung Altena des Sauerländischen Gebirgsvereins sowie
sein Eintreten für die Erhaltung der plattdeutschen Sprache. So widmete er
gerade im letzten Jahre sein besonderes Interesse der ins Leben gerufenen
heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft der Volkshochschule und deren Tätigkeit
zum Wohle der Heimat. - Wer Rudolf Vieregge einmal kennen lernte, wird ihn
nicht vergessen. |