Quelle: Verwaltungsbericht der Stadt für die Zeit vom 01.04.1914-31.03.1915, S. 43-46
Karl Reinländer zum Beigeordneten gewählt
Am 22. April 1915 fanden die Etatberatungen in öffentlicher Stadtverordnetenversammlung
statt. . . . Zum Beigeordneten anstelle des verstorbenen Herrn von Banchet wurde Herr
Ratsherr Karl Reinländer und zum Abgeodneten für den Kreistag Herr Vorsteher J. Rempel
gewählt. . . .In der Sitzung des Stadtrats vom 4. August 1915 fand die Einführung und
Verpflichtung des neuen Beigeordneten statt. Herr Fabrikbesitzer Karl Reinländer, ein
Sohn unserer Stadt und seit 25 Jahren mit den verschiedensten Ehrenämtern, als:
Stadtverordneter, Magistratsmitglied, Presbyter, Schulvorsteher, Vorstandsmitglied der
Straßenbahngesellschaft und dergl. von seinen Mitbürgern betraut, hielt bei seiner
Einführung folgende hochinteressante Rede:
"Meine Herren! Für das Vertrauen, welches Sie mir durch die Wahl zum Beigeordneten
erwiesen haben, danke ich Ihnen. Ich verspreche, nach bestem Wissen und Können das
Recht zu fördern und dafür einzutreten, das Gute und Schöne zu unterstützen, mit
anderen Worten, dass ich das Wohl unserer Stadt meinen Arbeiten als Richtschnur
dienen lassen werde. Darin sind wir alle einig, dass wir unser Mandat nur dann richtig
ausüben, wenn wir ohne Ansehen der Person, uns nur von sachlichen Gründen leiten lassen.
Unterstützen Sie mich, bitte, in meinen Arbeiten mit Ihrem Rat und Ihren Anregungen.
Insbesondere bitte ich hierum den Herrn Bürgermeister, den Herrn Stadtsekretär und den
Herrn Stadtbaumeister.
Meine Herren! Gestatten Sie mir heute, bei dieser mir passend erscheinenden Gelegenheit,
einen kurzen Rückblick auf die letztvergangenen 25-30 Jahre unseres Gemeinwesens. Im
Jahre 1890, also vor 25 Jahren, als ich von der dritten Abteilung zum ersten Mal in das
Stadtparlament berufen wurde, war manches in unserer Gemeinde noch nicht so, wie heute.
Wir haben Fortschritte gemacht, und ich freue mich, dass es mir vergönnt war, dabei
mitwirken zu können.
Im Jahre 1895 wurde mit dem Bau der Straßenbahn begonnen. Bis zum Jahre 1901 habe ich
die Ehre gehabt, mit dem verstorbenen Herrn Wilhelm Seißenschmidt, dem wir in erster
Linie den Bau der Bahn zu verdanken haben, und bis 1899 mit dem verstorbenen Herrn
Postmeister Weiß, der seine ganze Kraft mit einsetzte, ferner mit den Herren Paul
Brockhaus, Gummich, August Vieregge, Carl Myläus jr., Rempel und Pühl, Mitglied des
Vorstandes sein zu können. Die ersten 7 Jahre habe ich das Amt als Ehrenamt verwaltet.
Vor dem Beginn des Bahnbaus wurde geplant, die Bahn elektrisch zu betreiben; das
Lenne-Elektrizitätswerk war jedoch nicht fertig, und die Kosten stellten sich s. Zt.
zu hoch. Vielleicht kann in Zukunft der Personenverkehr doch noch elektrisch betrieben
werden.
1895 wurde mit der Lenne-Elektrizitäts- und Industrie-Ges. der bekannte 40-jährige
Vertrag abgeschlossen, der uns das heute fast in jedem Hause vorhandene elektrische
Licht an Stelle der Petroleumlampe gebracht hat. Der Schlachthof wurde im Jahre 1902
erbaut und ist die Kontrolle über die Güte des Fleisches, die von dem sachkundigen
Herrn Direktor Damm ausgeübt wird, in hygienischer Beziehung freudig zu begrüßen.
Dasselbe lässt sich von dem städtischen Wasserwerk, welches im Jahre 1888 erbaut und
1897 erweitert wurde, sagen. Ohne diese Einrichtungen kann man sich in unserer Zeit -
wo deren Wert für die Gesundheit erkannt worden ist - kaum eine Stadt mehr denken.
Ich erinnere noch kurz an der Pflasterung der Bahnhofstraße, der Herscheider- und Grünestraße,
an den Ausbau der Volksschule, an die Einrichtung der Haushaltungsschule, an die Umwandlung
der Rektoratsschule in die Realschule und der früheren Privat-Töchterschule in eine
städtische höhere Mädchenschule, die nicht vom Zufall abhängig ist, und an der die
Lehrkräfte mit gutem Gehalt und Pensionsberechtigung angestellt sind.
Nicht vergessen will ich die Fortbildungsschule, die früher mal ein klägliches Dasein
führte, und jetzt, dank des rührigen, tüchtigen Rektors und der tatkräftigen Unterstützung
seitens des Herrn Bürgermeisters und der Vertretungen, eine Anstalt geworden ist, die
uns Freude macht und vor allen Dingen den Knaben zum Segen gereicht, wenn sie daran
denken, dass man nicht zu viel lernen kann, und dass es heißt: "Wer etwas kann, den hält
man wert, den Ungeschickten niemand begehrt."
Ich habe mitgewirkt an der Erbauung der Oestertalsperre, die leider viel gekostet hat
und deshalb den Industriellen kein billiges Wasser liefern kann, die aber trotzdem für
alle eine gute Errungenschaft darstellt, da sie die Überschwemmungsgefahr mildert und
in trockenen Sommern der Luft durch die Verdunstung von täglich ca. 6000 Kubikmeter Wasser
einen Feuchtigkeitsgehalt gibt, der für Menschen, Tiere und Pflanzen von wohltätigem
Einfluss ist.
Ferner erinnere ich an die heutige Reinigung der Straßen und Plätze, die, wenn sie auch
noch nicht ideal ist, doch gegen früher einen wesentlichen Fortschritt bedeutet. Kurz
erwähnen will ich noch die Einrichtung des Bauamtes, welches uns schon viele gute Dienste,
unter der Führung des tüchtigen Herrn Stadtbaumeisters, geleistet hat. Vor allem nenne
ich den Realschulbau, hierher gehört auch die Kanalisation, und manches Andere.
Ich erinnere noch an die Einrichtung der Volksbibliothek, sowie an die am 1. April 1885
gegründete freiwillige Feuerwehr, deren vorzügliche Organisation wir in der Hauptsache
dem Oberbrandmeister Herrn Stadtsekretär Hermens verdanken, welcher von dem Herrn
Bürgermeister und den Vertretungen kräftig unterstützt worden ist und an unseren Mitbürger,
dem Ehrenhauptmann Wuppermann, einen vorzüglichen Gönner und Förderer der guten Sache hat.
Von den Vereinen seien die folgenden genannt: der sauerländische Gebirgsverein, der Turnverein
"Jahn", die Blaukreuz-Vereine, der Naturheilverein, der Volksbildungsverein, der Verein
für das Deutschtum im Ausland und der Impfgegnerverein.
Damit komme ich zu einem kurzen Ausblick auf die Arbeiten, die uns in Zukunft beschäftigen
werden. In erster Linie steht die Fürsorge für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen
und für die Kriegsinvaliden und ihre Familien. Ich habe vor kurzem gelesen, dass die Stadt
Düsseldorf denjenigen, welche den rechten Arm verloren haben, Unterricht im Linksschreiben
und im Maschinenschreiben erteilen lässt. Von Bochum wird unterm 9. Juni berichtet: 'Sämtliche
Krieger der Provinz Westfalen, denen Glieder abgeschossen sind, werden fortan im hiesigen
Bergmannsheil untergebracht. Die Behandlung erfolgt durch Prof. Dr. Wullstein.
Im Jahre 1920 hat sich die Vertretung zu entscheiden, ob die Stadt die Straßenbahn übernehmen
will. Nach meiner Ansicht, die ich seit dem Bau der Bahn vertrete, tut die Stadt gut daran, wenn
sie das Unternehmen erwirbt, und ich will es heute nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass
schon jetzt in diesem Sinne gearbeitet werden muss. Nach der Konzession muss die Stadt bei
dem Erwerb den Betrag zahlen, der im Durchschnitt der letzten 5 Jahre verdient worden ist,
mindestens jedoch den Betrag der Aktien. Der § 41 lautet wörtlich:
'Die Stadtgemeinde Plettenberg ist berechtigt, nach Ablauf von 25 Jahren, die Bahnanlage nebst
Betriebsmaterial und sämtlichem Zubehör zu dem 25-fachen Betrage des im Durchschnitt der
letzten 5 Betriebsjahre erzielten Reingewinnes zu übernehmen, und die der Stadtgemeinde
zufallende Quote an dem Kaufpreis zu kürzen; nach Ablauf von 35 Jahren zu dem 20-fachen
Betrage, jedoch in keinem Fall unter dem Nennwert der Aktien.'
Es liegt also im Interesse der Stadt, wenn sie ihren ganzen Einfluss aufbietet, dass in
den Jahren 1915 bis 1919 einschließlich der Verdienst 4 % nicht übersteigt. Die
Aufsichtsratsmitglieder, den Herrn Bürgermeister und die Herren Kaiser und Koch bitte
ich, dahin zu wirken, sie können der Stadt hierbei einen guten Dienst erweisen. Der
Einfluss der Bahn Plettenberg - Herscheid ist zu berücksichtigen. Im übrigens sind die
Gelder für Instandsetzung des Oberbaues und dergleichen, also für Anlagen, die aus dem
Betriebe zu decken sind - nicht für Neuanlagen, zu verwenden. Nötigenfalls sind die
Frachtsätze zu ermäßigen, die später wieder erhöht werden können. Da der Herr
Regierungsbaumeister am Reingewinn beteiligt ist, kann ihm ein entsprechender Betrag
vergütet werden, damit er nicht geschädigt wird. Durch Vermeidung eines 4 % übersteigenden
Gewinnes kann die Stadt bei der Übernahme leicht viele tausend Mark sparen. (Nachdem
dieser Teil der Rede im Süderländer Wochenblatt veröffentlicht worden war, gab es
Leserbriefe zum Thema.)
Von den Bestrebungen der Bodenreformer, deren Mitglied ich seit 1906 bin, kann das für
unsere Verhältnisse Passende verwertet werden. Wer im März d. J. den Vortrag über
Kioutschau im "Verein für das Deutschtum im Auslande" gehört hat, wird sich von dem
segensreichen Erfolge der bodenreformerischen Bestrebungen überzeugt haben. In erster
Linie kommt für uns hier der weitere Ankauf von Grundstücken in Frage. Für die Gemeinde
ist es sehr wichtig, viel Boden zu besitzen. Menschen kommen und gehen, aber der Boden
bleibt, und die Gemeinde bleibt. Ferner gehört hierhin die Unterstützung des Baugewerbes,
des Kleinwohnungswesens, die Einführung des Erbbaurechtes und dergleichen.
Hierbei möchte ich auch die "Kriegerheimstätten" erwähnen, die Johannes Lubau in einem
kleinen Hefte ausführlich behandelt. Im Rottenburger Tageblatt vom 6. Juli (1914)
schreibt Herr Pfarrer Nast: "Ein vortrefflicher Gedanke ist, wie zu hoffen steht, zeitig
genug in die Verhandlungen über die zukünftige Gestaltung unseres Vaterlandes geworfen
worden: Der Gedanke der Kriegerheimstätten. Es soll durch Reichsgesetz jedem heimkehrenden
Krieger ein Anspruch auf eine eigene, mit Hilfe des Reiches und anderer öffentlicher
Verbände billig zu erwerbende Heimstätte zustehen. Der Boden soll dem Krieger ohne
Anzahlung gegen eine unkündbare und bei Lebzeiten des Mannes und seiner Ehefrau nicht
erhöhbare Grundrente zur Verfügung gestellt werden, damit er sich auf einem Teile des
von ihm mitverteidigten Vaterlandes ein Eigentum mit Nutzgarten einrichten, und so seinen
Kindern eine gesunde Jugend verschaffen kann. Auch für die Baukosten würde das Reich eine
volle Beleihung ermöglichen in Form unkündbarer, löschungspflichtiger Tilgungsdarlehen."
Der Vertrag mit der Lenne-Elektrizitäts- und Industrie-Gesellschaft bedarf einer weiteren
stetigen Beachtung. Wir sind von dem Preise von 50 Pfennig pro Kilowattstunde auf
45 Pfennig gekommen. Wir werden, wie ich zuversichtlich hoffe, demnächst den Satz von
40 Pfennig erhalten, und die Zählermiete wird auf die Hälfte ermäßigt werden. Aber auch
dabei würfen wir nicht stehen bleiben, und ich bitte den Herrn Bürgermeister und den
Ratsherrn Herrn Dr. Steinweg auch weiter nach Kräften dafür einzutreten. Da bei dem
Petroleummangel jetzt fast alle Bürger elektrisches Licht haben, ist ein niedrigerer
Preis von der größten Bedeutung.
Der Bau eines Rathauses mit Bürgermeisterwohnung wird uns später auch beschäftigen,
vielleicht auch die Eingemeindung des Amtes. Wenn sich ein Weg finden lässt, der beide
Teile befriedigt, dann würden die Stadt und das Amt dabei nur gewinnen können. Ich
will heute nur auf die Möglichkeit hinweisen, dass mal die Frage - wofür heute schon
Stimmen vorhanden sind - zur Erörterung kommen kann. Dagegen werden wir in Bälde für
mehr Räume für das Bürgermeisteramt sorgen müssen, da es auf die Dauer nicht angeht,
dass in einem Raume zu gleicher Zeit mit vielen Personen verschiedene Sachen verhandelt
werden.
Ausgeschlossen erscheint es mir auch nicht, dass mal der Bau einer städtischen Gasanstalt
in Frage kommt. Jedenfalls sind heute schon Freunde dieses Gedankens vorhanden. Für
Kochzwecke ist die Elektrizität zu teuer, da bietet das Gas eine angenehme Bequemlichkeit
bei großer Billigkeit, die in den Städten, wo Gas vorhanden ist, sehr gerühmt wird.
Die Anstellung eines Försters hat uns früher bereits beschäftigt und wird in absehbarer
Zeit auch wohl erledigt werden müssen.
Wir leben in einer ernsten, schweren Zeit! Noch wogt der größte, gewaltigste Kampf aller
Völker und Zeiten, der unsagbar viele blutige und unblutige Opfer gefordert hat und
noch täglich fordert. Aber wir hoffen zuversichtlich, dass die Zeit nicht mehr fern ist,
wo die Schwerter ruhen und die Friedensglocken läuten, wo eine neue, bessere Zukunft
anbricht, für uns und unser heißumstrittenes, geliebtes deutsches Vaterland!
Nachsatz: In der Septembersitzung der Stadtverordneten wurde Herr Stadtverordneter
Kaufmann Albert Schulte an Stelle des Herrn Beigeordneten Reinländer zum Magistratsmitgliede
gewählt, nachdem Herr Stadtverordneter Bankier Otto Geck unter Berufung auf § 74 der
Städteordnung das Amt als Ratsherr abgelehnt hatte... |