Quelle: "Mehr Stolz, ihr Frauen!", Lebensgeschichten
Plettenberger Frauen aus dem 20. Jahrhundert, Plettenberg 2012, S. 33-36,
von Renate Martin-Schröder mit Ergänzungen von Christiane Wilk
Elise Lüsebrink
Elise Lüsebrink geb. Höfer wurde am 18. März 1865 als Tochter des
Landwirts Friedrich Höfer und seiner Frau Anna Höfer geb. Wiesermann
in Plettenberg-Marl geboren und starb am 17. Januar 1939 ebenfalls
in Plettenberg.
Die Vornamen der Mädchen lauten: Minna, Adele, Amanda Luise, Clara (geb.
03.06.1887), Hedwig (geb. 11.10.1893). Der Junge, geb. 27.07.1899, bekam
den Vornamen Willi. Er fiel im zweiten Weltkrieg. Außer den eigenen
Kindern hat Elise Lüsebrink ein Waisenkind großgezogen, einen Jungen mit
Namen Viktor Deville (geb. 03.10.1907).
In der Chronik des Jahres 1932 (Quelle: Süderländer Tageblatt vom 31.12.1932)
ist am 11. Februar eingetragen: "Frau Elise Lüsebrink feiert heute ihr
40-jähriges Dienstjubiläum als Hebamme. 2500 Kinder haben während ihrer
Dienstzeit das Licht der Welt erblickt. Der Jubilarin werden an diesem Tag
viele Ehrungen zuteil."
Dieser Umstand, einen Beruf erlernt zu haben, - die Ausbildung war vor 1892
in Paderborn erfolgt - kam Elise Lüsebrink zugute, da sie als so junge
Witwe eine so große Familie zu ernähren hatte. Trotz der großen Last der
eigenen Sorgen verlor sie nie den Blick für die Nöte anderer. Mit allen ihr
zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften versuchte sie Kindern zu helfen,
die durch Tod der Mutter in Not geraten waren. Zum Teil versorgte sie diese
vorübergehend in ihrem eigenen Haushalt, bis eine geeignete Bleibe gefunden
war.
Ein Mädchen zum Beispiel, welches nach Werdohl zu einem Bauern vermittelt
wurde, hatte jedoch dort so schwer arbeiten müssen und wurde zudem nicht gut
behandelt, so dass es zu Fuß nach Plettenberg zu Elise Lüsebrink zurückgekehrt
ist.
Außer ihrem starken beruflichen Einsatz und vielleicht gerade wegen der dabei
vielerorts erlebten sozialen Not betätigte sich Elise Lüsebrink auch politisch
und war die erste Plettenberger Stadtverordnete, die für die SPD nach der
Wahl am Sonntag, den 2. März 1919, in das Stadtparlament einzog.
Für uns heute völlig normal, für damalige Zeiten etwas ganz Neues! Politisch
engagierte Frauen durften sich Anfang des 20sten Jahrhunderts nicht organisieren
und betätigen. Folgendes Zitat aus der Chronik "100 Jahre SPD Ortsverein
Plettenberg", erschienen in 2003, gibt einen Einblick in diese Zeit:
"Und im August 1905 sprach die aus Dresden kommende Referentin Kähler zum
Thema 'Was ist die Bestimmung des weiblichen Geschlechts?'. Die Veranstaltungen
stießen auf gute Resonanz. Hundert Zuhörer, meistens noch mehr, waren keine
Seltenheit. Darunter auch immer wieder einige Frauen. Ein Beitritt zum
sozialdemokratischen Volksverein blieb ihnen jedoch nach dem geltenden
Preußischen Vereinsgesetz von 1850 verwehrt. Das Vereinsgesetz verbot Frauen
generell die Mitgliedschaft in politischen Parteien, darüber hinaus die
Teilnahme an politischen Versammlungen.
Das jedoch ließen sich zumindest einige Plettenberger Frauen nicht verbieten.
Erst das Reichsvereinsgesetz von April 1908 ermöglichte es den Frauen, sich
politisch zu betätigen und parteipolitisch zu organisieren. Somit näherte
man sich langsam der Forderung, die die SPD schon in ihrem Erfurter Programm
von 1891 formuliert hatte: die Forderung nach der rechtlichen Gleichstellung
der Frau."
Das Frauenwahlrecht wurde in Deutschland ab 1918 eingeführt. Bei der Kommunalwahl
im März 1919 zog mit Elise Lüsebrink erstmals eine Frau in das Plettenberger
Stadtparlament ein. Die gelernte Hebamme und Sozialdemokratin blieb bis 1924
im Stadtrat. Nach Elise Lüsebrink dauerte es über 20 Jahre, bis 1946 wieder
als einzige Frau die Sozialdemokratin Emilie Kurth für zwei Jahre bis 1948 im
Stadtrat vertreten war. In den folgenden fünf Legislaturperioden saßen
ausschließlich Männer im Stadtrat. Erst ab 1969 sind regelmäßig Frauen im
Plettenberger Rat vertreten.
Bis zu ihrem Lebensende lebte Elise Lüsebrink in ihrem Haus Am Kirchplatz 7
in Plettenberg zusammen mit ihren unverheirateten Töchtern Hedwig und Klärchen,
ihrem Sohn Willi und dem Pflegesohn Viktor Deville, von denen sie liebevoll
umsorgt wurde.
Im Zuge der Straßenneubenennungen für das Neubaugebiet "Eschen-Süd" wurde 1996
von der Plettenberger Stadtverwaltung vorgeschlagen, die Straßen nach Plettenberger
Persönlichkeiten aus dem Bereich der Kommunalpolitik zu benennen. Neben Carl
Schirmer (Pastor), Rudolph Köhler (langj. Bürgermeister), Heinrich Posthausen
(langj. Bürgermeister), Carl Reinländer (Fabrikant), Albrecht von Banchet
und Jakob Kurth war auch Elise Lüsebrink unter den vorgeschlagenen Personen. Zur
Begründung wurde aufgeführt:
"Elise Lüsebrink war eine der wenigen Plettenberger Frauen, die 1919 erstmals für
einen Sitz im Stadtparlament kandidierte und bei den ersten demokratischen
Wahlen auch einen Sitz errang. Sie war somit die erste Frau im Plettenberger
Stadtparlament. Lüsebrink war in Plettenberg Jahre als Hebamme tätig und engagierte
sich vermutlich im Bereich der Sozialpolitik."
Als Quelle dienten überwiegend Gespräche mit Ursula Ohrtmann aus Berlin, der
Enkelin von Elise Lüsebrink. |