Quelle: ST vom 10.10.2015


Quelle: WR Plettenberg vom 28.11.2002

Dr. Krautheim empfahl beim Abschied: "Mensch bleiben"

Plettenberg. (mau) Unterschiedliche Charaktere und Temperamente, das unterschiedliche Alter, durchaus unterschiedliche Schwerpunkte in der Arbeit - die "Ära Doldi" wird sich künftig nicht ohne weiteres mit der "Ära Krautheim" vergleichen lassen.

Dr. Stephan A. Doldi, der am Mittwoch in einer Feierstunde am Ev. Krankenhaus Plettenberg (die WR berichtete) nun auch offiziell die Nachfolge von Dr. Jürgen Krautheim als Chefarzt der Inneren Abteilung antrat, wies in seiner Rede schon auf einen gravierenden Unterschied zu seinem verdienten Vorgänger hin, der über 29 Jahre als Chefarzt an der Plettenberger Klinik wirkte: "Ich werde es hier selbst bei guter Führung höchstens auf 24 Jahre bis zum Ausscheiden bringen." Worauf Verwaltungsdirektor Heinrich Waltenberg den 41-jährigen "Neuen" vor über 100 amüsierten Gästen prompt korrigierte: "Machen Sie sich keine Hoffnungen! Bis Sie in die Nähe des Rentenalters kommen, müssen Sie sicher bis 70 arbeiten."

In einem zum Krautheim-Abschied von freundlichen Tönen bestimmten Festakt wurden kritische Töne zum größer werdenden Graben zwischen heilkundlichen Belangen und betriebswirtschaftlichen Interessen im Gesundheitswesen nur unterschwellig laut. Dr. Krautheim selbst wies in seinen Dankesworten an frühere und aktuelle berufliche Wegbegleiter zumindest auf das "immer dominierendere Primat der Ökonomie" hin: "So muss es erlaubt sein, dass Ärzte ihre Stimme erheben, wenn sie Einschränkungen für ihr freies Wirken im Dienst am Patienten sehen." Und wenn andere Laudatoren große Dichter und Denker zitierten, erinnerte er in diesem Zusammenhang an die zwei Worte des Ruhrpott-Philosophen Jürgen von Manger: "Mensch bleiben."

Sicher auch ein versteckter Ratschlag an seinen Nachfolger Dr. Doldi, der sich nach Aussage des stellvertretenden Krankenhaus-Aufsichtsratsvorsitzenden Horst Schulte in dem Gremium mit einem 100-prozentigen Stimmanteil gegenüber Mitbewerbern um die Chefarztstelle durchgesetzt habe. "Ein Ergebnis, von dem Politiker nur träumen."

Mit seiner starken Persönlichkeit, seiner ausgezeichneten Qualifikation als Arzt und nicht zuletzt wegen seiner betriebswirtschaftlichen Zusatzausbildung traut der Aufsichtsrat gerade Dr. Doldi zu, "die Herausforderungen der Zukunft, die Gräben zwischen Soll und Haben, Wollen und Dürfen zu meistern", so Schulte aus tiefer Überzeugung.

Ob Aufsichtsratsvorsitzender Udo Balshüsemann, Bürgermeister Walter Stahlschmidt, Pfarrer Rainer Schulz für die Ev. Kirchengemeinde Plettenberg, Dr. Wolfgang Ermes als Sprecher der niedergelassenen Ärzte oder Peter Felsberg für die Krankenkassen - sie alle hoben noch einmal die großen fachlichen und menschlichen Qualitäten des Dr. Jürgen Krautheim hervor.

Sehr persönliche Worte fand Dr. Harald Heisler, als Chef der Chirurgie seit 20 Jahren enger Kollege Krautheims am Krankenhaus. Zwischen den beiden Chefärzten, die auch privat zu Freunden wurden, stimmte die Chemie vom ersten Tag an. Und auch das mag den inzwischen sehr guten Ruf mitbegründet haben, den sich die Plettenberger Klinik als "Haus der gehobenen medizinischen Grundversorgung" unter ihrer ärztlichen Leitung erworben hat. Von seinem neuen Kollegen Doldi verspricht sich Heisler neue Impulse besonders auf dem Gebiet der Kardiologie. Der Familie Doldi, die sich in Plettenberg niederlassen will, empfahl er die Vier-Täler-Stadt als "Städtchen, das man nach und nach lieben lernen kann". Und dann wurde in der Krankenhaus-Cafeteria gefeiert. Die Schranke im Parkhaus jedenfalls blieb bis in die Morgenstunden für die Gäste geöffnet.


Quelle: WR Plettenberg vom 27.11.2002

Herzlicher Abschied von Dr. med. Krautheim

Plettenberg. (mau) Weit über 100 geladene Gäste erlebten gestern in der Kapelle des Ev. Krankenhauses Plettenberg den Stabwechsel in der Leitung der Inneren Abteilung. In herzlicher Atmosphäre wurde Dr. Jürgen Krautheim nach über 29 Jahren als Chefarzt an der Plettenberger Klinik offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Gleichermaßen hießen die zahlreichen Laudatoren dessen Nachfolger Dr. Stephan A. Doldi willkommen. Der 41-Jährige Internist und Spezialist für Herzerkrankungen, der zuletzt als Oberarzt am Großklinikum Krefeld tätig war, ist bereits seit rund einem Monat an seiner neuen Wirkungsstätte im Amt.

Ihm wünschten alle, den Spagat zwischen zunehmendem Kostendruck und wachsender Bürokratie im Gesundheitswesen auf der einen und der Verpflichtung gegenüber den Patienten auf der anderen Seite in ähnlicher Weise zu meistern wie sein Vorgänger Dr. Krautheim, der gegenüber allen betriebswirtschaftlichen Interessen als Arzt aus Leidenschaft immer das Wohl des Menschen in den Vordergrund gestellt habe (die WR berichtet noch).


Quelle: WR Plettenberg vom 18.10.2002

Dr. Krautheim - Ein Mediziner aus Leidenschaft

Von Bernd Maus
Plettenberg. Zum 1. November geht Dr. Jürgen Krautheim als Chefarzt der Inneren Abteilung des Evangelischen Krankenhauses Plettenberg in Pension. Nach 29 Jahren und knapp vier Monaten beruflichen Wirkens in der Klinik der Vier-Täler-Stadt zog der 65-jährige Internist im Gespräch mit der WR Bilanz.

Und er blickt "zufrieden" auf die Entwicklung des Krankenhauses in den vergangenen drei Jahrzehnten zurück. Typisch! Helfen nie aus Selbstzweck. In aller Bescheidenheit seinen Beitrag leisten. Nicht nur diese Merkmale schätzen Patienten und Kollegen an einem stets mit großem persönlichen Engagement als Vorbild auftretenden Mediziner aus Leidenschaft wie Dr. Krautheim.

Schon am 15. Juli 1973, als er seinen Vertrag als Chefarzt in Plettenberg unterzeichnet, ahnt der junge Arzt: "Es kann nur besser werden." Auf allen Stationen des Hauses herrscht Mangel. Um den Ruf der Einrichtung ist es nicht zum Besten bestellt.

Doch mit wachem Blick für Details, Gespür für technische Entwicklungen in der Medizin, Phantasie und Improvisationstalent, Geduld und Kompromissfähigkeit, dazu einem gesunden Mix aus kurzem und langem Zügel in der Führung der Mitarbeiter - mit all diesen ihn auszeichnenden Eigenschaften nahm der gebürtige Vogtländer entscheidenden Anteil an der Umstrukturierung des Ev. Krankenhauses alter Prägung zu einem modern ausgelegten medizinischen Grundversorger.

Der neue Chefarzt und Krautheim-Nachfolger Dr. Stephan A. Doldi (41, Krefeld) zeigte sich schon bei einer ersten Stippvisite an seiner künftigen Wirkungsstätte beeindruckt von den technischen Voraussetzungen auf aktuellstem Stand, die optimale Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. "Das Beste erreichen wollen, um das Gute zu erzielen", lautete immer der Leitspruch Dr. Krautheims. Was er erreicht hat und auf welche Art und Weise, verdient gleichermaßen höchsten Respekt.
(Fortsetzung 3. Lokalseite)


Quelle: WR Plettenberg vom 18.10.2002

1973: "Die suchen gerade einen Chef - hast Du keine Lust?"

(Fortsetzung von Seite 1)
Plettenberg. Geboren in Oelsnitz, einem Ort zwischen Plauen und Klingenthal, kam Jürgen Krautheim als Zwölfjähriger in ein Internat bei Naumburg.

Nach dem Abitur am humanistisch ausgerichteten Thomas-Gymnasium in Leipzig nahm er 1956 sein Medizinstudium in Erlangen auf. 1963 promovierte er. Es folgte für den jungen Mediziner ein Lehrjahr, das ihn stark prägen sollte. In einem Provinzkrankenhaus im bayerischen Treuchtlingen genoss er eine berufliche "Schule", wie sie umfangreicher und intensiver nicht hätte sein können. "Ob Chirurgie, Kurznarkosen, Entbindungen - in unserem kleinen Ärzteteam musste einfach jeder alles machen. Da wird man Praktiker. Und das holt einen schnell runter von Hirngespinsten", ist Krautheim noch heute dankbar dafür, nicht so früh in ein medizinisches Fachgebiet gedrängt worden zu sein.

Nach Zwischenstationen von 1964 bis 1966 in der Inneren Abteilung der Uni-Klinik Erlangen und bis 1967 als Stabsarzt bei der Bundeswehr wechselte Dr. Krautheim an die Uni-Klinik Lübeck. Jetzt ausgebildet zum Internisten und Gastro-Enterologen, war er dort bis 1973 als Oberarzt tätig, ehe er dem Ruf nach Plettenberg folgte.

Dabei kam es zu diesem für ihn im Rückblick so einschneidenden Schritt eher aus Zufall: "Ein Kollege aus Lübeck, der in Plettenberg gerade eine Krankenhaus-Vertretung machte, rief mich abends an und sagte: Die suchen gerade einen Chef - hast Du keine Lust?"

Dr. Gallenkamp war ausgeschieden, ein Nachfolger hatte nur ein kurzes Gastspiel gegeben. So reiste ein neugierig gewordener Dr. Krautheim erstmals in seinem Leben nach Plettenberg - "eine Stadt, die ich, zugegeben, bis dahin nicht registriert hatte". Innerhalb von acht Wochen waren Arbeitsplatz- und Wohnortwechsel vollzogen, auch Gattin Ingeborg fand schnell Gefallen am Sauerland.

Mangel, schlechter Ruf, siehe oben: Es konnte nur besser werden. Die Situation erinnerte Dr. Krautheim an sein "Lehrjahr" 63/64 in Bayern. "Zusammen mit einem Assistenzarzt und einem jungen Kollegen haben wir praktisch zwölf Monate durchgearbeitet; kein Urlaub."

Immerhin: die Industrie boomte, es herrschte Vollbeschäftigung. Verwaltungschef Günter Bank heuerte jugoslawisches, philippinisches und koreanisches Fachpersonal an. Dass im Ev. Krankenhaus ab 1974 ein spürbarer Aufschwung einsetzte, lag auch an einer Änderung der Rahmenbedingungen für Kliniken durch den Gesetzgeber. Der hatte 1972 das duale Prinzip eingeführt. Danach kamen die Krankenkassen für die Betriebskosten an Krankenhäusern auf und die Länder für alle Investitionen. "Durch diese neuen Möglichkeiten der Förderung konnten wir uns daran machen, Intensivstation, Endoskopie, Röntgenabteilung und Labor auszubauen", ist Krautheim durchaus bewusst, seine Chefarztstelle in einer für die Entwicklung der Einrichtung günstigen Zeit angetreten zu haben. Alle Entscheidungen seien, betont Krautheim, stets im fruchtbaren Dialog mit Kollegen und Verwaltungschefs wie anfangs Bank, später mit Heinrich Waltenberg zum Wohle des Evangelischen Krankenhauses getroffen worden. So begann noch in den 70er Jahren der Ausbau der Endoskopie sowie eines "Provisoriums Intensivmedizin mit stolzen vier Betten".

In den 80er Jahren wurde in den Nasszellen-Ausbau investiert. 1990 folgte die Erweiterung des Westflügels mit Intensivstation, die damit eigenständige Abteilung zum Nutzen von Anästhesie, Chirurgie und Internistischer Abteilung wurde, sowie Cafeteria. Kurze Zeit später wurde die neue Röntgenabteilung eingeweiht, ausgestattet mit Computer-Tomograph (CT). Keine "Hirngespinste", alles durchdachte Investitionen mit Augenmaß, um die medizinische Grundversorgung in einer Stadt wie Plettenberg auf Dauer zu gewährleisten.

In knapp 30 Jahren hat Chefarzt Dr. Krautheim im Krankenhaus nicht nur Patienten, sondern auch manchen Kollegen kommen und gehen sehen. Acht Oberärzte waren unter seiner Ägide tätig. Einer blieb nur drei Monate, andere sieben Jahre, womit sie deutlich über dem für Ärzte ermittelten Schnitt einer vierjährigen Beschäftigungszeit in einem Hause lagen.

Wenn Krautheim geht, erlischt damit keineswegs sein medizinisches Interesse. "Die Medizin war für mich über den Beruf hinaus auch immer Hobby", sagt er. Zwei seiner drei Söhne sind in die beruflichen Fußstapfen ihres Vaters getreten, einer davon noch als Kollege seines "Herrn Papa" im Plettenberger Krankenhaus. Ihre Entwicklung wird er genauso aufmerksam verfolgen wie die Entwicklung der Medizin im Allgemeinen.

"Aber ich gehe nicht in die Politik", versichert er schmunzelnd, keine Ambitionen zu verspüren, seine Erfahrung aus der Praxis an den Schaltstellen der Macht für Reformen im Gesundheitswesen einzubringen. Auch wenn es ihn fuchst, dass die Länder angesichts leerer Kasse darauf drängen, sich aus ihrer Finanzierungspflicht zu stehlen und damit das bewährte duale System auszuhebeln.

Nein, jetzt fordert seine Frau Ingeborg endlich mehr Zeit von ihm ein. Zudem sein erster Enkel, der mit der Familie der Tochter in Bayern lebt. Haus und Garten will sich der ausgesprochen vitale Pensionär widmen, der Literatur, seiner Vorliebe für alte Sprachen. Auch Reisen möchte er unternehmen - häufiger, als es ihm die bislang harte berufliche Anspannung erlaubte. Und bei Freunden stehe er im Wort, "künftig die eine oder andere ehrenamtliche Aufgabe zu übernehmen".

Im Krankenhaus werden viele das Wissen, das Können und die sympathisch menschliche Art und soziale Einstellung des "Chefs" vermissen. Beim Streben, das Beste zu erreichen, hat Dr. Jürgen Krautheim in der Tat Hervorragendes erzielt, ohne dabei jemals den Boden unter den Füßen und den Blick für das Machbare verloren zu haben.


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