Quelle: Plettenberger Stadtgespräch vom 06.08.2015
Die Züge nach Auschwitz fielen unter sein Kommando
Plettenberg. (HH) Der Name Joachim von Galléra wird nur noch wenigen
Plettenbergern etwas sagen. Er war von 1952 an Direktor der Plettenberger
Kleinbahn AG. Dass er in der NS-Zeit als linientreues NSDAP-Mitglied Karriere
bis in höchste Funktionen des NS-Apparats machte, war bis vor wenigen Tagen
hier nicht bekannt: Als Beauftragter der Reichsbahn Deutsche Ostgebiete fielen
bis 1945 auch die Züge nach Auschwitz unter sein Kommando. Bekannt wurde das
durch eine Veröffentlichung des Journalisten Christoph von Galléra, Herausgeber
des Mittelhessenblog
im Internet. Der war in seine eigene Familiengeschichte abgetaucht und stellte
über Baron Joachim von Galléra u. a. fest: "Seine neue Karriere begann 1952 in
Plettenberg als Direktor der Plettenberger Kleinbahn.
Das Stadtgespräch hatte vor einiger Zeit über Dr. Alfred Fernholz berichtet,
dem die Durchführung der Kindereuthanasie in Sachsen vorgeworfen wurde und der
nach dem Krieg ebenfalls "unerkannt" in Plettenberg tätig war. Mit Joachim
von Galléra wird eine weitere Karriere von Nazis nach dem Kriege in Plettenberg
öffentlich. Christoph von Galléra hat unter der Überschrift "Kurzgucker: Auschwitz
ist auch in Mittelhessen — das Auschwitz-Feigenblatt" über seinen Nazi-Verwandten
geschrieben, "in der Hoffnung, das andere den Mut haben, gleiches zu tun und sich
immer noch vorhandenen finsteren Kapiteln der eigenen, sehr regionalen Geschichte
stellen. Und das konkret und nicht rein akademisch."
Christoph von Galléra: "Anders als sein Bruder Dr. Karl Siegmar Baron v. Galléra
hatte Joachim v. Galléra als Eisenbahner und linientreues NSDAP-Mitglied
Karriere bis in höchste Funktionen des NS-Apparats gemacht. Als
Reichsbeauftragter fielen auch die Züge nach Auschwitz unter
sein Kommando. Seine neue Karriere begann 1952 in Plettenberg.
Er wurde nie zur Rechenschaft gezogen."
Mit welchem Lebenslauf hat sich Joachim von Galléra 1952 eigentlich in Plettenberg
beworben? Dazu heißt es im Süderländer Tageblatt vom 05.02.1952 u. a.: Direktor
Albert Müller tritt nach 25 Jahren in den Ruhestand. Der neue Direktor Joachim
von Galléra, geboren 1902 zu Halle an der Saale, studierte ebendort
Volkswirtschaft, war doch sein Vater in dieser Fakultät Dozent der Hallensischen
Hochschule. Nach seinem Staatsexamen trat der junge Volkswirt in den großen
Eisenbahnkonzern Lenz & Co. ein. In den Jahren 1933 bis 1935 war Joachim von
Galléra in der Hauptverwaltung dieses ausgedehnten Konzerns tätig. Dann erhielt
er eine ehrenvolle Berufung als Referent in den Reichsverband deutscher
Verkehrsverwaltungen in Berlin. Im Anschluss an diese Tätigkeit wurde dem nun
bereits versierten Verkehrsmann 1943 die Oberste Betriebsleitung des Zweckverbandes
der Kreisbahnen im Wartheland. Dort ereilte ihn auch das Schicksal des
Zusammenbruchs der deutschen Front im Osten. Mit vielen tausend anderen kam er
als Flüchtling hier in den Westen." Nach einigen Jahren bei der Tecklenburger
Nordbahn bewarb er sich bei der Plettenberger Kleinbahn AG. "Er wurde unter
vielen Bewerbern als der geeignete ausgewählt", heißt es im ST.
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