Quelle: Westfalenpost Plettenberg vom 23.01.1962

Seit 50 Jahren unfallfrei
Erinnerungen an die gute alte Autofahrerzeit - Gleitschutzreifen mit Eisennieten

Von Siegfried Richter

Plettenberg. "Wenn mir vor dem ersten Weltkrieg ein Reifen platzte, dann knallte es anders als heute", erinnert sich der 68-jährige Fahrlehrer Fritz Fröhlich aus Plettenberg an die gute alte Autofahrerzeit. Schuld an dem großen Knall beim "Platten von Anno dazumal" waren die Hochdruckreifen. Sie mussten mit der Hand aufgepumpt werden, bis sie knapp fünf Atmosphären Druck hatten.
Das ist eine der vielen Besonderheiten, die dem Autofahrer von heute fast wie Märchen vorkommen. Fritz Fröhlich indessen hat sie erlebt. Er sitzt seit 50 Jahren am Steuer und wurde kürzlich mit dem "Goldenen Lorbeer mit Eichenkranz" ausgezeichnet, weil er das halbe Jahrhundert unfallfrei durchgestanden hat.

Nimmt man's genau, fährt er sogar schon 51 Jahre. Das erste Jahr als 17-jähriger Autoschlosserlehrling in Berlin-Karlshorst ohne Führerschein. Das ist bei heutigen Verkehrsverhältnissen fast undenkbar. Es war auch 1910 nicht erlaubt. Aber der Verkehr war selbst in Berlin noch so dünn, dass Verstöße gegen den Führerscheinzwang mit milden Ordnungsstrafen von 3 Mark geahndet wurden.

"Fröhlich, Fröhlich, einmal schnappen wir dich doch", pflegte der zuständige Polizeileutnant beim Berliner Polizeipräsidium zu unken, wenn "Fritze" ohne Führerschein einen neuen Wagen aus der Werkstatt seines Chefs zur polizeilichen Anmeldung vorführte und zu diesem Zweck quer durch Berlin steuerte. "Die 3 Mark, die es manchmal gekostet hat, bezahlte mein Chef", schmunzelt Fritz Fröhlich 51 Jahre später.

Keine Verkehrszeichen
Ende 1911 machte er seinen Führerschein. Verkehrszeichen gab es fast gar keine, dagegen mussten die Prüflinge den Motor in- und auswändig kennen. Auch Reifenwechsel wurden demonstriert. 1913 kam Fritz Fröhlich nach Plettenberg. Als Chauffeur. Sein Chef fabrizierte Stimmnägel für Klaviere.

Die Autos, die damals in der kleinen Sauerlandstadt fuhren, kann der derste Plettenberger, der seit 50 Jahren unfallfrei fährt, fast an den Fingern abzählen. Ein paar Fabrikanten und ein paar Ärzte hatten Wagen. Den Sprit gab es in der Drogerie und in der Apotheke in Zehn-Liter- Kanistern, und war mal was entzwei, so half ein Schmied, der "so ein bisschen an Autos laborierte".

Beleuchtet waren die Vehikel mit Karbidlampen. Der Karbidbehälter stand auf dem Trittbrett und fror bei Kälte regelmäßig ein. "Wer einen ernsthaften Schaden hatte, ließ seinen Wagen von Plettenberg nach Siegen oder Hagen abschleppen oder gab ihn bei der Bahn als Frachtgut auf", erzählt Fritz Fröhlich.

Trotz Geschwindigkeiten bis zu 80 km in der Stunde hat es damals kaum Unfälle gegeben. "Nur die Pferde scheuten immer wieder. Sie hatten sich noch nicht an die Autos gewöhnt", kommentiert der Plettenberger Fahrlehrer.
Unangenehme Erinnerungen hat er an die Staubstraßen. Der Sportanzug mit den Ledergamaschen, den die Chauffeure trugen, musste laufend ausgeklopft werden. Wer - was immerhin schon vorkam - einen anderen Wagen vor sich hatte, für den gab es nur eins: Überholen - sonst wurde man böse eingenebelt.

Auch Vorschriften gab es damals schon. So erinnert sich Fritz Fröhlich daran, dass jedes Vehikel hinten wenigstens einen sogenannten Gleitschutzreifen haben musste. Das war ein Reifen, in dessen Lauffläche Eisennieten eingelassen waren. "Sie bewirkten bei Nässe und Glätte das Gegenteil von dem, was sie sollten. Aber es war halt Vorschrift, und nach dem ersten Weltkrieg kamen dann die Gummiprofile auf.

Ein "Polymobil"
Glatt überfragt ist Fritz Fröhlich, wenn er angeben soll, wie viele Wagen er in den 50 Jahren gefahren hat. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass er schon seit 27 Jahren Fahrlehrer ist. Immerhin weiß er sich noch an ein Fahrzeug zu erinnern, das statt des Steuerrades eine Art Steuerknüppel hatte. Es hieß "Polymobil" und wurde von den Polyphon-Werken bei Leipzig gebaut, deren Hauptproduktion Musikautomaten waren. Sein Motor hatte ein Schwungrad, das - der Größe nach - fast an jeden Heuwagen gepasst hätte.

Übrigens: Der Plettenberger Autopionier hätte neben der hohen Auszeichnung für das unfallfreie Fahren noch eine zweite Ehrung verdient. Die Schmalfilm- Clubs, die in den letzten Jahren vielerorts aus dem Boden geschossen sind, sollten ihn zu ihrem Ehrenmitglied machen. Denn wenn er nicht gerade Fahrstunden gibt, dreht er als begeisterter Amateur Filme. Und das seit mehr als 30 Jahren.


Quelle: ST vom 31.10.1952

25 Jahre Fahrschule Fritz Fröhlich
Tausende von Fahrschülern wurden ausgebildet

Plettenberg. In diesen Tagen konnte die Fahrschule Fritz Fröhlich (Opel-Dienst) auf ihr 25-jähriges Bestehen zurückblicken. Im Jahre 1927 wurde in Plettenberg-Stadt die erste konzessionierte Fahrschule von Herrn Fritz Fröhlich errichtet und seit dieser Zeit haben mehrere tausend Fahrschüler ihre Zulassung zur Führung eines Kraftfahrzeugs erhalten, nachdem sie nach durchschnittlich zehnstündigem theoretischen Unterricht und Zurücklegung von etwa 150 km Lehrfahrten ihre Prüfung bestanden haben.

Herr Fröhlich selbst hat bereits im Jahre 1911 in Berlin das Fahren gelernt. Es war die jetzt völlig unbekannte Automarke "Windhoff", mit der der junge Fröhlich damals durch Berlin kreuzte. Wer weiß noch, wie diese Vehikel damals ausgesehen haben? Die Ganghebel waren außenbords und die Räder vollgummibereift. Im Oktober 1927 stellte sich der Jubilar als Fahrlehrer der Dampfkessel-Überwachungskommission in Hagen vor, um sein Fahrlehrer-Examen zu machen. Er bestand die Prüfung glänzend.

Es mag nicht immer ein reines Vergnügen sein, Fahrschüler neben sich sitzen zu haben, um ihnen die Geheimnisse des Autos und ein sicheres Fahren beizubringen.
Gar manches heitere Erlebnis weiß der Fahrlehrer von seinen Fahrschülern zu berichten, bis sie mit der Materie vertraut waren und die Verkehrsvorschriften, die im Laufe der fortschreitenden Motorisierung bereits dreimal geändert und verschärft wurden, begriffen hatten. Herr Fröhlich, der seit 40 Jahren im Beruf steht und demnächst für unfallfreies Fahren ausgezeichnet wird, darf für sich in Anspruch nehmen, ein gewissenhafter, verantwortungsbewußter Fahrlehrer zu sein, dem zu seinem Jubiläum zahlreiche Glückwünsche übermittelt wurden. Den vielen Gratulanten schließt sich das S. T. in herzlicher Weise an.

HINTERGRUND
1908-1914 Ernst Windhoff Motoren- und Fahrzeugfabrik, Rheine

Der Markenname Windhoff war in der Kraftfahrzeugbranche mehrfach vertreten. Ernst Windhoff Motoren- und Fahrzeugfabrik in Rheine, der ab 1904 Motoren und Kühler herstellte und Hans Windhoff, der 1907 ein Konkurrenzunternehmen in Berlin aufbaute und ab 1924 Windhoff-Motorräder herausbrachte. Die hier gemeinten Windhoff-Automobile wurden von 1908 bis 1914 in einem Tochterunternehmen der Ernst Windhoff Motor- und Fahrzeugfabrik in Rheine gebaut. Die starken Vier- und Sechszylinder ließen sich aufgrund der geografisch günstigen Lage an der holländischen Grenze gut in die Niederlande verkaufen. Nach Ende des 1. Weltkrieges wurde die Automobilproduktion allerdings nicht mehr aufgenommen.


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