WR vom 12.12.200 Spuren des Alltags in Worte gefasst 40 Interessierte lauschten im Nachtcafe´ den Kurzgeschichten des jungen Plettenberger Autors
Plettenberg. (nin) "Beratung, Verkauf, Geschlossen", "Bahnhofsmusik", "Der Freudentag vor dem Hochzeitstag" und "Grablichtersturm" - vier vielversprechende Kurzgeschichten, die die Besucher des Nachtcafes im Dietrich-Bonhoeffer-Haus am Freitagabend hörten.
Provozierend und nachdenklich machend blieben die Kurzgeschichten des jungen Plettenberger Autors Martin Peter Becker in den Köpfen der Zuhörer hängen. Mit großem Erfolg gab der 19-Jährige bei seiner ersten öffentlichen Lesung einen Überblick über seine ersten Werke. Rund 40 Interessierte - viel mehr, als Becker im Vorfeld erwartet hatte - lauschten dem Schüler der Stufe 13 am Albert-Schweitzer-Gymnasium, der im kommenden Jahr sein Abitur machen möchte.
Eine alte verwirrte Frau, ein Mann, der sich umbringen will, eine junge Braut kurz vor ihrem großen Tag und ein Paar, das sich vornehmlich am Friedhof trifft. Die vier Geschichten zeigten die Schicksale von Menschen auf, die sich in ihrer Welt nicht mehr zurecht finden oder unwohl fühlen.
In der ersten Geschichte des Abends, "Beratung, Verkauf, Geschlossen", kommt ein alter Mann in eine Apotheke, er möchte sich umbringen. Erfreut über den Einbruch in die tägliche Routine braut die Apothekerin ein Mittelchen. "Auf Wiedersehen!", verabschiedet sie sich von dem Mann. Eine alte Malerin ist die Hauptfigur in "Bahnhofsmusik". Sie möchte ihren Mann vom Bahnhof abholen. Auf dem Weg dorthin erlebt sie einige Stationen ihres Lebens noch einmal. Im Bahnhof angekommen, wird sie von der Polizei festgenommen und nach Hause gebracht. Am nächsten Tag liest sie eine Anzeige in der Zeitung: "Frau verhinderte Sprengung des alten Bahnhofs, der schon 20 Jahre nicht mehr benutzt wird."
Am Abend vor ihrem Hochzeitstag beschäftigt sich eine junge Frau mit ihrem Hochzeitskleid, das sie "Schatz" nennt. Als die Glocken um Mitternacht schlagen geht sie ins Bett, stellt sich schlafend. Dann kommt ihr zukünftiger Ehemann nach Hause. Er schlägt sie öfters. "Freudentag vorbei, jetzt ist Hochzeitstag", lautet der letzte Satz der Geschichte.
Die vierte und wohl abstrakteste Geschichte des Abends handelte von einem Paar, das sich auf dem Friedhof kennenlernt. Nach einigem Hin und Her ist dies auch der Ort, an dem sie sich wieder trennen. Um das "Wissen" bzw. das "Nicht-Wissen" um eine bestimmte Sache drehte sich ihr Leben.
Mit dem Titel "Spuren" hatte Becker den Abend überschrieben. Spuren, Beobachtungen und Ereignisse aus dem Alltag veranlassten ihn, seine Gedanken und Überlegungen in Worte zu fassen; alle Figuren, die in seinen Geschichten vorkommen, existieren wirklich. Soziale Randgruppen aber auch alltägliche Geschehnisse nimmt Becker zum Anlass. Was zunächst als eine Art Tagebuch angefangen hat, verfeinerte der künftige Abiturient nach und nach. Experimente mit Wort und Sprache, das Verfassen verschlüsselter Texte - bald entstanden daraus ganze Kurzgeschichten. Zunächst hielt er sich dabei an sein Vorbild, den großen Autor Franz Kafka. Dann entwickelte Becker aber schnell seinen ganz eigenen Stil.
Mit diesem ersten Schritt an die Öffentlichkeit - einige private Lesungen mit Freunden und Bekannten waren vorausgegangen - erhoffte sich Becker nun eine erste objektive Resonanz. Nächste Projekte des jungen Autors sind die Fertigstellung einer längeren Erzählung und eines Theaterstücks, das er Anfang des kommenden Jahres auch aufführen möchte.
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