Hamburger Abendblatt vom 24. Juli 2000
Lambsdorff greift katholische Kirche an
Sie soll in den Zwangsarbeiter-Fonds einzahlen und sich nicht "immer herausreden"

Berlin - Der Druck auf die katholische Kirche zur Beteiligung an den Entschädigungszahlungen für frühere NS-Zwangsarbeiter wird immer stärker. Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Zwangsarbeiter-Entschädigung, Otto Graf Lambsdorff, sagte, die katholische Kirche müsse dem Beispiel der evangelischen Kirche folgen und ebenfalls Geld in den Entschädigungsfonds einzahlen.
   Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte: "Wer in der Nazizeit Zwangsarbeiter beschäftigt hat, der muss heutzutage ohne Wenn und Aber in den Fonds einzahlen."
   Lambsdorff kritisierte: "Im Gegensatz zur evangelischen hat sich die katholische Kirche immer damit herausgeredet, sie müsse erst einmal prüfen, wo sie Zwangsarbeiter beschäftigt hat. Anfänglich sagte sie, es habe überhaupt keine gegeben." Dabei hätte man keine diakonische oder karitative Einrichtung in den letzten Kriegsjahren ohne Zwangsarbeiter betreiben können, "denn das übrige verfügbare Personal war bei der Wehrmacht". Das wisse inzwischen die katholische Kirche. Sie sei "leider immer noch nicht zu der Erkenntnis gekommen, dass es eine Gesamtverantwortung in Deutschland gibt, der sich auch die Katholische Kirche in Deutschland stellen sollte - unabhängig von der Frage, ob und wie viele Zwangsarbeiter beschäftigt wurden".
   Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ute Vogt (SPD), sagte, als Katholikin erwarte sie von ihrer Kirche, "dass sie ihren Beitrag zum Entschädigungsfonds leistet. Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler nannte es "anerkennenswert", dass sich die evangelische Kirche bereit erklärt habe, zehn Millionen Mark in den Fonds von Bundesregierung und Wirtschaft zu geben. Bei der katholischen Kirche sehe er "eindeutig Nachholbedarf".Ungeachtet des Abschlusses der Verhandlungen um die Zwangsarbeiter-Entschädigung kündigen laut "Spiegel" einige Opfer bereits neue Ansprüche an. Die Nachfahren der deutsch-jüdischen Familie Loewendahl hätten in den USA Klage gegen die Deutsche und die Dresdner Bank eingereicht, die sich der Anklage zufolge "an der Plünderung der Vermögen der Vorfahren" im Zuge der Arisierung beteiligt hatten. Die Dokumente zur Zwangsarbeiter-Entschädigung sehen hingegen vor, dass alle anhängigen Verfahren zurückgezogen werden. Damit wäre genau die Rechtssicherheit in Gefahr, die die deutschen Unternehmen und Banken als Preis für ihre Zahlungswilligkeit verlangt hatten.   (ddp)