Thüringer Allgemeine vom 09.08.2001
Verhängnisvoller Wechselkurs
Von Gabriele LESSER

Die polnischen Opfer des Nationalsozialismus fühlen sich betrogen. Sie kritisieren, dass ihre Entschädigung zu einem Zeitpunkt umgetauscht wurde, als der Zlotykurs am höchsten stand. Über die Hintergründe des Streits die Warschauer TA-Korrespondentin.

Hat die deutsche Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" die polnischen Zwangsarbeiter um mehrere Millionen Mark betrogen? Haben die Banken, die das Geld getauscht haben, den Wechselkurs manipuliert? Haben die Deutschen die Polen also wieder einmal "wie Idioten" behandelt, wie Ludwik Krasucki, der stellvertretende Vorsitzende des polnischen Verbandes der jüdischen Kriegsveteranen und Opfer des Zweiten Weltkriegs, sich empörte. Die meisten Polen sind überzeugt, dass es genau so ist. Die Aufregung über den tatsächlich schlechten Umtauschkurs hat dazu geführt, dass Bartosz Jalowiecki, der Vorstandsvorsitzende der "Stiftung polnisch-deutsche Aussöhnung" der deutschen Stiftung mit einer Klage droht. Die Regierung in Warschau hat inzwischen einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der bis morgen klären soll, wer für das Millionen-Desaster verantwortlich ist.

Die Medien Polens folgen bisher der Argumentation Jalowieckis, der den Deutschen vorwirft, den Partnerschaftsvertrag gebrochen zu haben, da sie den Kurs, zu dem die Entschädigungssumme gewechselt werden sollte, nicht mit ihm abgesprochen hätten. Die Schlagzeilen heißen denn auch "Die Liste der Schuldigen" oder "Vertrauen, das ein Fehler war". Im Fernsehen und Radio gehört der "deutsche Betrug an den polnischen Nazi-Opfern" zu den Hauptnachrichten.

Michael Jansen, Vorstandsvorsitzender der deutschen Stiftung, wiederum meint, sich und seiner Stiftung nichts vorwerfen zu müssen, da er noch am 30. Mai mit Jalowiecki telefoniert und das ganze Prozedere des Umtauschs besprochen habe. Man habe deshalb die ganze Summe der ersten Rate - rund 1,35 Milliarden Mark - in einem Mal getauscht, um zu verhindern, dass den Opfern unterschiedliche Zlotysummen ausgezahlt würden. Grundlage für die Überweisung an die polnische Stiftung war dann der Mittelkurs der drei Handelstage, an denen das Geld getauscht worden war.

Das Problem: An jenen Tagen war der Zlotykurs so hoch wie nie zuvor und wie auch später nicht mehr. Der Verlust, der diese Transaktion den Opfern einbringt, wird von polnischer Seite auf bis zu 100 Millionen beziffert. Der Kursverlust hätte allerdings verhindert werden können, wenn die Summe nicht in einem Mal getauscht worden wäre oder wenn die polnische Stiftung die Auszahlung in Mark akzeptiert und auch in Mark an die Opfer weitergegeben hätte. Jalowiecki hatte aber mit dem Milliarden-Zloty-Betrag auf dem Konto der Stiftung Zinsen verdienen wollen, mit der er die Verwaltungskosten begleichen wollte. Daher hatte er darauf bestanden, dass die Deutschen das Geld tauschen.

Dass in der zu überweisenden Summe neben den Entschädigungen auch eine Summe für die Verwaltungskosten enthalten war, erwähnte Jalowiecki gegenüber der Presse nicht. Da das Geld erst nach dem 30. Mai, als der Bundestag die Rechtssicherheit für die deutschen Firmen feststellte, aber vor dem 15. Juni, dem Auszahlungsbeginn, umgetauscht werden musste, konnte sich der Devisenmarkt auf die enorme Nachfrage nach Zloty einstellen. Der Zlotykurs begann daher bereits im Winter zu steigen. Hinzu kam, dass auch ein Teil der polnischen Telekom an einen ausländischen Investor verkauft werden sollte, der den Kaufpreis ebenfalls in Zloty begleichen sollte.

Währungsspekulanten deckten sich rechtzeitig mit Zloty ein. Im Juni erreichte der Zlotykurs seinen Höhepunkt. Profitiert haben davon vor allem Währungsspekulanten, die sich auf die zu erwartenden Wechselkursschwankungen einstellten. Verloren haben wieder einmal die ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter, und auch die Deutschen haben verloren, denen nun Vertrauensbruch vorgeworfen wird.