Mitteldeutsche Zeitung vom 04.04.2001
Stiftung hofft auf Zahlungsbeginn bis Sommer
Sondersitzung des Kuratoriums

Berlin/dpa. Kastrup betonte ebenso wie der Sonderbeauftragte des Bundeskanzlers, Otto Graf Lambsdorff, dass mit den Zahlungen erst begonnen werden könne, wenn eine ausreichende Rechtssicherheit besteht. Nachdrücklich warnte Lambsdorff davor, das Stiftungsgesetz zu ändern, um eine vorzeitige Auszahlung zu erreichen. Das Gesetz stehe «nicht auf einsamer Wiese», sondern im Zusammenhang mit internationalen Abmachungen. «Das ist ein filigranes Gewebe, es darf nicht beschädigt werden», sagte Lambsdorff nach Angaben des Bundespresseamtes. «Alle Versuche, aus diesen Zwängen auszubrechen, werden meines Erachtens nicht weiter führen, bergen aber die Gefahr in sich, das ganze Unternehmen zu gefährden.»

Lambsdorff zeigte Verständnis für die Verbitterung vieler Opfer. «Am größten ist die Enttäuschung der ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter, von meiner eigenen will ich gar nicht reden», sagte der Unterhändler der Regierung.

In einer mit großer Mehrheit angenommenen Resolution zeigte sich das Kuratorium bewusst, dass die anhaltende Unsicherheit für die meist hochbetagten ehemaligen Zwangsarbeiter «eine schwere Belastung bedeutet». Das Kuratorium appellierte an die amerikanischen Gerichte, die Notlage der NS-Opfer zu berücksichtigen und die noch anhängigen Klagen zügig abzuweisen. Sollte nicht bald Rechtssicherheit erreicht werden, müsse möglicherweise auch über eine Änderung des Stiftungsgesetzes beraten werden, sagte der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck der dpa. «Es ist klar, dass wir bis zur Sommerpause eine Lösung brauchen.»

Als besonders wichtig hob Kastrup die Sammelklage gegen deutsche Banken hervor. Die New Yorker Bundesrichterin Shirley Kram hatte es zwei Mal abgelehnt, diese Klage abzuweisen. Dagegen hatten Opferanwälte und die deutsche Wirtschaft Berufung eingelegt. Nach Angaben Kastrups hat sich US-Anwalt Burt Neuborne im Kuratorium «vorsichtig optimistisch» geäußert, dass diese Klage bis Mai abgewiesen werden könnte. Das Berufungsgericht habe in einer ersten Entscheidung eine sehr kurze Frist für Stellungnahmen gesetzt.

Die Bankenklage entwickle sich immer mehr zum zentralen Punkt bei der Frage der Rechtssicherheit, hieß es aus Kreisen des Kuratoriums. Insgesamt sind in den USA noch 23 Klagen anhängig, davon betreffen 10 den Bankenfall bei Kram. Das Verfahren gegen IBM wegen ihrer deutschen Tochter Hollerith soll zurückgezogen werden. Damit wäre eine weitere wichtige Klage erledigt.

Die Wünsche nach einer sofortigen Auszahlung nannte Lambsdorff verständlich. Sie weckten aber falsche Hoffnungen. Der Bundestag könne sich nicht über das von ihm gesetzte Recht hinwegsetzen. Rechtlich umstritten ist auch, ob die von privaten Spendern gestifteten 18 Millionen Mark sofort an Härtefälle ausgezahlt werden können. Dazu will die Stiftung laut Kastrup ein Rechtsgutachten einholen.