Aus Kastanie läuteten plötzlich die Glocken Schmunzelerlebnisse eines Polizisten: Fritz Hammer erzählt aus seinem Schupoleben
DIE BEERDIGUNG Unser alter Wachhabender, es ist schon von ihm berichtet worden, war gestorben. Er war in einer Sekte, also in keiner der Kirchen. Hinzu kam, daß es noch keinen kommunalen Friedhof gab. Zunachst weigerten sich die Kirchen, ihn auf ihrem »Gottesacker« begraben zu lassen. Aber da er ja irgendwie beerdigt werden mußte, kam es dann doch zu einem Kompromiß. Er sollte sein Grab am Rande des Friedhofes finden, Ansprachen, Gesänge oder gar Predigten waren verboten. Alles schien klar, man hatte sich seitens der Kirchengemeinde auch angesagt und wollte überwachen, daß alle Auflagen eingehalten wurden, so streng waren damals die Sitten. Nun kam aher eine unerwartete weitere Schwierigkeit auf die Kollegen zu, die die Bestattung organisiert hatten. Die Witwe wollte gern, daß dle Glocken der Kirche lauten sollten. Das wurde strikt verweigert. Als dann jedoch der lange Trauerzug von der Wohnung, damals gab es noch keine Totenhallen auf den Friedhöfen, nach Eirighausen zog und die Reichsstraße üherquerte, begannen machtvoll die Glocken zu lauten. Der beobachtende Kirchenvorstand war schockiert und schaute entsetzt zum nahen Kirchturm; welcher Saboteur war da tätig geworden? Es war nicht so schlimm, wie sich bald herausstellte. An der Kreuzung stand damals eine riesige Kastanie. Als Polizei hat man viele bekannte Leute und darunter war auch ein stadtbekannter Radiohändler. Er war aus Berlin und somit war ihm nichts Menschliches fremd. Hilfesuchend hatten sich die Kollegen an ihn gewandt. Kurzentschlossen wurde in der Kastanie ein großer Lautsprecher aufgehängt. Ein Kabel zum nahen Geschäft war dann nur noch Formsache. Auf jeden Fall läuteten bei der Beerdigung machtvoll die Glocken des Kölner Doms über Eiringhausen. Die Witwe und alle anderen waren zufrieden. Auch der Kirchenvorstand schluckte es runter. Aber meines Wissens ist in Plettenberg niemand mehr in dieser ungewöhnlichen Form beerdigt worden.
PLETTENBERGER MILIEU In den fünfziger Jahren gab es noch viele schöne alte Kneipen. Wer kannte nicht "Otto Hoppe« oder »Lieschen (Tillchen) Bettermann« oder »Haape«, »Erna Reinecke« oder »Georg Kranich« usw. usw. Es waren allesamt gemütliche Kneipen, mit den Wirtsleuten war man einfach »per Du« und alle hatten etwas gemein, das war der Stammtisch. Dort verkehrten dann die Honoratioren der Stadt, und unvergessen ist »Piepken«, eine zeitlang Bürgermeister, was ihn aber nicht hinderte, schon morgens zur Post mit Pantoffeln im Unterhemd und den breiten Hosenträgern zu gehen. Am Maiplatz traf man sich sowieso und dann wurde eben besprochen und man traf Verabredungen für den Dämmerschoppen. All dieses wurde dann von »Zockel Neumann« beobachtet, der in der Wilhelmstraße ein Lebensmittelgeschäft hatte. Und dann war noch ein Lokal. Es lag unwahrscheinlich günstig. Wer in die Stadt wollte, ging zur Hintertür rein, trank sich ein Schäpschen, setzte dann seinen Weg fort. Bei der Rückkehr ging er durch den Haupteingang, trank sein Bierchen, und wenn er damit fertig war, verschwand er durch die Hintertür. Das Lokal, war groß, aber die Tische waren nur von Fremden besetzt die zufällig drin waren. Der Stamm der Plettenberger stand an der Theke und selbst wenn es in Dreierreihen war. Höchstens ging man noch zum Stammtisch nebenan. Da saßen dann gewichtig »Zahn Niggemann«, der Totengräber, »Löhr« und wie sie alle hießen. Sicher wissen die Kenner schon, welche Kneipe gemeint ist. Das "Amtsgericht«. Und der Wirt hieß »Otto«, der Nachname interessiert wohl nicht. Otto schwärmte immer noch von der vergangenen Zeit und er war selig, als er irgendwo aus dieser Zeit einen Radioapparat kaufen konnte. Böse Zungen behaupteten, es wäre ein »Naziradio« mit dem früher die Zuteilungen im Dorf bekanntgegeben wurden. Egal, wie dem auch sei. Der Apparat wurde eingebaut, hinten in der Ecke wurde ein Riesenlautsprecher installiert und dann kamen auch schon die ersten Töne. Otto war selig. Sein Schlagwort war immer ein abgrundtiefes »Oh Herr, oh Herr«. Der Apparat hatte nur einen Fehler, ihm fehlte das Gehäuse. Und immer wenn Otto sagte »Oh Herr, oh Herr« wußte man, jetzt hat er wieder einen Stromschlag abbekommen. Aber das focht ihn nicht an. Auf einer alten Apfelsinenklste sitzend lauschte er verzückt den Tönen. Wurde es ihm zu laut an der Theke, flüchtete er im Hintergrund unter besagtem Lautsprecher, stützte den Kopf in die Hand und lauschte. Man konnte dann schon, vom Maiplatz kommend, den Krach hören. Die Plettenberger tauschten an der Theke, nun nicht mehr leise, Ihre Erlebnisse aus, das Radio spielte auf höchster Lautstärke und darunter saß »Otto« und war . . . eingenickt. Bier zapfte man selbst und man war sicher, bis in den frühen Morgen noch sein Bier zu bekommen. Nur einmal war er so fest eingeschlafen, daß er überhaupt nicht bemerkte, daß die Gäste schon weg waren. Als er dann wach wurde, war er allein. Morgens, so gegen 6 Uhr, zuckelte die erste Kleinbahn vorbei. Der Lokführer rieb sich verwundert die Augen. Das Amtsgericht in vollem Lichterglanz und die Türen offen. Der Zug wurde angehalten, der Lokführer lief zum Schlafzimmer und sagte: »Otto, Deine Wirtschaft steht weit auf und keiner ist drin.« Die Antwort von Otto ist überliefert: "Oh Herr, oh Herr!« |