Quelle: "Westfalenland", Heimatbeilage zum Westfälischen Tageblatt,
Nr. 9, Hagen, im September 1934, S. 133-135
Rang und Titel im alten Bauernstand
Von B. Marell, Osterwick
Wir unterscheiden so im gewöhnlichen Sprachgebrauch zwei Klassen
von Menschen - Bürger und Bauern. Alle, die innerhalb des befestigten,
von Wällen, Mauern und Gräben bewehrten Raumes der ursprünglichen
Burg, der späteren Stadt wohnten, nannten sich ohne Unterschied
von Rang und Stand Bürger; alle diejenigen aber, die außerhalb der
Tore des befestigten Platzes ihren Wohnsitz hatten, hießen samt
und sonders Bauern.
Mit einigen Worten ist die Tätigkeit des Landmannes kurz umrissen:
der Bauer baut das Feld. Durch den Anbau der verschiedener Fruchtarten
in Verbindung mit den damit eng zusammenhängenden anderen Betätigungen
erwirbt er sich seinen Lebensunterhalt. In der Art der Arbeit sind
sich die Bauern alle völlig gleichgestellt. Doch in der gesellschaftlichen
Stellung waren lange nicht alle über einen Kamm geschoren. Man merkte
überall einen gewissen Kastengeist, das Hervorkehren eines Rang- und
Klassenunterschiedes. In dieser Hinsicht zeigte der Bauer einen gewissen
Dünkel und Standesstolz.
Worauf und weshalb? Nun, er hatte einige Furchen Landes mehr unter seinem
Pflug, als der Nachbar; darauf gründete sich allein sein Anspruch auf
einen höheren Rang. Wer im schriftlichen Verkehr mit den Bauern zu tun
hatte, musste schon darauf bedacht sein, dass er in der Anschrift nicht
gegen Rang und Titel verstieß; denn so ein Vergehen schwarz auf weiß
konnte das Ehrgefühl eines echten Bauern tief und nachdrücklich kränken.
Verschieden nach der Gegend, dann entsprechend der Größe der Hofesgerechtigkeit
hatte man zu unterscheiden zwischen Schulze, Schulte, Meier, Zeller,
Kolon, Oekonom, Kötter, Tagelöhner usw.. Diese Unterschiede waren
hauptsächlich durch die uralte Bauernverfassung, besonders aber durch
das Hörigkeits- und Lehnswesen der früheren Jahrhunderte begründet worden.
Als mit Anfang des 19. Jahrhunderts (1808/09) mit der alten Einrichtung
der Hörigkeit und Leibeigenschaft gebrochen wurde, da änderte sich gar
manches im Bestand der Bauernhöfe, alte wurden zersplittert, neue wurden
gegründet durch Rodung und Umbruch des Markengrundes. Die einmal bestehenden,
aus der Vorzeit übernommenen Rangtitel der Höfe aber hielten sich vorerst
noch mit Zähigkeit. Aber mit dem Aufleben des Verkehrs, im werdenden Zeitalter
der papierenen Tätigkeit, drängte alles auf Ausstoß eines überflüssigen
Ballastes, nach möglichster Kürze und Einfachheit. Man unterschied schließlich
beim Schreiben an die Bauernschaft nur noch nach Gutsbesitzer und Gutspächter.
Mit der Errichtung unseres jetzigen neuen Reiches [NS-Zeit] kam auch die
Gleichschaltung des Bauernstandes: Bauer ist Bauer - andere, unterscheidende
Titel der alten Zeit fallen fort. Es soll aber versucht werden, in folgender
Ausführung die Bedeutung verschiedener alter Bauerntitel klar zu machen.
Schulte - Schulze
In der Regel wurde dazu der Inhaber des Ober- oder Haupthofes bestimmt; jedoch
konnte der Lehnsherr gegebenenfalls auch eine andere Person mit diesem Amte
betreuen. Erblich war dieser Posten anfänglich nicht. Auch die Klöster sowie
auch weltliche Gutsherren ernannten unter ihren Hörigen einen Schulzen, der
dann die Aufgaben eines richterlichen und exekutiven Verwaltungsbeamten hatte
und die Regelung der Lasten und die Beitreibung der Einkünfte zu besorgen
hatte. Selbst der Oberknecht auf größeren Gütern, dem die Leitung des Betriebes
oblag, wurde als "Schulte" bezeichnet, während eine solche Person auf kleineren
Gütern "Baumeister" hieß.
Wo es auf einem beschränkteren Gebiete nur einen Träger dieses Titels gab, ist
dieser vielfach zum Familiennamen geworden, wie z. B. Schulze, Schulz, Scholz,
Schulte, Schultz, Schulten, Scholten, z. B. Schulze-Pelkum, Schulz-Briefen,
Schulte-Hilden.
Dann aber auch pflegten wohl besonders große Gehöfte mit sich den Schulzentitel
zu verbinden. Dieser entstammte entweder der bevorrechtigten Stellung, die das
Gut z. Zt. der Vilikations-Verfassung als Besitz eines fremden Herrn
eingenommen hatte, oder die Inhaber hatten ihn sich eigenmächtig kraft ihres
größeren Ansehens vor den anderen Bauern, und um sich auch hierdurch von
ihnen zu unterscheiden, beigelegt. Zwar erkannte z. B. das Kloster Varlar
bei Coesfeld diesen Titel in seinen schriftlichen Aufzeichnungen an, verfehlte
aber nicht, "Erbbing" oder "Zeller", wie die hörigen Bauern genannt wurden,
hinzuzusetzen, wohl aus dem Grunde, um etwaigen aus der Schulzenbezeichnung
herzuleitenden Sonderrechten vorzubeugen.
In vielen Fällen decken sich die Namen der Schulzenhöfe mit denen der betreffenden
Bauernschaft, z. B. Schulze Gaupel in Gaupel (Goplau), Schulze Hannöver in
Hannövershook, Schulze Beikel in Beikelort, Schulte Bockolt in Bockholt. Aus
manchen hervorragenden Schulzenhöfen sind im Laufe der Zeit städtische
Ansiedlungen, Dörfer oder Klöster geworden.
Tegeder
Meier
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