Quelle: Süderländer Tageblatt vom 13. Januar 1934 Trauer über Plettenberg
Zu dem furchtbaren Explosionsunglück an der Königstraße
Plettenberg. 13. Januar. Gestern um die Mittagsstunde ist die bei dem
Explosionsunglück an der Königstraße in schwerverletztem Zustand geborgene und
in das ev. Krankenhaus eingelieferte Frau Hoyer gestorben. - Im Laufe des
Nachmittags hat man auch die Leiche der Frl. Meta Selle unter den Trümmern
gefunden. Sie war bis zur Unkenntlichkeit verkohlt und verstümmelt und nur
an der Fußbekleidung konnte die Identität festgestellt werden.
Sofort nach Bekanntwerden des schweren Unglücks am gestrigen Vormittag war neben
dem Bürgermeister der Stadt, Herrn Dr. Eckler, und verschiedenen anderen Herren
des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung auch der Kreisleiter der
NSDAP, Herr Reichstagsabgeordneter F. Bracht, an der Unfallstelle. Wenig später
traf auch der Leiter des Kreises Altena, Herr k. Landrat Dr. Bubner, Altena, ein.
Herr Regierungspräsident Dr. von Stockhausen, Arnsberg, ließ sich fernmündlich
über den Hergang der Katastrophe unterrichten.
Die Liste der Toten
Die Leichen sind von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und bisher noch nicht
freigegeben worden. Die Beerdigung dürfte wahrscheinlich am Dienstag nächster Woche
stattfinden.
Geistesgegenwart bewies der ebenfalls in dem Unglückshaus befindliche 14jährige
Werner Selle, dem es gelang, sich aus dem brennenden Haus einen Weg ins Freie
zu bahnen und so fast unverletzt dem Tode zu entrinnen. Er befand sich zur Zeit
der Explosion im Bett, und nur dadurch, daß die Wand, an der sein Bett stand,
nicht auf ihn fiel, blieb er unverletzt.
Weitere Explosionen
Diese letzte Explosion war wohl darauf zurückzuführen, daß sich in der Nähe der
Eingangstreppe die Zentralheizung befand, die noch gebrannt haben soll. Es muß sich
dann in dem Keller Gas angesammelt haben, das sich vermutlich an der Heizung entzündet
hat. Eine Flamme war bei dieser letzten Explosion nicht zu sehen.
Eine weitere Explosion ereignete sich an dem etwa 15 Meter von der Unglücksstelle
entfernt liegenden Haus Lahme, wodurch zwei schwere Steintreppenstufen des Eingangs
weggeschoben wurden. Die Ursache dieser Explosion ist noch nicht geklärt.
Die Polizei hatte inzwischen die Räumung sämtlicher gefährdeten Häuser der Umgebung
in einem Umkreis von 150 Meter angeordnet. Auch während der Nacht durften die Wohnungen
nicht wieder bezogen werden.
Hilfe aus Hagen brauchte nicht mehr einzugreifen
Auf Anordnung des Herrn Bürgermeisters Dr. Eckler haben sämtliche öffentlichen Gebäude
der Stadt anläßlich der Explosionskatastrophe halbmast geflaggt. Die Untersuchung, die
im Auftrag der Staatsanwaltschaft von dem Gewerberat geleitet wird, dauert noch an.
Ein amtlicher Bericht über den Hergang der Katastrophe ist noch nicht herausgegeben
worden.
Vergangene Nacht ist nach ununterbrochener Ausschachtungsarbeit die schadhafte Rohrstelle
freigelegt worden. Sie befand sich ungefährt dort, wo am Unglücksmorgen die Feuergarben
aus der Erde aufstiegen. Es handelt sich, wie wir weiter erfahren, um einen etwa 40 cm
langen kreisförmigen Bruch am Ende eines Rohrstücks, in der sogenannten Sicke. Die
Bruchstelle ist sofort mit einer Gummidichtung gut verschlossen worden. Das schadhafte
Rohrstück ist von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden, während das Ersatzstück
sofort in Bestellung gegeben wurde. Von 6 Uhr heute früh ab konnten die industriellen
Werke bereits wieder mit Gas beliefert werden.
Allen Helfern, wie der Freiw. Feuerwehr, der Sanitätskolonne, der SA, SS, St usw. sei
auch an dieser Stelle herzlichen Dank ausgesprochen.
Bemerkt sei noch, daß es sich bei dieser Rohrleitung um die Hauptleitung
Plettenberg-Olpe-Siegen der Ruhrgas-Gesellschaft und nicht der Ferngas-Gesellschaft
handelt.
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