Plettenberg. (oso) Nicht alltäglich, keinesfalls selbstverständlich, aber für alle Beteiligten ein Grund zur Freude: Der erfolgreich vollzogene Generationswechsel bei der 1889 gegründeten Gesenkschmiede A. Vieregge-Elsethal. Katharina Esser und Frank Esser übernahmen bereits im Januar 2001 die Geschäftsführung von Inhaber August Wilhelm Höfer-Flügge - das wurde jetzt mit einem Betriebsfest gefeiert. Inhaber August Wilhelm Flügge, der den Führungswechsel in der Geschäftsführung an seine Tochter Katharina und ihren Mann Frank Esser hervorhob, zog eine positive Bilanz der ersten 18 Monate unter der verjüngten Firmenleitung. So gab es Grund genug zum Feiern. Die 30-köpfige Belegschaft, sowie die ehemaligen Mitarbeiter und die Familienangehörigen waren der Einladung gerne gefolgt. |
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"Das ist doch heute nicht mehr selbstverständlich, dass die Kinder in die Geschäftsführung einsteigen", freute sich
August Wilhelm Höfer-Flügge zu Recht über den auch von der Belegschaft gut aufgenommenen Wechsel. Die 1889
gegründete Gesenkschmiede bleibt also auch in der nächsten Generation im Familienbesitz. "Wir haben behutsam
einige Veränderungen eingeleitet, profitieren von den Erfahrungen der Älteren, haben aber auch Jüngeren mehr
Verantwortung übertragen", sieht Frank Esser die Stärken der Belegschaft in einer hohen Motivation und Identifizierung
der Mitarbeiter mit dem Familienunternehmen.
Seit 1889 unverändert an seinem Standort im Lehmweg angesiedelt, versteht sich die A. Vieregge-Elsethal als Spezialist
für Sonderteile in kleinen und mittleren Serien für die Bau-, Eisenbahn- und Maschinenindustrie. Die CNC-gesteuerte
Gesenkfertigung mit eigenem Werkzeugbau wird ständig modernisiert, um auf dem Markt bestehen zu können. Eine
neue Kompressorenanlage geht im Herbst in Betrieb.
Zu den Klängen der Plettenberg Band Mash feierten die Mitarbeiter und Pensionäre, wobei mit einer Hüpfburg auch
für die jüngsten Familienmitglieder vorgesorgt war. |
Der zum Amte Plettenberg gehörende Teil des Elsethales ist recht breit, hat viele gute Flößwiesen, große ertragreiche, ziemlich ebene Feldfluren und ist deshalb zum Ackerbau und zur Viehzucht besonders geeignet. Jahrhunderte lang lieferte den meisten hier wohnenden Menschen ihr von den Vorfahren ererbtes Gut ihren Lebensunterhalt, die anderen erwarben ihn als Handwerker, Tagelöhner, Hirten und Köhler. Das Gefälle der Else ist hier nicht so stark wie das anderer, enge Täler durchfließende Bäche benachbarter Gemeinden, wo die Talbewohner nur wenig Ackerbau treiben können und deshalb von jeher mehr auf Gewerbetätigkeit angewiesen sind. |
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Aber auch das Wasser der
Else hat man schon im Mittelalter in den Dienst der Menschen genommen, es mußte die
schon 1338 erwähnte Mühle in Mühlhofe und zwei Hammerwerke bei Köbbinghausen treiben.
Von den vier Söhnen des Bauern Peter Diedrich Vieregge, der 1845 Viereggen Gut übernommen
hatte, erhielt Peter Diedrich das elterliche Gut. Peter Wilhelm kaufte 1859 die
Mühle im Mühlhofe. Friedrich Wilhelm Vieregge ließ dort, wo die Landstraße den
Holthauser Bach kreuzt, 1879 ein Wohnhaus bauen, in dem seine Frau ein Spezereiwarengeschäft
betrieb. Wie einige andere Holthauser Männer, so richtete auch F. W. Vieregge eine
Schmiede ein, in der er handgeschmiedete Muttern herstellte. Fleiß, Sparsamkeit und
Unternehmungslust ermöglichten den Ausbau der Schmiede zu einer Fabrik, die sich vorteilhaft
entwickelte, besonders, seitdem sein Neffe August Vieregge, der Sohn seines Bruders Peter
Diedrich Vieregge, sich an dem Unternehmen beteiligte.
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![]() August Vieregge *1857 1938 |
August Vieregge wurde als der älteste Sohn des Peter Diedrich Vieregge und der Maria
Katharina geb. Vollmer aus Selscheid am 2. August 1857 auf Viereggen Gut geboren. Nach
dem frühen Tod seiner Brüder Karl und Fritz wurde er alleiniger Erbe des elterlichen
Gutes und Vermögens. Bis 1882 arbeitete er mit auf dem väterlichen Gute und hat diese
Tätigkeit nur durch seine halbjährige Dienstzeit im Garde-Train-Bataillon unterbrochen.
Am 1. November 1881 heiratete er Karoline geb. Seuthe, die Witwe des Peter Wilhelm
Christoph Diedrich Wernecke und erhielt dadurch auch deren Besitzung.
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Das Geschäft entwickelte sich günstig. Schon bald
mußte der Maschinenpark vergrößert und die bisherige Dampfmaschine durch eine größere
von 75 PS ersetzt werden. Bereits einige Jahre nach der Eröffnung war die Anzahl der
Arbeiter verdoppelt.
Die fortschreitende Industrialisierung Deutschlands brachte neue Fabrikationsmöglichkeiten
und eine Erweiterung des Erzeugungsprogrammes. Neben den bisherigen Erzeugnissen wurden
Schmiedestücke für den Fahrrad- und Automobilbau, für landwirtschaftliche Maschinen, für
Dampfkessel und für viele andere Industriezweige hergestellt. Nicht nur im Inlande, auch
im europäischen und überseeischen Ausland erfreuten sich die Produkte der Firma großer
Beliebtheit.
Als im August 1914 der Weltkrieg ausbrach, traten neue und schwierige Aufgaben an das Werk
heran. Die Sicherstellung der Landesverteidigung erforderte auch von ihm entsprechende
Vorkehrungen und die Umstellung auf die Fabrikation von Schmiedestücken für die Anfertigung
von Kriegsgerät. In den ersten Kriegsmonat fiel das 25jährige Bestehen des Werkes. Mit
Rücksicht auf den Ernst der Zeit wurde von der geplanten Feier Abstand genommen.
Nach Beendigung des Krieges Ende 1918 galt es, die Instandsetzung und teilweise Erneuerung
der durch die große Inanspruchnahme in den Kriegsjahren stark gelittenen Werksanlagen
durchzuführen. In den Jahren 1920 und 1921 wurde die alte Schmiede völlig umgebaut und
erheblich vergrößert.
Die nur durch eine kurze Scheinblüte unterbrochene Wirtschaftskatastrophe der Nachkriegszeit
brachte dem Werk große Schwierigkeiten. Die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen
in den Jahren 1922 und 1923, durch welche die eisenverarbeitende Industrie von der
Belieferung mit Eisen und Kohle fast völlig abgeschnitten wurde, sowie die Entwertung
der deutschen Geldwährung leiteten einen wirtschaftlichen Niedergang von früher nicht
gekanntem Ausmaße ein.
In dieser schweren Zeit erlebte das Elsethal ein verheerendes Naturereignis. Am 17. Juni
1931 wirbelte ein von Westen kommender Orkan durch das Elsethal, zerbrach strichweise fast
alle Bäume, deckte Dächer ab und zertrümmerte Fensterscheiben. Seine vernichtende
Wirkung zeigte sich auch an den Werksgebäuden von A. Vieregge, die stark beschädigt wurden.
Die Umfassungsmauer am Fabrikeingang lag umgeworfen auf dem Erdboden.
Erst die Machtübernahme durch Adolf Hitler im Jahre 1933 brachte den Umschwung und beseelte
das Wirtschaftsleben mit neuer Hoffnung und frischem Mut. Am 6. März 1933 wurde die Fabrik,
die kurze Zeit völlig stillgelegen hatte, unter der Leitung der Enkel des Gründers, Willi
Höfer und Alfred Wernecke, wieder eröffnet. Dank der klugen staatlichen Wirtschaftslenkung
und der zähen Einsatzbereitschaft von Betriebsführer und Gefolgschaft ist es gelungen, das
Werk wieder auf eine beachtliche Höhe zu bringen. Die Anlagen wurden den technischen
Fortschritten entsprechende erneuert, der Maschinenantrieb erfogt jetzt durch elektrischen
Strom, und sämtliche Öfen werden durch Ferngas geheizt.
Es werden heute hergestellt: Spannschlösser, Schraubenschlüssel, Schiffsschäkel,
Schmiedestücke für den Bedarf des Heeres, der Post und der Eisenbahn, sowie Teile für
landwirtschaftliche Maschinen, Automobile usw.
Fünfzig an Erfolgen und Enttäuschungen reiche Jahre sind nunmehr seit der Gründung des
Unternehmens dahingegangen. Leider war es dem Gründer August Vieregge nicht vergönnt,
diesen Tag zu erleben. Am 25. März 1938 ist er im Alter von fast 81 Jahren gestorben.
Sein Vorbild als weitblickender Unternehmer und seine kameradschaftliche Treue sind
seinen Nachfolgern Richtschnur geworden.
Recht erfreulich und wertvoll für die gedeihliche Entwicklung des Werkes ist es gewesen,
daß viele aus im Elsethal altansässigen Familien stammende Gefolgschaftsmänner ihr
Leben lang dem Werke treu geblieben sind. Herr Wilhelm Eckmann zu Bruch, der schon unter
der Firma F. W. Vieregge gearbeitet hat, steht auch heute noch in den Reihen der
Gefolgschaftsmitglieder. Neben diesem 50jährigen Jubilar seien die folgenden Mitarbeiter
mit Stolz erwähnt:
Albert Primus, Bremcke - seit 41 Jahren bei uns tätig
Mit großer Arbeitsfreude und zäher Entschlossenheit überschreiten Betriebsführung und
Gefolgschaft die Schwelle des 50. Jahres.
Quelle: "50 Jahre A. Vieregge - Gesenkschmiede - Elsethal bei Plettenberg
1889-1939" - Festschrift 11 Seiten, 4 s/w-Fotos
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Gesenkschmiederei A. Vieregge im Elsethal besteht seit 1890 und beschäftigt heute 90 Arbeiter (Dampfkraft). Er verfertigt Gitterspitzen, Fahrrad-, Automobil-, Nähmaschinenteile und sonstige Gesenkschmiedestücke. |