Briefkopf der Plettenberger Kleinbahn aus dem Jahre 1958



Quelle: ST vom 05.02.1952

Direktor Müller tritt in den Ruhestand
Direktorwechsel bei der Plettenberger Kleinbahn A.G.
Direktor Alb. Müller tritt in den wohlverdienten Ruhestand - Joachimv. Galléra als neuer Leiter unserer Kleinbahn

Plettenberg. Gestern vormittag fand innerhalb einer Vorstandssitzung, an der auch der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Dipl.-Ing. Engelhard, ferner Stadtdirektor Kordes sowie die leitenden Angestellten und der Betriebsrat der Plettenberger Kleinbahn AG teilnahmen, die feierliche Einführung des neuen Direktors und obersten Betriebsleiters, Joachim von Galléra, statt. Nach Erreichung der Altersgrenze übergab am gleichen Tage Direktor Müller die bisher ausgeübte Tätigkeit des obersten Betriebsleiters an seinen Nachfolger, führt aber noch bis zur endgültigen Übertragung die Geschäfte des Vorstandes weiter.

Über ein halber Jahrhundert im Dienst der Plettenberger Kleinbahn
Der ausscheidende Direktor der Plettenberger Kleinbahn, Albert Müller, hat sich innerhalb eines weiten Kreises in den langen Jahren seines Schaffens und Wirkens ein hohes, gutes Ansehen durch sein Können, seine Redlichkeit und seine grade menschliche Haltung zu verschaffen gewusst. Bei einem Pressegespräch mit dem ausscheidenden Direktor erfuhren wir jene vorbildliche Maxime seines Wirkens: "Ich habe mich stets von dem Grundsatz leiten lassen, die Kleinbahn sei ein mir anvertrautes Gut. Ja, ich dachte sogar meistens, wenn es schwere Entscheidungen zu treffen galt, dass ich alle Entschlüsse so zu fassen hätte als würde ich sie für mein Eigentum fassen müssen."

Wir begegnen in Direktor Müller dem, was man in den USA einen "Selfmademan" nennen würde. Hat er sich doch aus eigener Kraft vom Stift in diesem Betrieb bis in die höchste Stellung hinaufgearbeitet.
Dieser bewährte Mann, der nun nach 25-jähriger Tätigkeit als Direktor in den wohlverdienten Ruhestand tritt, ist vor über einem halben Jahrhundert, nämlich am 20. Dezember 1900 als kaufmännischer Lehrling bei der Plettenberger Kleinbahn AG eingetreten. In dem kleinen Büro unten in Eiringhausen hat er seine Laufbahn begonnen. Nach Abschluss der Lehrzeit wurde er in den einzelnen Betriebsabteilungen beschäftigt. Im Jahre 1908 wurde ihm bereits die Leitung der Güterabteilung übertragen. 10 Jahre später, im Jahre 1918 also, wurde er mit der Dienstbezeichnung Betriebskontrolleur zum stellvertretenden Betriebsleiter ernannt. In dieser Eigenschaft war Herr Müller 5 Jahre im Außendienst der Bahn tätig.

Nachdem er im Jahre 1923 zunächst vertretungsweise mit der Betriebsleitung beauftragt und ihm die Prokura erteilt worden war, erfolgte 1925 die Ernennung zum Betriebsleiter. Bereits zwei Jahe später wurde er Betriebsdirektor. Zwanzig Jahre später, 1947, erfolgte die Bestellung zum ordentlichen Vorstandsmitglied der Plettenberger Kleinbahn AG. Praktisch hat Herr Müller seit dem Jahre 1923 den Betrieb allein geleitet.

Nicht allein Fachleute, auch Außenstehende vermögen zu beurteilen, dass Direktor Müller in der Zeit seines Wirkens Bedeutendes für den Ausbau und die Vergrößerung und Modernisierung des Fahrzeugparkes sind sein Werk. Seiner Initiative ist auch die Einrichtung des Kraftverkehrs und sein Ausbau zu verdanken.
Die Kleinbahn AG Plettenberg besitzt heute 8 Omnibusse und wird, wie wir hörten, ihre Zahl in nächster Zeit noch weiter erhöhen. Dass sich die Bahnanlagen und ebenso die Fahrzeuge in einem hervorragenden Zustand befinden, und dass sich während der ganzen Zeit sowohl im Bahn- wie auch im Kraftfahrbetrieb keine schweren Unfälle oder Betriebsstörungen ereigneten, darf wohl Direktor Müller als sein besonderes Verdienst verbuchen.

Ein bewährter Praktiker des Eisenbahnwesens
Der neue Direktor Joachim von Galléra, geboren 1902 zu Halle an der Saale, studierte ebendort Volkswirtschaft, war doch sein Vater in dieser Fakultät Dozent der Hallensischen Hochschule. Nach seinem Staatsexamen trat der junge Volkswirt in den großen Eisenbahnkonzern Lenz & Co ein. In den Jahren 1933-1935 war Joachim von Galléra in der Hauptverwaltung dieses ausgedehnten Konzerns tätig. Dann erhielt er eine ehrenvolle Berufung als Referent in den Reichsverband deutscher Verkehrsverwaltungen Berlin.

Im Anschluss an diese Tätigkeit wurde dem nun bereits versierten Verkehrsmann 1943 die oberste Betriebsleitung des Zweckverbandes der Kreisbahnen im Wartheland übertragen. Dort ereilte auch ihn das Schicksal des Zusammenbruchs der deutschen Front im Osten. Mit vielen tausend anderen kam er als Flüchtling hier in den Westen. Bald aber konnte sich Joachim von Galléra wieder als Spezialist einsetzen. Gerade auf dem überbeanspruchten Verkehrssektor gebrauchte man Männer, die Könner waren. Dass Herr von Galléra dazu gehörte, bewies er bald beim schwierigen Aufbau der Tecklenburger Nordbahn. Hier war vieles zerstört. Es bedurfte einer großen Anstrengung und weitsichtigen Planung, diese nordwestfälische Bahn wieder in Ordnung zu bringen. Zwei Eisenbahnbrücken mussten völlig neu aufgebaut werden, Betriebsgebäude waren wieder aufzurichten.

Als Bahnverwalter und örtlicher Betriebsleiter hatte sich Joachim von Galléra um alles dies zu kümmern. In einem an sich sehr kurzen Zeitraum war es jedoch geschafft, dass die Tecklenburger Bahn wieder voll in Betrieb genommen werden konnte. Um aber wieder in größerem Bereich Verantwortung übernehmen zu können, bewarb sich Herr von Galléra um die in einem Fachblatt ausgeschriebene Direktorenstelle der Plettenberger Kleinbahn AG. Er wurde unter vielen Bewerbern als der geignete ausgewählt.
Möge es dem vielseitigen Verkehrsspezialisten gegeben sein, den von seinem Vorgänger, Direktor Müller, so vorbildlich aufgebauten Betrieb in gleicher Form aufrecht zu erhalten, auszubauen und gedeihlich zu fördern.


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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