Quelle: Süderländer Tageblatt vom 18.06.1998
Ein Stück Alt-Plettenberg
PLETTENBERG (iv) "Zwei Brötchen, zwei Mohn, zwei Roggen", wünscht
die Kundin am Mittwoch morgen und hält Erika Haape ihre Leinentasche hin.
Man kennt sich. Der nächste Kunde wird bedient. Der Mann hat die
Frühschicht bereits hinter sich. "Diese Woche habt ihr aber noch auf?"
fragt er und schaut auf die sich leerenden Regale. "Die nächste und auch
noch bis zum Samstag", antwortet Erika Haape. Das ist der 27. Juni.
Gelernt hat August Wilhelm Haape das Bäckerhandwerk bei Sassenscheidt an
der Herscheider Straße, hatte nach der Gesellenprüfung drei Jahre in
Finnentrop gearbeitet, Erfahrungen in anderen Betrieben des Handwerks
in Lüdenscheid, Siegen und Halver gesammelt und seine Meisterprüfung
schließlich in Hagen abgelegt.
Mit Ehefrau Erika hatte ihn das Schicksal 1958 in Halver zusammengeführt.
Die tatkräftige junge Frau hatte den Beruf einer Einzelhandelskauffrau
gelernt. 1960 wurde geheiratet. Erika Haape zog nach Plettenberg. "Damals
buk mein Mann drei Sorten Brötchen", erzählt sie. Die Ansprüche der
Kunden sind differenzierter geworden. "Heute stellen wir 15 Sorten her."
39 Jahre lang begann der Tag für Bäckermeister August Wilhelm Haape um
zwei Uhr morgens. Die Kunden, die sich im Geschäft das frische Brötchen
für den häuslichen Frühstückstisch oder die Pause am Arbeitsplatz holten,
wußten die Handwerksqualität zu schätzen. "Keine Puff-Puff-Brötchen, wo
nur Luft drin ist!" beschreibt eine Kundin die Lage. "Und überhaupt, bei
Haape bekam man die Brötchen wenigstens zum Frühstück." Frisch und
duftend, direkt aus dem Backofen - ein großes Plus gegenüber dem Supermarkt.
Die Geschäftsaufgabe erfolgt aus Altersgründen. August Wilhelm und Erika
Haape sehen dem Ereignis mit einem lachenden und einem weinenden Auge
entgegen. "Unsere Kunden werden uns fehlen", gibt Erika Haape freimütig
zu. Ein nettes Wort, ein kleiner Scherz, wechselten mit Ware und Bezahlung
fast immer über die Theke. "Gibts heute was auf Marken?" hatte da kürzlich
ein Witzbold gefragt, als sich am Samstag eine Kundenschlange gebildet
hatte.
Unvergessen blieb das Hochwasser, das im Jahre 1960 auch den Haapeschen
Keller und die Backstube nicht verschont hatte. "Das war genau am 6. Dezember",
erinnert sich August Wilhelm Haape, der gerade noch seine Stutenkerle fertig
bekommen hatte, bevor er sich um das Wasser kümmern musste, das aus dem
Kanal heraufgedrückt wurde. Immerhin, man war ohne Feuerwehr und Stromausfall
damit fertig geworden. Es hätte schlimmer kommen können - Erinnerungen . . .
Die Räume sind inzwischen vermietet. Einen Bäcker wird es in der Zimmerstraße
2 nicht mehr geben. Seit 27 Jahren im Haapeschen Betrieb als verläßliche
Seele und Verkäuferin tätig ist Ursula Tripp. Stefanie Schulte, seit elf
Jahren Bäckerin im Betrieb, macht eine der letzten Platten Bienenstich fertig,
bevor sie sich zusammen mit Meister Haape zum Erinnerungsfoto aufstellt. |