Quelle: Süderländer Tageblatt vom 18.06.1998

Ein Stück Alt-Plettenberg
verändert sein Gesicht

Bäckerei Haape: Geschäftsaufgabe aus Altersgründen - Keine Brötchen mehr in der Zimmerstraße

PLETTENBERG (iv) "Zwei Brötchen, zwei Mohn, zwei Roggen", wünscht die Kundin am Mittwoch morgen und hält Erika Haape ihre Leinentasche hin. Man kennt sich. Der nächste Kunde wird bedient. Der Mann hat die Frühschicht bereits hinter sich. "Diese Woche habt ihr aber noch auf?" fragt er und schaut auf die sich leerenden Regale. "Die nächste und auch noch bis zum Samstag", antwortet Erika Haape. Das ist der 27. Juni.
Es ist wahr: Bäckermeister August Wilhelm und Ehefrau Erika schließen nach 39 Jahren Backstube und Geschäft - für immer. Das Haus in der Zimmerstraße 2, eines jener liebenswerten Alt-Plettenberger Bauwerke, verändert sein Gesicht. Es hat Geschichte: 1725 gehörte es dem Tuchmacher Eberhardt Seissenschmidt, kam 1857 in den Besitz der Familie Elhaus und befindet sich seit 1868 im Besitz der Familie Haape. 1868 war es Bäcker Wilhelm Haape und 1908 Bäckermeister Wilhelm Ernst Haape, die hier für Plettenberger Bürger das tägliche Brot in den Ofen schoben.

Gelernt hat August Wilhelm Haape das Bäckerhandwerk bei Sassenscheidt an der Herscheider Straße, hatte nach der Gesellenprüfung drei Jahre in Finnentrop gearbeitet, Erfahrungen in anderen Betrieben des Handwerks in Lüdenscheid, Siegen und Halver gesammelt und seine Meisterprüfung schließlich in Hagen abgelegt.

Mit Ehefrau Erika hatte ihn das Schicksal 1958 in Halver zusammengeführt. Die tatkräftige junge Frau hatte den Beruf einer Einzelhandelskauffrau gelernt. 1960 wurde geheiratet. Erika Haape zog nach Plettenberg. "Damals buk mein Mann drei Sorten Brötchen", erzählt sie. Die Ansprüche der Kunden sind differenzierter geworden. "Heute stellen wir 15 Sorten her."

39 Jahre lang begann der Tag für Bäckermeister August Wilhelm Haape um zwei Uhr morgens. Die Kunden, die sich im Geschäft das frische Brötchen für den häuslichen Frühstückstisch oder die Pause am Arbeitsplatz holten, wußten die Handwerksqualität zu schätzen. "Keine Puff-Puff-Brötchen, wo nur Luft drin ist!" beschreibt eine Kundin die Lage. "Und überhaupt, bei Haape bekam man die Brötchen wenigstens zum Frühstück." Frisch und duftend, direkt aus dem Backofen - ein großes Plus gegenüber dem Supermarkt.

Die Geschäftsaufgabe erfolgt aus Altersgründen. August Wilhelm und Erika Haape sehen dem Ereignis mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. "Unsere Kunden werden uns fehlen", gibt Erika Haape freimütig zu. Ein nettes Wort, ein kleiner Scherz, wechselten mit Ware und Bezahlung fast immer über die Theke. "Gibts heute was auf Marken?" hatte da kürzlich ein Witzbold gefragt, als sich am Samstag eine Kundenschlange gebildet hatte.

Unvergessen blieb das Hochwasser, das im Jahre 1960 auch den Haapeschen Keller und die Backstube nicht verschont hatte. "Das war genau am 6. Dezember", erinnert sich August Wilhelm Haape, der gerade noch seine Stutenkerle fertig bekommen hatte, bevor er sich um das Wasser kümmern musste, das aus dem Kanal heraufgedrückt wurde. Immerhin, man war ohne Feuerwehr und Stromausfall damit fertig geworden. Es hätte schlimmer kommen können - Erinnerungen . . .

Die Räume sind inzwischen vermietet. Einen Bäcker wird es in der Zimmerstraße 2 nicht mehr geben. Seit 27 Jahren im Haapeschen Betrieb als verläßliche Seele und Verkäuferin tätig ist Ursula Tripp. Stefanie Schulte, seit elf Jahren Bäckerin im Betrieb, macht eine der letzten Platten Bienenstich fertig, bevor sie sich zusammen mit Meister Haape zum Erinnerungsfoto aufstellt.
Ein Stpck Plettenberg verändert sein Gesicht . . .

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