Quelle: WR Plettenberg vom 02.08.2006
WR-Leser gab "Schätzchen" ans Archiv
Plettenberg. (mau) Ungewöhnliches "Schätzchen" fürs Archiv: Von einem RUNDSCHAU-Leser bekam Stadtarchivarin Martina Wittkopp-Beine jetzt einen auf Stoff gezeichneten Fabrik-Lageplan der am 1. September 2002 nach 130-jähriger Tradition geschlossenen Firma Graewe & Kaiser in Eiringhausen zur Aufbewahrung überreicht.
Beim Entrümpeln im Keller fiel dem Mann der Graeka-Lageplan in die Hände. Der Plan zeigt im Maßstab 1:250 detailliert Anordnung und Grundrisse der einzelnen Betriebs- und Bürohallen der am 1. September 1872 von Wilhelm Graewe und Julius Kaiser gegründeten Schrauben- und Nietenfabrik. Dort, wo heute zwischen Lenne und Eisenbahn das Einkaufszentrum Bredde ist.
Angefertigt wurde die Skizze im Januar 1950 auf einem inzwischen ziemlich vergilbten Tuch vom Plettenberger Vermessungsbüro Schnevoigt. Also in den Jahren, in denen das zum Ende des 2. Weltkriegs durch amerikanische Tiefflieger stark zerstörte Werk wieder aufgebaut worden war. In dieser Zeit beschäftigte Graeka bis zu 600 Mitarbeiter.
Der spätere Firmenchef Dr. Peter Römer hat dem Stadtarchiv bereits vor Jahren das erste Bilanz-Buch des Unternehmens mit den Bilanzen von 1874 bis 1918 übergeben - ein wertvolles Dokument aus der Arbeitswelt von einst.
Martina Wittkopp-Beine appelliert an alle Bürger, jegliche Zeugnisse heimischer Industriegeschichte, die sich vielleicht durch Zufall finden, dem Stadtarchiv im Alten Rathaus an der Bahnhofstraße zur Verfügung zu stellen, wo eine sachgemäße Aufbewahrung garantiert ist.
"Eigentumsverhältnisse verändern sich dadurch nicht", betont die Expertin. Was Bürger, Betriebe oder Vereine dem Archiv übergeben, bleibe deren Eigentum und stelle fürs Archiv lediglich eine Dauerleihgabe dar.
Es müssen ja nicht gleich ganze Schmiedehämmer oder andere Großanlagen aus der Plettenberger Firmenhistorie sein. Auch scheinbar unbedeutende Dinge wie Fotos, Akten und kleinere Utensilien aus Betrieben und Büros können das Stadtarchiv bereichern und dazu beitragen, Wissenslücken in der Geschichte zu schließen und die Erinnerung an vergangene Zeiten lebendig zu halten.
(31.07.2006)
Quelle: WR Plettenberg vom 30.08.2002
Graeka hatte einmal einen guten Namen
Plettenberg. Heute eine Industriebrache, zum Teil bereits abgebrochen, um einem neuen Geschäftszentrum
Platz zu machen, war die Firma Graeka auf der Bredde in Eiringhausen lange Jahre ein festes Standbein der
heimischen Industrie. Aus Anlass der Gründung des Unternehmens vor genau 130 Jahren hier ein Rückblick
auf die wechselvolle Geschichte der Firma, aufgeschrieben von Dr. Peter Römer, dem früheren Firmenchef.
Zwischen Lenne und Eisenbahn wurde am 1. September 1872, also genau vor 130 Jahren von Wilhelm Graewe
und Julius Kaiser die Schrauben- und Nietenfabrik Graewe und Kaiser, später als G r a e k a bekannt, gegründet.
Nach ereignisreichen Jahren mit wechselnden Inhabern und unterschiedlichen Nutzungszwecken werden heute
die Gebäude dieser Fabrik abgebrochen. Es wird Platz geschaffen für Dienstleistungsunternehmen, die dort einen
attraktiven Standort finden werden.
Das Wasser der Lenne mit ihrer künstlich angelegten Insel diente damals dem Betrieb einer Dampfmaschine
zur Stromerzeugung. Durch die Eisenbahn wurde ein direkter Bahnanschluss im Werk ermöglicht zur
Rohmaterialanlieferung und für den Versand der Fertigprodukte über den Schienenweg. Heute sind diese
Standortfaktoren bedeutungslos. Was zählt, ist die Nähe zum Konsumenten und die Konzentration in
besonders ausgewiesenen Flächen.
Vielen hundert Familien aus Eiringhausen und der ländlichen Umgebung verschaffte die Firma damals ihre
Existenzgrundlage durch gute Arbeit und humane Arbeitsbedingungen. In dem 1. Bilanz-Buch mit Bilanzen
von 1874 bis 1918 geht hervor, dass Graewe & Kaiser seinen Mitarbeitern schon eine Ergebnisbeteiligung bot.
Noch heute profitieren auch nach dem Niedergang der Firma in den 80ger Jahren viele ehemalige Mitarbeiter
von betrieblichen Pensionsvereinbarungen, die durch den Pensionssicherungsverein eine rechtliche Absicherung
erfahren konnten.
Das Unternehmen verschaffte sich schon während der Gründerzeit, dann im 1. Weltkrieg auch bis zur
Weltwirtschaftskrise, in Handel und Industrie, vor allem mit der Schraubenproduktion einen guten Namen.
Einen besonderen Aufschwung erfuhr das Unternehmen in Zeiten der Aufrüstung und im 2. Weltkrieg unter
H. G. Bröking, nachdem die früheren Inhaber, die Herren Kaiser und Dr. Walter Römer, in den 30iger Jahren
verstorben waren.
Noch zum Ende des 2. Weltkrieges wurden Teile des Unternehmens durch amerikanische Tiefflieger zerstört.
Es folgten nach 1945 Reparationsleistungen an die Engländer mit Maschinen und Geräten, die demontiert wurden.
Der Wiederaufbau wurde schnell durchgezogen. Zu dieser Zeit waren bis zu 600 Mitarbeiter in dem
Unternehmen beschäftigt. Viele der heute noch lebenden, ehemaligen Mitarbeiter können sich daran erinnern.
In den 60iger Jahren erfolgte die notwendige Umstrukturierung des Unternehmens mit Schwerpunkt
Formteilherstellung und hochfeste Stahlschrauben, Bau einer eigenen Glüherei und Anschaffung modernster
Automaten und Arbeiten im 3-Schichten-Betrieb mit doppelten Umsatz-volumen. Die Belieferung der Produkte
erfolgte schwerpunktmäßig an die Kfz-Industrie und an größere Handelsunternehmen im In- und Ausland.
Die größten Abnehmer waren Daimler Benz, MAN, VW und Fendt.
Im Jahre 1972, am 15. September konnte das 100. Jubiläum mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten würdig in den Hallen des Unternehmens gefeiert werden.
Der immer stärker werdende Konkurrenzdruck aus dem Ausland hinterließ vor allem im Bereich des Produkthandels seine Spuren. Auch die Stahlkonzerne, die das Rohmaterial lieferten, bekamen den Druck zu spüren. Sie gerieten Ende der 70ger Anfang der 80ger Jahre in die große Stahlkrise, durch die sie veranlasst wurden, Absprachen untereinander zu treffen, indem sie die Zahlungsziele für die Firma auf Null setzten, so dass mehrere Millionen DM am Tage X für die Firma fällig gewesen wären. Das aber war nicht machbar. Banken und Sparkassen zeigten sich in dieser Situation wenig flexibel, so dass es zum Crash im Oktober 1981 kam, wobei Intrigen sicherlich nicht ausgeschlossen werden können. Konkurs war die Forderung der Stahlwerke, auch der Wunsch der Gewerkschaft und einiger Mitarbeiter. So aber nicht die Geschäftsführung. Ich habe mich für die Er-haltung der Arbeitsplätze und der Haftungsfreistellung der Inhaber eingesetzt und einen Vergleich - keinen Konkurs - gefordert. Der Vergleich konnte dann mit Hilfe des Landgerichts Hagen erreicht werden. Es war dies der 1. Vergleich seit 10 Jahren im Amtsgerichtsbezirk der durchgeführt wurde, nachdem auch eine Einigung mit den Gläubigern zustande gekommen war.
Ein neuer Inhaber wurde gefunden mit der Folge, das alle Arbeitsplätze erhalten werden konnten.
Das Konkurrenzunternehmen FHS Schulte aus Altena übernahm die Firma im Verbund mit einer eigenen Unternehmensgruppe. Es wurde weiter mit aufgestockter Belegschaft produziert und auch modernisiert. Doch dauerte es gerade ein Jahr als der neue Inhaber an den Folgen eines beabsichtigten Unfalles verstarb. Die Unternehmensgruppe sollte durch Auszahlung einer größeren Versicherungsleistung gestärkt werden, was jedoch nicht mehr gelang.
Nun kam es zum Konkurs und alle Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsplätze und waren auf Arbeitslosengeld angewiesen. Die Inhaber verloren ihre Beteiligungen und damit ihr wesentliches Vermögen.
Ein englischer Unternehmer übernahm das Unternehmen aus dem Konkurs, hatte aber keine glückliche Hand, so dass ein neuer Start nicht mehr gelang. Alte Verpflichtungen der Kfz-Industrie gegenüber konnten nur durch provisorische Maßnahmen erfüllt werden.
Daraufhin wurden die Gebäude vermietet. Im Verwaltungsgebäude wurden Asylanten untergebracht, verschiedene Kleinunternehmen und Dienstleistungsunternehmen fanden in den Hallen die Möglichkeit ihrer Arbeit nachzugehen.
Am 1. September 2002, nach 130 Jahren, gibt es Graeka nicht mehr.
Für viele nur noch ein Ärgernis, für manche eine Erinnerung, für wenige eine unvergessliche Zeit!
Dem Stadtarchiv Plettenberg wird das 1. Bilanz-Buch der Firma Graewe & Kaiser übergeben.
GRAEWE & KAISER, SCHRAUBENWERK
Im Ballungszentrum der Kleineisenindustrie in Plettenberg liegt das im Jahre 1872 von Wilhelm Graewe und Julius Kaiser
gegründete Schraubenwerk Graewe & Kaiser. Neben verschiedenen Standortvorteilen wurden die Gründer zur Errichtung
des Unternehmens u. a. durch die guten Beschaffungsmöglichkeiten des Roheisens von einem Eisenwerk im benachbarten
Nachrodt bewogen.
Bereits im Jahre 1870 existierten in Deutschland rund zehn leistungsfähige Schraubenfabriken, die der stetig steigenden
Nachfrage jedoch nicht mehr nachkommen konnten. In dieser Zeit wuchs der Bedarf an Schrauben sehr stark, nachdem
die Eisenbahn, das Hüttenwesen, die Maschinen- und Bauindustrie und andere Industriezweige einen raschen Aufschwung
genommen hatten. Im wesentlichen wurden von Graewe & Kaiser Schrauben und Nieten, aber auch Schmiedeteile für
verschiedene Zwecke hergestellt. Die Schraubenindustrie sah sich sehr bald zu Kapazitätserweiterungen veranlaßt, die
auch bei Graewe & Kaiser rasch zu einem weiteren Ausbau der Fertigung führten. Dieser Entwicklung folgte eine umfassende
Spezialisierung auf Schrauben und Muttern, der durch erhebliche Überkapazitäten zu Anfang des 20. Jahrhunderts in der
gesamten Schraubenindustrie zunächst Einhalt geboten wurde. Im Auf und Ab von Konjunkturen und Krisen stellte man
sich mehr und mehr auf die wirtschaftlichere Kaltfertigung der Erzeugnisse ein, die zu einer völligen Umstrukturierung der
Fertigungsmethoden führte.
Nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise gelang es der Firma Graewe & Kaiser, die Graeka-Schraube zu einem Markenfabrikat zu entwickeln, das im Handel und bei Direktverbrauchern zunehmend Anklang fand. Vor allem durch die Aufnahme der Fertigung Hochfester Schrauben und Muttern entwickelte sich das Unternehmen zu einem namhaften Lieferanten der deutschen Fahrzeug- und Maschinenindustrie. Die immer zunehmende Austauschbarkeit von Massenteilen ermöglichte einen weltweiten Handel mit Schrauben, besonders durch die Einführung der ISO-Norm im Jahre 1965, wodurch
eine noch ausgedehntere Automatisierung erzielt wurde und der Schraube als lösbarem Befestigungsmittel neue Absatzchancen für die Zukunft eingeräumt wurden. Parallel zu dieser Entwicklung ist es dem Unternehmen gelungen, sich auf die differenzierten Bedürfnisse partieller Märkte nach Fließpreßteilen einzustellen.
Die im gesamtindustriellen Bereich ständig wachsenden Anforderungen an Qualität und Güte der Fabrikate führte zu einer fachgerechten und persönlichkeitsorientierten Ausbildung aller Mitarbeiter und damit zur Bildung einer hochqualifzierten Stammbelegschaft, von der heute viele Mitarbeiter in der dritten und vierten Generation mit dem Unternehmen verbunden sind. Dazu hat auch eine breit angelegte Sozialarbeit seit Bestehen des Unternehmens beigetragen, die heute neben dem Grundsatz der Mitverantwortung aller Mitarbeiter wesentlich in der unternehmerischen Gesamtkonzeption ist.
Quelle: Heimatchronik des Kreises Lüdenscheid,
Archiv für Deutsche Heimatpflege GmbH, Köln, 1971
Quelle: Westfalenpost Plettenberg, 30. Dezember 1960
An erster Stelle: Menschlichkeit
Plettenberg. Walter Knauer, Mitglied der Geschäftsleitung
der Firma Graewe & Kaiser, vollendet am 1. Januar 1961 sein 60.
Lebensjahr. Er wurde in Kattowitz geboren und trat nach Absolvierung
des humanistischen Gymnasiums in Erfurt bei der Dresdner Bank
ein. Zuletzt war er Filialdirektor der Dresdner Bank in Trautenau.
Durch die Nachkriegserscheinungen wurde er gezwungen, sich von
dort "abzusetzen" und war kurze Zeit als Sparkassenleiter in Erfurt
tätig. Von dort aus kam Walter Knauer nach Plettenberg. Im Jahre
1948 trat er in die Leitung der Firma Graewe & Kaiser ein (der
Großvater seiner Frau war der Mitbegründer der Firma). Hier
widmete er sich mit großer Umsicht dem Ausbau des Werkes.
Durch sein Wirken trägt der Jubilar mit dazu bei, dass auch im
Zeitalter der Technik das Menschliche nicht ausstirbt.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit setzt sich Direktor Knauer
für mancherlei Gemeinschaftsaufgaben ein. Er ist Mitglied des
Sparkassenrates der Stadt Plettenberg, Vorstandsmitglied der
Kunstgemeinde, Bereitschaftsführer des DRK in Plettenberg-
Eiringhausen. Auch für die Kammerarbeit stellt er seine reichen
Erfahrungen dem Verkehrsausschuss zur Verfügung.
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