Quelle: ST vom Mai 1949

Das Elektrizitätswerk Siesel im Abbruch
Das Lennewerk nicht mehr zu retten? - Bedauerliches Ende einer rund 50-jährigen Entwicklung
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit: Während am Siesel ein Wasserwerk neu entsteht, wird das Dampfkraftwerk abgebrochen

Plettenberg-Siesel. Weit sichtbar ragt der fast 90 Meter hohe Schornstein des Elektr.-Kraftwerkes Siesel ins Land, dort in der Lenneschleife unterm Schwarzenberg an einer der so besonders romantischen Stellen des Lennetales. Aber er raucht nicht mehr - und wird auch nicht mehr rauchen; es wird abgebrochen auf dem Siesel.


Das Kraftwerk des Kommunalen Elektrizitätswerkes "Mark" in Siesel. (Archiv: Hassel)

Das begann schon 1933, als das Peroxydwerk trotz heftiger Gegenbemühungen aus betriebwirtschaftlichen Gründen aufgegeben und nach Hönningen a/Rhein verlegt wurde. Das Werk wurde abgebrochen. Damals verlor Elektro-Mark einen seiner größten Konsumenten, der stündlich bei 3000 kw verbraucht hatte. (Zum Vergleich: das Plettenberger Stadtgebiet benötigt stündlich etwa 5000 kw) Damals wurden die Abbruchziegel von den Kleinsiedlern abgeholt und verbaut, und so ist es heute wieder. Diesmal aber ist der Abbruch eine unmittelbare Folge von Kriegszerstörung.

Es war am Morgen des 19. März 1945, kurz vor Kriegsende. Bis dahin war es gut gegangen, wie überhaupt die großen Werke des Komm.-Elektr.-Werkes "Mark" durch Bombenangriffe nicht in Mitleidenschaft gezogn worden waren. An jenem Schicksalsmorgen kreisten wieder einmal feindliche Flieger. Das WerK Siesel wäre vielleicht auch diesesmal ungeschoren geblieben, aber da war ein Zug auf der Strecke, der den Tunnel in Richtung Eiringhausen bereits passiert hatte, dann aber zurücksetzte in den Sieseler Tunnel, um dort sicher zu sein. Dieser Umstand, dass ein von Fliegern sicherlich bereits ausgemachter Eisenbahnzug plötzlich verschwunden war, machte die Flieger wohl besonders aufmerksam. Nun hatte der Güterzug in dem nur 95 Meter langen Sieseler Tunnel keine volle Deckung gefunden. Es langte nicht ganz. Am Kraftwerk Siesel, das bekanntlich unmittelbar am Tunnelausgang nach Süden liegt, sah der "Schwanz" des Zuges heraus und am anderen Ende gegen Leinschede zu die Lok.

Die feindlichen Flieger griffen an und nahmen sich die Zugenden beiderseits zum Ziel. Sie schossen die Lokomotive leck und strichen die Schlußwagen mit Bordwaffen ab. Dann, einmal im Zuge, warfen sie 12 Bomben, vielleicht waren Zug und Tunnel gemeint, jedenfalls bekam das Kraftwerk dabei einige Treffer ab, und die gegenüberliegende Gastwirtschaft und das Haus Schröder wurden beschädigt. Zwei Bomben gingen im Umspannwerk nieder, wo allerdings nur Kabelschaden entstand, aber immerhin die Stromführung unterbrochen wurde. Zwei Bomben trafen das Dampfkraftwerk, die eine war ein Ausbläser, die andere aber versetzte die Fundamente der Dampfturbinen und brach die Säulen der Halle, wodurch die Anlage betriebsunfähig wurde. Menschen kamen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden. Aber der materielle Schaden war groß.

Dennoch ist überlegt worden, ob die Anlage nicht erhalten werden könne. Die Wasserkraftmaschinen selbst waren nicht beschädigt. Durch einen Bombentrichter war jedoch die Kühlwasserleitung derart angeschlagen, dass Lennewasser ins Wassermaschinenhaus eindrang, so dass die Anlage ersoff. Die notwendigen Arbeiten mussten in jenen Tagen aus erklärlichen Gründen unterbleiben - wenngleich der Betriebsleiter, Herr Kolter, mit seinen Leuten nach Kräften versuchte, zu retten, was zu retten war.

In Folge der eingetretenen Schäden bestand bei einer Wiederinbetriebnahme Gefahr für die Sicherheit des Betriebes. So kam man zu dem Beschluss, den Betrieb am Siesel auf das Umspannwerk und den erhalten gebliebenen Teil der Wasserkraftanlage - die neuer Anlage - einzuschränken, zumal die die Wasserkraft liefernde Lenne nur in den Wintermonaten von Oktober bis allenfalls Januar ausreichend Wasser für die bisherige Gesamtanlage liefern konnte.

Im ganzen gesehen war das Sieseler Lennewerk, in dem einmal die ersten modernen Dampfturbinen der Elektromark überhaupt aufgestellt wurden, technisch nicht so fortentwickelt und modernisiert worden, dass daraus für die Weiterführung schwerwiegende Gründe hätten geltend gemacht werden können. Die Zerstörung der Ufermauern unterhalb des Werkes ist im übrigen keine Kriegsfolge, sie ist vielmehr durch verschiedene schwere Hochwasser herbeigeführt worden. Die Betonmauer wird dort jetzt wieder instandgesetzt und dabei das Lennetal geräumt.

Der Abbau unseres Lennewerkes begann also. Die noch intakten Einrichtungen wurden ausgebaut. Die Kessel wanderten zu Seifenfabriken und Zechen nach Bayern. Die völlig zerstörten Gebäudeteile wurden abgeräumt und das Material verkauft. Erhalten geblieben sind das Fundament des Dampfmaschinenhauses bis zur Fensterhöhe, das Kesselhaus, Pumpenhaus und das Bürogebäude. Außerdem der Schornstein, der nun endgültig "ohne Arbeit" ist. Umwerfen kann man ihn nicht, wegen der naheliegenden Umspannstation und der Reichsbahn. Ein Abbau von oben aber ist zu kostspielig. So wird er halt stehen bleiben als Wahrzeichen einer vergangenen Zeit. Was aber wird mit den an sich noch verwendbaren Gebäuden, mit der hohen, so schmucken Halle? Man hat von Verhandlungen gehört mit Industriewerken. Aber die Verwendbarkeit ist schwierig und vielleicht spielen Steuerlast und etwaige Belastung aus dem Lastenausgleich ihre Rolle. So bleibt die Frage der Verwendung offen.

Die Tradition des Werkes wird weitergeführt durch das Umspannwerk, das den 5000 Volt-Strom nach Finnentrop (Mannesmann) weiterleitet und den Strom für die Plettenberger Industrie auf 10.000 Volt transformiert. Diese Anlage wird in Zukunft modernisiert werden. Das noch bestehen bleibende neue Wasserkraftwerk mit drei Turbinen erzeugt etwa 1600 bis 18000 kw stündlich. Seine Kapazität reicht eben hin, um beispielsweise den Nachtstrom für Plettenberg sicher zu stellen. Das fortan in Wegfall kommende zerstörte Dampfkraftwerk hatte mit den übrigen Betriebsanlagen als Spitzenkraftwerk mit 5-6.000 kw die Aufgabe, bei Höchstanforderungen zusätzlich auszugleichen. Die beschränkte Leistungsfähigkeit der zwei Dampfturbinen mit einer Leistung bis zu 6.000 kw, zeigt ein Vergleich mit dem weit leistungsfähigeren Schwesternwerk Elverlingsen, wo eine einzige Dampfturbine es auf eine Leistung von 25.000 kw bringt. Mit dem Abbau des Lennewerkes kommt eine Stromerzeugungsanlage an dieser Stelle teilweise zum Erliegen, deren erste Anfänge auf die 1890er Jahre zurückgehen. Damals (1896) errichtete die Firma Brüninghaus, Werdohl, hier die erste Anlage, die dann 1914/15 vom Kom.-Elektr.-Werk "Mark" übernommen wurde. Die Lenne wurde bereits beim Bau der Eisenbahnstrecke verlegt. Sie erhielt ein ganz neues Bett. Das alte, bis an die Reichsstraße an der Wibbecke herantretende Urflußbett, die Altlenne, führt heute mit dem angrenzenden botanisch interessanten Waldgelände am Stessel das beschauliche Dasein eines Naturschutzgebietes (so weit es die Straßenverwaltung nich nach und nach zuschüttet!). Das durch ein riesiges Walzenwehr gestaute Flußwasser wird von den Turbinen im übrigen in einen unterirdischen Untergraben abgegeben, der, dem Tunnel folgend, an der Eisenbahnbrücke gegenüber dem Sohn in die Lenne einmündet.

Die einstige Kapazität des Werkes war bestimmt durch die Leistung der schwer getroffenen Dampfkraftanlage, die beispielsweise 1943 bei 7,5 Millionen kw erzeugte, während die alten, ebenfalls beschädigten Wasserkraftanlage mit rund 500.000 kw im gleichen Jahre weiter dahinter zurück blieb. Die neue und erhalten gebliebene Wasserkraftanlage konnte es in dem allerdings wasserreichen Jahr 1948 auf rd. 6.300.000 kw bringen. Der Ausfall dieses Betriebes bzw. seine Verringerung stellt im Grunde - so bedauerlich in verschiedener Hinsicht diese Einschränkung für unsere Stadtgemeinde ist - nur eine Verlagerung dar. Das Werk Elverlingsen wird bekanntlich um so moderner und größer ausgebaut. Auch in menschlicher Hinsicht sind die Auswirkungen erfreulicher Weise nich tiefgreifend. Von den früher in Siesel beschäftigten 30-35 Angestellten und Arbeitern werden wohl künftig nur ca. 15 Mann beschäftigt sein. Aber manche sind inzwischen pensioniert, und die übrigen werden bei der Betriebsabteilung Eiringhausen beschäftigt. Die schön gelegene Werkssiedlung auf der Höhe des Bergvorstoßes in der Lenneschleife liegt ja auch nicht all zu weit von den nahen Arbeitsplätzen in Eiringhausen. So ist auch in dieser Hinsicht kein Problem entstanden. Aber immerhin bleibt die als unmittelbare Kriegsfolge eintretende Betriebseinschränkung örtlich ein gewisser Rückschlag, der natürlich das örtliche Leben am Siesel in Mitleidenschaft ziehen muss.


Quelle: WR Plettenberg vom 30.03.2005

Vor 60 Jahren: Bomben auf das Kraftwerk


Das Kraftwerk Siesel vor dem Bombenangriff vom 19. März 1945. (WR-Repro)

Von Horst Hassel

Plettenberg. Es war am Morgen des 19. März 1945, kurz vor Kriegsende. An jenem Schicksalsmorgen kreisten wieder einmal feindliche Flieger über dem Siesel. Dort war ein Zug auf der Strecke, der den Sieseler Tunnel in Richtung Eiringhausen bereits passiert hatte, dann aber zurücksetzte und im Tunnel Schutz suchte.

Der folgende Luftangriff aber besiegelte nicht das Ende des Zuges, sondern das des Dampfkraftwerkes der Elektromark in Siesel. Der Umstand, dass ein bereits entdeckter Eisenbahnzug plötzlich verschwunden war, machte die Flieger wohl besonders aufmerksam. Nun hatte der Güterzug in dem nur 95 Meter langen Sieseler Tunnel keine volle Deckung gefunden. Es langte nicht ganz. Am Kraftwerk Siesel, das bekanntlich unmittelbar am Tunnelausgang nach Süden liegt, sah das Ende des Zuges heraus und auf der anderen Seite die Lok.

Die feindlichen Flieger griffen an und nahmen die beiden Zugenden ins Visier. Sie schossen die Lokomotive leck und strichen die Schlußwagen mit Bordwaffen ab. Dann warfen sie 12 Bomben, vielleicht waren Zug und Tunnel gemeint, jedenfalls bekam das Kraftwerk dabei einige Treffer ab, und die gegenüberliegende Gastwirtschaft und das Haus Schröder wurden beschädigt.Zwei Bomben gingen im Umspannwerk nieder, wo allerdings nur Kabelschaden entstand, aber immerhin die Stromführung unterbrochen wurde. Zwei Bomben trafen das Dampfkraftwerk, die eine war ein "Ausbläser", die andere aber versetzte die Fundamente der Dampfturbinen und brach die Säulen der Halle, wodurch die Anlage betriebsunfähig wurde. Menschen kamen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden. Aber der Schaden war groß. Die Wasserkraftmaschinen selbst waren nicht beschädigt. Durch einen Bombentrichter war jedoch die Kühlwasserleitung derart angeschlagen, dass Lennewasser ins Wassermaschinenhaus eindrang, so dass die Anlage absoff. Die Arbeiten mussten in jenen Tagen aus erklärlichen Gründen unterbleiben - wenngleich der Betriebsleiter, Herr Kolter, mit seinen Leuten nach Kräften versuchte, zu retten, was zu retten war.

Die Beschädigungen am Kraftwerk waren so stark, dass 1947/48 der Abbruch erfolgte. Die noch intakten Einrichtungen wurden ausgebaut. Die Kessel wanderten zu Seifenfabriken und Zechen nach Bayern. Die völlig zerstörten Gebäudeteile wurden abgeräumt und das Material verkauft. Erhalten geblieben sind das Fundament des Dampfmaschinenhauses bis zur Fensterhöhe, das Kesselhaus, Pumpenhaus und das Bürogebäude.

Das Kraftwerk war in den letzten zehn Jahren vor seiner Zerstörung technisch nicht modernisiert worden. Der Niedergang begann schon 1933, als das Peroxydwerk in Siesel trotz heftiger Gegenbemühungen aus betriebwirtschaftlichen Gründen aufgegeben und nach Hönningen am Rhein verlegt wurde. Das Werk wurde abgebrochen. Damals verlor Elektro-Mark einen seiner größten Konsumenten, der stündlich bei 3000 kW verbraucht hatte. Zum Vergleich: das Plettenberger Stadtgebiet benötigt stündlich etwa 5000 kW. Damals wurden die Abbruchziegel des Peroxydwerkes von den Kleinsiedlern abgeholt und verbaut, und so war es auch beim Abbruch des Dampfkraftwerkes.


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