Quelle: Süderländer Tageblatt vom 11.09.2008

Das ist zur Rarität geworden:
Ein Supermarkt auf Rädern

Die Zeit ist stehengeblieben in Dattingers Milch-Express: Hier werden Kunden noch profund bedient. Discounter machen Plettenberger das Leben schwer

HERSCHEID Lächelnd betreten Jan und Max den Wagen. Die letzte Schulstunde der beiden Elf-Jährigen ist ausgefallen, daher haben sie es noch rechtzeitig geschafft. Zielstrebig peilen sie das Naschwerk-Regal an, greifen eine Tüte Chips heraus und tragen diese voller Vorfreude zum Thresen. Dort wartet bereits Alfred Dattinger auf das Duo, kassiert und verabschiedet die beiden mit den Worten: "Dann lasst es Euch schmecken, Jungs!" Das werden Jan und Max ganz bestimmt – und wenn es nächste Woche zeitlich klappt, dann schauen sie wieder in Dattingers Milch-Express vorbei.

Einmal in der Woche, immer mittwochs, dreht der 63-Jährige seine Runden durch Hüinghausen – in seinem Supermarkt auf Rädern. Brot, Nudeln, Wurst- und Käsewaren, Kaffee, Naschzeug und vieles mehr bietet er in seinem Mercedes an. "Insgesamt sind es über 2 000 Artikel", erklärt Dattinger nicht ganz ohne Stolz. Denn damit habe er ein größeres Sortiment als Aldi oder Lidl. Und dennoch machen ihm die Discounter das (Über-) Leben schwer. Der Preiskampf der großen Anbieter werde auf Kosten der Kleinen ausgetragen.

Rollende Supermärkte, wie der von Alfred Dattinger, sind zu echten Raritäten geworden. Verkaufswagen mit einem vergleichbarem Vollsortiment findet man heutzutage nur noch vereinzelt in der Eifel und in Niedersachsen, aber "es werden immer weniger", bedauert der Plettenberger. Seit 1970 und somit schon 38 Jahre ist Dattinger mit seinem Milch-Express unterwegs.

Zunächst belieferte er nur Kunden und Firmen in der Nachbarstadt. Seit fünf Jahren kommt er nun auch nach Hüinghausen – und hier gefällt es ihm gut. Kein Wunder, ist die Zahl der Stammkunden doch groß. Insgesamt 17 Haltepunkte werden angesteuert und überall herrscht große Freude, wenn Dattinger zum Einkauf hupt. Denn hier wird man nicht im Sekundentakt abgespeist von Mitarbeiter XY. Nein, hier ist es der Alfred, der bedient, und das mit Muße und Fachwissen. Information und Beratung liegen ihm am Herzen. Dass dies nicht in einer Minute geschehen kann, liegt auf der Hand.

Doch in Dattingers Wagen ist die Zeit zum Glück stehengeblieben, hier gibt es keine Eile. Für einen Plausch ist der "Milch-Mann" immer zu haben – daher ist er bei der Kundschaft so beliebt. Wer möchte, dem liefert "der Alfred" bestellte Lebensmittel-Pakete bis an die Haustür; dieser Service ist gratis und völlig selbstverständlich für ihn. Denn auf eines legt er besonderen Wert: "Bei mir wird noch ganz menschlich eingekauft." dg


Kunden, die nicht mobil sind und schlecht ins Dorf gelangen, nehmen Alfred Dattingers Service gerne in Anspruch: Er bringt die bestellten Einkäufe aus seinem Milch-Express direkt bis an die Haustür. Foto: D. Grein


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