Quelle: WR Plettenberg vom 28.06.2006

Automobile haben an der
Bahnhofstraße Tradition


Plettenberg. Das Juni-Kalenderblatt des Stadtwerke-Kalenders 2006 zeigt das Geschäft "Automobile - Motorräder Automobilzubehör Herbert Boecker" an der Bahnhofstraße. Heute ist es das Wohnhaus der Familie Kniewel. Zu diesem Foto kann der Eiringhauser Günter Niggeloh einiges erzählen:

Die Aufnahme entstand etwa zum Ende der "Goldenen Zwanziger" des vorigen Jahrhunderts, denn die Nummernschilder auf den (damals so vorgeschrieben) vorderen Schutzblechen der Motorräder besaßen noch dreistellige Nummern. Ich selbst war um 1932 als Kind in einen glimpflichen verlaufenen Unfall mit einem Motorrad auf der Provinzialstraße (heute B 236) in Eiringhausen verwickelt. Das Motorrad trug schon die Nummer IX - 1312, also vierstellig (IX = Westfalen, IY Rheinland).

Die Motorräder besaßen Vorderrad-Federung, nur Sattel und Fußrasten für den Fahrer, an der Lenkstange Kupplung und Handbremse, eine Hupe - betätigt mit einem großen Gummiball, am Hinterrad die Möglichkeit zum Aufbocken des Krades. Auf Wunsch gab es einen elektrischen Scheinwerfer und ein Rücklicht, keine Handbremse, die handbediente Gangschaltung war seitlich am Tank angebracht. Richtungsänderungen wurden, wenn überhaupt, mit ausgestrecktem Arm angezeigt.

Mit Schirmmütze, Motorradhaube, Motorradbrille und Ledergamaschen
Die Motoren wurden damals schon mit Mobiloel der Marke "Gargoyle" mit einem undefinierbaren Drachen im Firmenschild betrieben. Das Öl gab es auch bei Midderhoff & Abt. Am linken Bildrand ist die Benzinmarke SHELL vertreten. Dahinter erkennt man, dass die Werkstatt auch landwirtschaftliche Geräte reparieren konnte. In der großen Werkstatteinfahrt ist ein für die damalige Zeit nobler Pkw zu erkennen, denn auf der Kühlerhaube reitet eine Gallionsfigur wie auf einem Segelschiff, darunter ist die Einfüllöffnung für das Kühlwasser.

Chrom-/Alufelgen waren noch nicht erfunden. Luftbereite Speichenräder erfüllten jeden Wunsch. Gefahren wurde wohl mit Schirmmütze, mit Motorradhaube und -Brille sowie Wickel- oder Ledergamaschen. An zwei Motorrädern ist ein rautenförmiges Firmenschild, mit dem ältere Leser vielleicht etwas anfangen können. Bekannte Marken waren damals "Brennabor", "Horex" oder "Tornax". In der Bildmitte, mit heller Schirmmütze, vielleicht Herbert Boecker persönlich, im Obergeschoss, am offenen Fenster, vielleicht Vater Boecker, in der Haustür stehend sein Meister und ganz hinten links sein Geselle.
Bevor der Anstreicher Kniewel dieses Gebäude erwarb, existierte im Hinterhaus schon längere Zeit die Nagelfabrik Bender. Links vom Haus befand sich in meinen Jugendjahren bis zum benachbarten Gasthof Schulte "am Kamp" Gartenland.

Strorttebirnen von der Kleinbahn stets plattgewalzt
Eine Schießsportgruppe hatte im ehemalien Haus Boecker ihr Domizil. Der Standort des Fotografen war wohl die andere Straßenseite, wo fahrplanmäßig der Plettenberger Kleinbahn auf gleicher Ebene wie die Pkw verkehrte. Die "Bimmel" fuhr dicht an einer Hauswand und einer Hecke vorbei, hinter der ein "Hähenbirnbaum" (Strorttebirne) seine reifen Früchte - zu unserem Leidwesen - immer auf den Gleiskörper warf, wo sie zerplatzten.


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