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Stadt und Amt Plettenberg (1914)
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Ein Führer durch Stadt und Amt Plettenberg für Einheimische und Fremde

Herausgegeben unter Mitwirkung von Stadt und Amt durch den Sauerländischen Gebirgsverein Abt. Plettenberg
(Preis 50 Pfg. - 109 Seiten)
zusammengestellt von Ernst Weimann

Titelblatt

Die Geschichte der Stadt Plettenberg reicht bis in das 11. Jahrhundert zurück. Ursprünglich nach dem Flüßchen Else "Heslipho" genannt, wird dieser Ort schon im Jahre 1072 unter denjenigen Kirchdörfern aufgeführt, die dem damals neugegründeten Kloster Grafschaft tributpflichtig waren.
Diese Abgabepflicht wurde 1120 durch den Erzbischof Friedrich I. von Köln auch für die "ecclesia Heslipho" bestätigt.
Von ihrer Lage in der durch die Vereinigung der drei Täler gebildeten halbkreisförmigen Ebene "platt an der Bracht" leitete Dietrich von Steinen in seiner "Westfälischen Geschichte", Lemgo 1755, den Namen "Plettenberg" her.

Wahrscheinlich weist derselbe auf den Einfluß der in der Kindheit des Ortes schon blühenden Ritterfamilie "Die von Plettenberg" hin, und man nimmt an, daß an der Bracht das ehemalige Stammhaus dieses bekannten Geschlechts gestanden habe, bis dieses seinen Burgsitz in das Dorf gelegt, wobei der ursprüngliche Name "Heslipho" durch den jetzigen verdrängt wurde.

In alten Urkunden kommen als Ortsbezeichnungen auch die Namen Plettonbraht, Plettenbrech, Plattenbracht, Plettenbracht, Plettenborgh, Plettenborch und Plettmert vor. Mit letzterem Namen wird ja auch wohl heute noch unser Ort von der Bevölkerung des Sauerlandes in der plattdeutschen Mundart durchweg bezeichnet.

Seit dem 14. Jahrhundert gehört der Ort, der eine Zeit lang auch nach Werden abgabepflichtig gewesen zu sein scheint, zu den märkischen Besitzungen; denn im Jahre 1350 hat Gert von Plettenberg "Dorp undt Luide to Plettenbrecht" dem Grafen Engelbert III. von der Mark abgetreten. Der spätere Stammsitz der Ritter von Plettenberg, des von Rütger von Altena, dem Drosten des Grafen Eberhard II. von Altena 1301 auf dem Schwarzenberge erbaute Schloß, kam im Jahre 1669 in den Besitz der Familie, als der Große Kurfürst den Schloßbesitz an Christoph von Plettenberg verkaufte und dabei verfügte, daß das Burghaus, der starke Bergfried und der Roßstall Burglehen bleiben sollten. Leider wurde das Schloß im Jahre 1864 bei einem Gewitter durch den Blitz zerstört und steht seit dieser Zeit als Ruine auf sagenumkränzter Höhe: das Ziel der Touristen.

Bis in das 14. Jahrhundert war das Dorf Plettenberg Eigentum der Ritter. Diese Familie hat bekanntlich eine Reihe tüchtiger Mäner hervorgebracht. Der bekannteste davon ist Walter von Plettenberg, welcher 1464 Heermeister des deutschen Ritterordens in Livland wurde und hier 1502 mit 7000 Ordensrittern und 5000 Liven 130 000 Russen in gewaltiger Feldschlacht vernichtet haben soll. Im Schlosse Nordkirchen im Münsterlande werden noch heute Stab und Sporen des vielgefeierten tapferen Heermeisters gezeigt, der 1535 starb und den der kunstsinnige Bayernkönig Ludwig I. unter "Die rühmlichst ausgezeichneten Teutschen" rechnet, die würdig sind, daß ihre Brustbilder in dem Ruhmestempel der Walhalla aufgestellt wurden.

So verkündet also die Bildsäule dieses gewaltigen Helden, 1832 von Meister Ludwig Schwanthaler geschaffen, seit dieser Zeit den Ruhm Plettenbergs in fernem Lande. 1813 starb der letzte dieser Familie.
Graf Engelbert III. von der Mark erteilte im Jahre 1387 dem Dorfe Plettenberg das Recht, "Bauen und Zaunen innerhalb und außerhalb des Ortes, welches Straßen und Plätze schädigen möchte, selbst zu strafen." Ebenso erhielt das Dorf Plettenberg in demselben Jahr das Recht, für die dazu gehörigen Waldungen "in der Wiehmert", dem "Kropp", dem "Saley", dem "Kirchlöh", dem "Hestenberg" und der "Sundhelle" einen eigenen Holzrichter einzusetzen. In jener Zeit hat es also hierorts schon ein geordnetes inneres Regiment gegeben.

Kobbenrod
Der Kobbenrod - überbauter Verbindungsweg zwischen Wilhelmstraße und Kirchstraße. Das Gebäude rechts war eine der ältesten Gaststätten im Stadtgebiet: Bettermann

1397 wurde Plettenberg durch den Grafen Dietrich von der Mark zur Stadt erhoben. Ihr Wappen ist seit dieser Zeit "ein Wappenschild zwischen zwei Türmen, geziert mit 4 Querbalken und 22 Feldern, welche mit den märkischen Farben Rot und Silber abwechseln, und über demselben die märkische Grafenkrone". Diesem Wappen entsprechen auch die ältesten wie neuesten Siegel.

Drei Jahr- und Wochenmärkte waren der Stadt zugestanden. Auch sollte "in der Stadtgerechtigkeit des Totschlägers Gut halb dem Fisco, halb den nähesten Anverwandten verfallen sein".
Wegen ihrer Lage auf der Grenze zwischen der Grafschaft Mark und dem ehemaligen Herzogtum Westfalen wurde die Stadt als Grenzfestung oft in Kämpfe verwickelt. Auf die früheren Festungswerke deuten heute nur noch die Namen hin: "in den Müern", "am Graben", "auf dem Wall", "auf dem Damm", "am Offenborn" usw..

Neben der Mühle - am Umlauf - erhob sich die Burg der Plettenberger. Diese blieb auch noch ihr Eigentum, als ihre übrigen Güter schon in den Besitz des Grafen von der Mark gelangt waren. Zu ihr gehörte als Burgmannshaus auch das freiadelige Cobbenroth, das, hinter der jetzigen Villa W. Seißenschmidt gelegen, als Zeuge aus alter Zeit erst in unseren Tagen abgerissen wurde. Die Ringmauer der Stadt ist mit 7 Türmen versehen gewesen, von denen einer, der Gefängnisturm, und die beiden im Süden und Norden gelegenen Tore im Jahre 1755 noch vorhanden waren.

Da bei einem Brande seit alters her das aus der Oester stammende Wasser durch den 'Mühlengraben' "fast durch die Stadt geleitet werden kann, so hatte ehemals jeder Bürger einen Ledereimer, 3 bis 4 zusammen hatten eine Handspritze, Leitern und Haken; auf dem Rathause befanden sich 45 Ledereimer und auf dem Markte 8 Leitern und einige Haken".

In den Jahren 1599, 1626 und 1636 raffte die Pest einen großen Teil der Einwohner hinweg. Am 27. und 28. Dezember 1632 wurde die Stadt von den Schweden ausgeplündert, ebenso 1672 und 1679 durch die Franzosen. 1729, 1739 und 1740 und am 11. und 12. Juli 1813 richteten große Wasserfluten, verbunden mit wolkenbruchartigem Regen bedeutenden Schaden an. Die "Allgemeinen Politischen Nachrichten", Essen, Donnerstag, den 22. Juli 1813, berichteten, daß Oester und Grüne, die sonst nur 6 bis 10 Fuß Breite und 2 Fuß Tiefe hatten, am 11. JUli 1813 plötzlich so anschwollen, daß sie 40 Fuß breit und 6 Fuß tief waren. "Ihr gewöhnliches Bett ward bald mit Steinen, Sand und Holz so verschüttet, daß sich der furchtbare Strom zwei neue Wege grub.
Einer derselben kam gerade auf die Stadt los, überschwemmte alle Gärten und Wiesen und setzte alle Straßen 4 Fuß tief unter Wasser. Die Bewohner mußten sich in die oberen Stockwerke flüchten. Auf den Weiden ersoff viel Vieh. Einzelne Reidemeister verloren an ihren Hämmern 8 bis 9000 Taler. Die Landemerter, Eiringhauser und Paseler Bauerschaften haben ebenfalls schrecklich gelitten".

Am 12. April 1725 erlitt die Stadt einen totalen Brandschaden, bei dem von 118 vorhandenen Häusern nur 6 verschont blieben. Mehrere Kinder und die Gattin des gerade abwesenden Bürgermeisters kamen in den Flammen um; auch das Rathaus, die Tore der Stadt, Teile der Pfarrkirche und dgl. fielen dem furchtbaren Brande, der hinter dem Marktplatze, nicht weit von dem "Gasthause zur Sonne" seinen Anfang nahm, zum Opfer.
Die Stadt hatte im Jahre 1719: 749 Einwohner und 113 Häuser, von denen 6 mit Ziegeln, 5 mit Schiefer und die übrigen mit Brettern und Stroh bedeckt waren; 1765: 933; 1798: 1.169; 1805: 1.295 Einwohner in 221 Häusern; 1849: 1.650; 1867: 1.994; 1879: 2.680 Bewohner und 364 Häuser; 1895: 4.134; 1905: 5.366 Einwohner. Jetzt (1914) hat sie 6.559 Einwohner und 631 Wohnhäuser und 218 andere Gebäude. Von ihren Bewohnern sind 5.201 evangelisch, 1.305 katholisch, 43 mosaisch und 10 andere Christen.

Die Landgemeinde Plettenberg zählt 6.504 Einwohner, von denen 5.296 evangelisch, 1.114 katholisch, 16 mosaisch und 78 andere Christen sind. Von den 1.021 Eingesessenen der Gemeinde Ohle sind 851 evangelisch, 170 katholisch.

Unter dem Namen Heslipho war Plettenberg schon 1072 eine Kirchengemeinde. 1345 wurde die Pfarrkirche, von je her der Stolz der Stadt, von dem Grafen Engelbert von der Mark erbaut. Die Inschrift auf der großen Glocke: "Dey grote Lambertus is unse Patron; dey helpet uns in des Himmels Thron!" weist auf den Schutzheiligen des Gotteshauses hin.


Die Kapelle "auf dem Boel" wurde 1422 durch Gerhart Mummert, ein Presbyter des Kölner Erzstiftes, mit Genehmigung des Erzbischofs Dietrich II. gegründet und hieß ursprünglich St. Nicolai Beneficium oder auch Capella corporis Dominici. Mit ihr war ehemals ein Asyl für Obdachlose Bürger und für arme durchreisende Fremde verbunden. Nachdem sie schon 1696 renoviert worden war, wurde sie in neuester Zeit nach den Plänen des Kirchbaumeisters Baurat Hoffmann in Herborn aufs schönste ausgebaut.

Ums Jahr 1580 trat die Gemeinde zur Reformation über. Die ersten Pfarrer, die hierorts nach Luthers Weise das Evangelium verkündeten, waren der Vikar Johann Stödter, ein geborener Plettenberger, und der Pfarrer Hermann Dübbe. 1657 bildete sich auch eine reformierte Gemeinde calvinistischer Richtung mit Wilhelm Hornberg als erstem Pastor. Die lutherische Gemeinde, welche bis zur Vereinigung im Juni 1851 die größere blieb, hatte 2 Geistliche, bis 1809 Pfarrer Schlieper die Verwaltung der Gemeinde allein übernahm. Lange Jahre hindurch wirkte als lutherischer Pfarrer in großem Segen Pastor Schirmer, weiland Superintendent und Kreisschulinspektor.

Außer der Böler Kapelle gehörten auch noch die St. Johanneskapelle in Eiringhausen, woselbst seit 5 Jahren eine eigene evangelische Pfarre errichtet ist, deren schmuckes Gotteshaus am 18. Januar 1914 eingeweiht wurde, die St. Jacobskapelle zu Böddinghausen, die St. Katharinakapelle zu Himmelmert, die St. Barbarakapelle zu Holthausen, die St. Andreaskapelle zu Sonneborn, die St. Antonskapelle zu Landemert, die Schloßkapelle auf dem Schwarzenberg und die Kapellen zu Köbbinghausen und Pasel zur Plettenberger Stadtkirche. Von diesen Gotteshäusern ist heute kaum noch etwas erhalten, aber die genannten Ortschaften mit Ausnahme von Eiringhausen zählen noch heute zur evangelischen Kirchengemeinde Plettenberg, in der zur zeit 3 Pfarrer amtieren.

Das alte katholische Gotteshaus stand in der Nähe des jetzigen, der Haupteingang war von der Wilhelmstraße. Dieses Gebäude war als städtisches Rathaus im Jahre 1743 neu erbaut worden. Der Bischof von Paderborn kaufte dasselbe 1828, als es sich zu klein erwies, um auch das "Land- und Stadtgericht" aufzunehmen, damit es fortan den sich durch Zuzug sehr vermehrenden katholischen Mitbürgern den zur Abhaltung der Andacht erforderlichen Raum abgab. Im August 1839 wurde das Gebäude als Kirche eingeweiht. Der erste katholische Geistliche hierorts war der Missionar J. P. Hachez aus Bremen.


Zum Autor: Weimann, Ernst; *21.02.1870 Iserlohn †01.01.1937 Plettenberg; wohnte Kirchlöhstr. 3; evang., Lehrer, Rektor, Stadtverordneter (1906-1911), Heimatforscher, zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. das SGV-Buch »Stadt und Amt Plettenberg« (1914); Verfasser der Kriegschronik 1914-1918 (Stadtarchiv); Monographie Westf. Städte (1927)

Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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