Die Geschichte des Dorfes Pasel

von Wilhelm Krankenhagen, im Mai 1984
(Schreibmaschinen-Manuskript - 112. S. u. Anhang - im Privatarchiv H. Hassel)


Stadtgeschichtsband von 1962

V O R W O R T

Die Chronik eines Dorfes wie auch jede andere kann im Grunde immer nur ein Stückwerk sein. Zum einen ist die chronologische Abfolge in starkem Maße abhängig von den zeit- und heimatgeschichtlichen Quellen und Unterlagen, die dem Verfasser zur Verfügung stehen. Zum andern ist die Betrachtungsweise über die Bedeutung einer Urkunde häufig sehr stark in das Ermessen des einzelnen gestellt, so daß von daher schon kaum eine objektive Darstellung gewährleistet sein kann.

Es ergibt sich ohnehin die Frage, ob überhaupt eine Chronik den Anspruch auf Objektivität erheben kann. Von alten Chroniken wissen wir, daß sie häufig nur die jeweilige zeitgenössische Auffassung jener Tage widerspiegeln, in denen sie verfaßt worden sind.

Deshalb sollte man auch diesem Versuch gegenüber keine anderen Ansprüche stellen. Im Grunde genommen wollte ich nur mit Fragmenten deutlich machen, daß es sich lohnt, der Vergangenheit nachzuspüren. Wenn wir dann die Zeitverhältnisse aus früheren Epochen in Beziehung setzen zu unserer Zeit, vermögen wir ermessen, in wie gewaltigem Ausmaß wir uns fortentwickelt haben. Ob dies immer ein Fortschritt zum Wohle des Menschen gewesen ist, mag jeder für sich entscheiden.

Pasel, im Mai 1984                                                                Wilhelm Krankenhagen

Der Heimatboden ist für
uns sterbliche Menschen
eine gebietende, ewige
Gottesmacht.
(Platon)


Aus der Geschichte des Dorfes Pasel

In unmittelbarer Nähe des Ebbegebirges und inmitten bedeutender Höhenzüge und Berge hat das Wasser in Verbindung mit Witterungseinflüssen im Laufe von Jahrtausenden vier herrliche Täler geschaffen. Das größte ist das Lennetal, das durch romantische Naturschönheiten besonders begünstigt ist. Hier liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der geschichtsträchtigen Burgruine Schwarzenberg am Nordufer der Lenne unterhalb des 584 m hohen Heiligenstuhls im Süden und am Fuße des bis zu 542 m ansteigenden Ruthenbergs im Norden das freundliche Dorf Pasel, das auf eine sehr alte Geschichte zurückblicken kann.

Zu der Zeit, als die Römer die Herren des Landes zwischen Rhein und Weser waren, bewohnten die Sigambrer das Gebiet zwischen Ruhr und Sieg. Nachdem Tiberius, der Stiefsohn des Kaisers Augustus, 40.000 dieses Stammes zur Ansiedlung an den Rheinmündungen veranlaßt hatte, sind Teile anderer Stämme in die entvölkerten Bezirke nachgerückt. Am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. hatten die Angrivarier oder Engern ihre Marken südlich fast über den ganzen westfälischen Boden ausgeweitet. Ein Zweig der Angrivarier, die Ampsivarier, soll zu der Zeit an Ebbe, an Lenne und Volme gewohnt haben. Im 4. Jahrhundert drangen aus dem nördlichen Deutschland die Sachsen nach Süden bis in unsere Gegend vor, wo sie einen Teil der früheren Bevölkerung in Hörigkeit oder auch frei wohnen ließen.

Dem Ampsivariern wird die Gründung der Orte zugeschrieben, deren Namen auf "ohl" und "scheid" enden. Demnach sind Pasel, Siesel, Ohle, Leinschede, Selscheid, Herscheid uralte Ortschaften. Pasel hieß ursprünglich Palsole. Die Überlieferung erklärt allerdings diese Bezeichnung damit, daß hier auf dem Ohle viele Salweiden mit Palmkätzchen wuchsen.

Im Gebiet der mittleren Lenne haben schon früh bestimmte Grafenfamilien eine bedeutende Rolle gespielt. Teilweise lag die Ursache hierfür in der im 13. Jahrhundert geschwächen Reichsgewalt. Italien nahm vornehmlich das Interesse der letzten hohenstaufischen Kaiser in Anspruch. Dann folgte die Zeit des Faustrechts. So schwand die Ruhe und Ordnung in den Reichsgebieten immer mehr. Den Kölner Erzbischöfen war 1180 die Herzogswürde von Westfalen übertragen worden. Dadurch gerieten sie in Feindseligkeiten mit den ihnen unterstellten mächtigen Grafen, die auf Kosten der herzoglichen Rechte nach immer größerer Selbständigkeit trachteten. So wurden ihnen insbesonder die Grafen von der Mark immer unbequemer, so daß die Erzbischöfe in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts insbesondere die mächtigen Ritter am Rande der Grafschaft Mark in mancherlei Hinsicht begünstigten, da sie sie als ein natürliches Gegengewicht gegen die märkischen Grafen betrachteten. Im Süden war das hervorragendste und am weitesten verzweigte Grafengeschlecht das derer von Plettenberg. Die Erzbischöfe hatten Glieder dieses Geschlechts mit Gütern oder bedeutenden Ämtern belehnt. Otto und Rudolf von Plettenberg von 1286 Stiftsherren der Abtei Essen, gleichzeitig war Heidenreich von Plettenberg Domherr in Paderborn. Rabodo von Plettenberg war 1231 Hauptstifter des in Soest gegründeten ersten Dominikaner-Klosters. So waren auch nacheinander Marschall in Westfalen 1258 Hunold von Plettenberg, 1266 Heidenreich von Plettenberg und später dessen Sohn Johann von Plettenberg. Dieser führte 1296 eine Fehde mit dem märkischen Drosten Rötger von Altena. In dieser Fehde hatten wohl zahlreiche Bewohner des Kirchspiels Plettenberg unter Raub und Brand zu leiden. Sie haben auch persönlich an den Kämpfen teilnehmen müssen. Es gilt als wahrscheinlich, daß diese Fehde eine der Ursachen dafür ist, daß Rötger von Altena 1301 die Burg Schwarzenberg erbauen ließ.

Trotz aller Anstrengungen gelang es jedoch den Kölner Erzbischöfen nicht völlig, ihr Ansehen zu bewahren.

Neben den kühnen Grafen von der Mark spielten im Bereich der mittleren Lenne, insbesondere im Plettenberger Raum, die Arnsberger Grafen eine besondere Rolle.

Einer aus diesem Geschlecht, Graf Gottfried II., nahm 1217 an einem Kreuzzug des ungarischen Königs Andreas teil. Es gilt als erwiesen, daß in der Umgebung des Grafen bei diesem Kreuzzug zahlreiche Bewohner aus den Gemeinden Plettenberg und Ohle beteiligt waren. Dafür spricht, daß zu den verschiedensten Zeiten des 13. Jahrhunderts Vertreter zweier adliger Geschlechter aus diesen beiden Gemeinden in der Umgebung der Arnsberger Grafen Gottfried II. (1185-1235) und Gottfried III. (1235-1285) zu finden sind. Wilhelmus de Ole erscheint oft in der Zeit von 1212-1268, und in den Jahren 1259 und 1263 wird auch Hermannus de Ole aufgeführt. Daneben tritt ein Geschlecht de Bruchusen auf, das auch dem Plettenberger Raum zugeschrieben wird.

Im frühen Mittelalter ist aus Pasel eine Familie ausgewandert, die sich nach ihrem früheren Wohnsitze "de Palsole" nannte und in Soest höchstes Ansehen genossen hat; denn 1286 war "Albertus de Palsole senior magister consulum Susatiensum", also Bürgermeister der damals größten und bedeutendsten Stadt Westfalens. Nach ihm war es Albertus de Palsole junior, dessen Name in Urkunden nach 1292 oft vorkommt. In Soest lebten zu der Zeit mehrere des Geschlechts de Palsole.
1298 ist außer "Albertus de Palsole de magister consulum opidi Susatiensum" noch ein "proconsul (Ratsherr) Albertus de Palsole" angegeben. 1279 sind Albertus und Otbertus de Palsole als Brüder bezeichnet, 1293 ist Henrich de Palsole erwähnt. 1281 hatte ein Otbertus de Palsole von dem Grafen Ludwig von Arnsberg 10 Morgen Grundbesitz in Pasel zu Lehen. Später wohnten Gebrüder von Palsole in Pasel; 1330 bekannten sie, daß sie den von ihnen bewohnten Hof von Kloster Oelinghausen nur in Pacht hatten. Zu der Zeit besaß Elisabeth von Palsole ein Salzhaus in Werl, das sie 1328 dem Kloster Oelinghausen verkaufte.

1311 vollzogen einen Vertrag die Witwe des Soester Bürgers Otbertus de Palsole und ihre Söhne Lambertus, Otbertus, Johannes und Hennemannus. 1322 trat als Zeuge Godescaleus de Palsole auf. 1324 wohnte in Sassendorf der Kleriker Otbertus de Palsole. 1348 war Godscalk von Palsole in der Umgebung des Grafen Gotfried IV. von Arnsberg. Wahrscheinlich stammten auch die Dortmunder Stadtrichter Johann und Reihnolt von Palsced, die 1408-1424 in Dortmund tätig gewesen sind, aus dieser berühmt gewordenen Paseler Familie. Raymundus de Paelsoll wirkte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Pastor und Notar in Plettenberg, wo er 1558 gestorben ist.

Von Steinen bringt in seiner 1741 herausgegebenen "Historie der Stadt und des Amtes Plettenberg" noch eine weitere sehr berühmte Familie in Beziehung zu Pasel. Er schreibt über die Familie von Bonsloe, daß sie seines Erachtens ihren Namen "von der Bauerschaft Pon- oder Bonselar, itzo in der gemeinen Rede 'Paseler' geheißen, alwo sie ihre Güter wird gehabt haben. Es haben davon gelebt 1460 Dina von Bonseler, Fr. Herman v. Neuhoff zu Pungelscheid, 1503 Hunold und Johan von Bonsell gen. Bleffken, 1515 Goddert und Güntermann von Bonsloe und 1520 Johan von Bonsloe, Burgmann zum Schwarzenberg, gem. Fye."

In seiner Beschreibung der Plettenberger Bauerschaften sagt er über Pasel: "In alten Nachrichten heisset sie auch Bonseler oder Bonsloer Bauerschaft. Das Dorf Pasel lieget eine Stunde von der Stadt unter dem Schloß Schwarzenberg, nach Lenhausen hin. Allhier ist gleichfalls eine Brücke über die Lenne, welche ordentlich zum Fahren gebraucht wird. Zu dieser Bauerschaft gehören der Schulze auf der Wibbecke und dem Bermberge. Diese Bauerschaft hat schöne Waldungen, denn sie sind nicht nur im Clev und Ossenbeul, zur Lenhauser Marck gehörig, mit berechtigt, sondern es gehören ihnen auch die Wibbecker Spree, der Ransknop, die Spree, der Paseler und Rutenberg, welche alle an einander stossen und an die Churcöllnische Freiheit Hagen grenzen."

Etwa um 1200 gehörten auch dem Kloster Oelinghausen Güter im Lennetal. Dieses 1174 gegründete Nonnenkloster erfreute sich ganz besonderer Fürsorge seitens der Grafen von Arnsberg und der Kölner Erzbischöfe. Schon Erzbischof Adolf I. von Altena übertrug ihm 1205 eigene Gerichtsbarkeit, und durch Schenkung und Kauf erlangte es manche Bauernhöfe der näheren und weiteren Umgebung.

1220 erwarb es den Hof Rönkhausen, und um 1280 war es im Besitze mehrerer Güter in Pasel. Hieraus zog es beträchtliche Einnahmen an Getreide und Geld. In einem alten Güterverzeichnis des Klosters aus dem Jahre 1280 werden zwei Bauern aus Pasel nebst den von ihnen zu leistenden jährlichen Abgaben namhaft gemacht und außerdem noch vier Höfe, aus denen es Einkünfte bezog. Es hatten zu entrichten:

Wescelus V maldra und XXX denaris
Cunradi domus V maldra, porcum (Schwein) de X denaris
Alberti domus VI maldra und III Solidus
Hedenrici domus IX denaris
Godefridus domus III Solidus
Wevehus III Solidus.

Diese Angaben sind recht lehrreich, da sie verdeutlichen, daß damals schon ein recht beachtlicher Körneranbau in Pasel betrieben wurde und daß es auch den Bauern nicht an Geld fehlte. Über den Wert des damaligen Geldes klärt die Anmerkung auf, daß das Schwein einen Wert von 10 Denaren haben sollte. (144 Denare = 12 Solidi = 1 Mark)

Weil außer den hier genannten Landwirten auch der schon genannte Otbertus de Palsole in Pasel über 10 Morgen verfügte, so lebten damals hier schon wenigstens 7 Familien; Pasel muß also im dreizehnten Jahrhundert schon ein Dorf gewesen sein.

Die Erzbischöfe von Köln stellten manche Ritter aus dem mächtigen und reicht begüterten Geschlechte von Plettenberg in ihre Dienste. Im 14. Jahrhundert standen zunächst noch Glieder des Geschlechts von Plettenberg in enger Beziehung zu den Arnsberger Grafen, die Hoheitsrechte in der Gemeinde Plettenberg besaßen. Ritter Hermann von Plettenberg hatte als Arnsberger Lehen unter anderem in Besitz den Hof und die Mühle im oberen Teil des Dorfes Plettenberg, mit denen nach ihm Heinrich von Plettenberg belehnt war. 1338 erhielten Ritter Heydenricus de Plettenberg und sein Sohn Hermann Güter in Pasel zu Lehen. Aus jener Zeit stammt eine Urkundenkopie im Plettenberger Stadtarchiv:

"1337 Februar 11 (crastino Scholasticae virginis) Heidenricus von Plettenbracht (=Plettenberg), Ritter, überläßt mit Einwilligung seiner Frau Neisa dem Gerhard von Plettenbracht die Fischereirechte auf der Leyna (=Lenne) bei dem Dorfe Paitholde (=Pasel) für 50 Mark Denare alter Turnosen zu je 4 Denaren Währung.
Zeugen: Heidenricus v. P., Bruder des Gerhard; Herman und Wilhelm, Bürder von Ole; Goswin und Herman, Brüder von Schnellenberg; Gobelinus genannt Stothe und Herenbert von Eilspe (=Elspe).
Siegelankündigung der Aussteller.
Kopie, Latein, beglaubigt durch den Notar Arnold Grote, Kopiar 3, f. 89-90"

In der Mitte des 14. Jahrhunderts traten die Herren von Plettenberg mit den Grafen von der Mark in Verbindung. Die äußere Veranlassung lag wohl darin, daß Rötger von Altena 1301 im Gebiet der Gemeinde Plettenberg für die Grafen von der Mark die Burg Schwarzenberg erbaute. Gerhard von Plettenberg, ein Enkel jenes Johann, der um 1300 Marschall in Westfalen war, wurde Droste des Grafen Engelbert des Dritten und ließ als solcher die Burg Schwarzenberg, die in der Fehde mit dem Grafen Gottfried IV. von Arnsberg Schaden gelitten hatte, ausbessern und verstärken. Schon die Erbauung der Burg Schwarzenberg beweist, daß die Grafen von der Mark Grundbesitz im Raume Plettenberg hatten. Ob die Burg auf dem Gebiet der Marken, die ja seit den ältesten Zeiten zur Amtsbesoldung der Grafen gehört hatten, oder auf dem von den Herren von Plettenberg oder sonstwie gekauften Grund gebaut worden ist, ist nicht ersichtlich. Die Herren von Plettenberg standen jedenfalls in den Diensten der märkischen Grafen, wie dies z. B. auch schon für den Drosten Gerhard von Plettenberg zutraf. Heidenreich von Plettenberg bekam 1345 dem Hof "tho dem Bomgarden" (Baumhof am Siesel) als Burglehen vom Grafen Adolf IV. für 70 Mark (Kopie, beglaubigt durch Notar Arnold Grote vom 21. Januar 1346, im Stadtarchiv).


(die gesamte Chronik kann auf Anfrage in Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung gestellt werden)


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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