Stadtgebiet. Stadtverwaltung und Initiativgruppe Erhalt
des Centraltheater-Gebäudes widersprechen sich. Stadtdirektor Walter
Stahlschmidt erklärte, der Abriß des Gebäudes könne trotz des laufenden
Bürgerbegehrens vollzogen werden. Die Initiativgruppe hält dagegen, daß der
Abriß unzulässig sei, wenn dies ohne jede Not geschehe. Wer hat nun Recht?
Die ebenso widersprüchliche Antwort von Volker Vorwerk, Bürgerbegehrensberater
von Mehr Demokratie e. V. lautete: Beide!.
Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung schweige sich zu diesem Thema aus.
Dies schafft Raum für juristische Interpretationen, und die fallen nun mal
unterschiedlich aus, so Vorwerk gestern in einer Pressemitteilung.
Die IG Central könne sich mit ihrer Interpretation zum Beispiel auf den
Hessischen Verfassungsgerichtshof stützen (Beschluß vom 17. Mai 1995);
danach könne sie vor dem Abriß eine einstweilige Anordnung erwirken. Nach
Paragraph 123 der Verwaltungsgerichtsordnung darf die Verwaltung den
Initiatoren des Begehrens ihr Recht auf Bürgerentscheid nicht einfach durch
das Schaffen von vollendeten Tatsachen nehmen, so Vorwerk.
Die Position des Stadtdirektors hingegen werde vom baden-württembergischen
Verfassungsgerichtshof gestützt, ein einstweiliger Rechtsschutz bestehe
für Bürgerbegehren danach nicht (Beschluß vom 6. 9. 95).
Die Rechtsprechung dürfe außerdem nicht den Gesetzgeber spielen und an
seiner Stelle Verfahrensregelungen einführen. Aber die Umsetzung des
Ratsbeschlusses durch die Verwaltung ist dann anfechtbar, wenn sie sich
nicht auf sachliche Gründe stützt, sondern nur dazu dient, den Entscheid
abzuwehren, so das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluß vom 18. 10. 1995).
Für den Verein Mehr Demokratie ergeben sich daraus folgende Schlüsse:
Erstens, die Verwaltung muß sich die Frage gefallen lassen, ob sie ein
gerichtliches Verfahren riskieren will, das den Stadtsäckel schmälern kann
und den sozialen Frieden in der Stadt gefährdet. Im Vorfeld des
Bürgerentscheides könnten auch Politik und Verwaltung die Bürger von
ihren Ansichten überzeugen. Ein Bürgerentscheid ist ein faires Verfahren,
in dem sich die überzeugenderen Argumente durchsetzen, so Vorwerk.
Zweitens ist aus Sicht von Mehr Demokratie die derzeitige Regelung in der
Gemeindeordnung offensichtlich nicht eindeutig und muß ergänzt werden. Es
kann nicht sein, daß Initiativen Tausende von Unterschriften sammeln und
die Politik vor dem Entscheid vollendete Tatsachen schafft.
Mehr Demokratie e.V. wird daher in den nächsten Wochen einen Gesetzentwurf
ausarbeiten, der faire Bedingungen für Bürgerbegehren und -entscheide
schaffe, kündigte Volker Vorwerk an. In dem folgenden Volksbegehren könnten
die Bürgerinnen und Bürger dann selbst entscheiden, ob sie diese Regelungen
einführen wollten.
Wer Mehr Demokratie dabei unterstützen möchte, kann sich wenden an: Mehr
Demokratie e.V. NRW, Eiffelstr. 20, 50677 Köln, Telefon 02 21/3 10 17 71,
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