Quelle: "Ruhrkohle", Werkzeitschrift "Informationen für die Mitarbeiter der Ruhrkohle AG", Ausgabe 11/1981, S. 12 u. 13

Der Wirt weist den Weg

Heinz Hänisch, inzwischen Vermessungssteiger, ist als "Hauer von Wulfen" den Werkzeitschrift-Lesern durch seine "Reiseberichte" bekannt geworden: Er befährt Bergwerke aller Art in allen Ländern. Jetzt war Heinz Hänisch mit einer Gruppe im Sauerland und besuchte die Erzgruben Olga und St. Caspar. Seine Erlebnisse schildert er in diesem Bericht:

"Schon lange ist es still geworden im alten Bergbaurevier um Plettenberg, Herscheid, Werdohl, wo einst rege Bergbautätigkeit umging. Von Zeit zu Zeit aber bekommen die alten Gruben Besuch. Bergmännisches Geleucht blitzt auf, man hört Hammerschläge, und für kurze Zeit leben die alten Stollen wieder auf. Mineraliensucher versuchen dem Berg ein schönes Stück Mineral abzugewinnen. Oder es kommen Bergleute wie wir, die an altem Bergbau interessiert sind, die nachschauen, wie unsere Altvorderen ihren Bergbau betrieben haben.

Früher einige hundert Stollen
In dem Gebiet um Plettenberg waren wohl im Laufe der Jahrhunderte einige hundert Stollen in Betrieb, wovon noch manche heute zu befahren sind. Unser erster Besuch galt der Grube Olga, in der 1893 der Abbau von Bleiglanz, Zink und Kupfer begann. Die Grube liegt bei Herscheid-Schönebeck zwischen den Bauernschaften Germelin und Marlin in der Nähe der Schönebecker Höhle.

Das Stollenmundloch ist verschüttet, nur in der Firste befindet sich eine kleine Öffnung von 30 Zentimeter Durchmesser. Mit den Füßen voran gelangen wir in den Stollen, in dem etwas Wasser ansteht. In der etwa 1,70 Meter hohen Strecke gelangen wir, und vorsichtig vortastend, zum ersten Streckenabzweig. Die Strecke ist 80 cm breit und nicht ausgebaut.
Der Streckenabzweig erweist sich als Suchort (Blindort) und ist nur einige Meter lang. Im linken Stoß stehen Bleiglanz, Malachit und Azurit an. Wir folgen der Hauptstrecke und finden verlegtes Gestänge, Spurbreite 360 Millimeter, und eine Anzahl Schienen, die im rechten Stoß gestapelt sind.

Es geht weiter, vorbei an einigen Suchörtern. Eine dunkelgrün schimmernde Malachitwand lässt uns verweilen: ein schöner Anblick. Wir machen Fotos.
Bohrlochpfeifen, die wir antreffen, haben einen Durchmesser von 25 Millimeter. Die Bohrlöcher müssen früher etwa 40 bis 50 Zentimeter tief gewesen sein - also werden unsere bergmännischen Vorfahren beim Sprengen mit einer Abschlaglänge von etwa einem halben Meter gearbeitet haben.

Eine Nebenstrecke, die wir befahren, ist mehr als 50 Meter lang, aber nur etwa einen Meter hoch. Das Wasser in dieser Strecke zwingt uns zum 'Entengang'. Hier treffen wir auf ein weiteres Suchort und einen Holzrahmen, den wir als Rahmen für eine Wettertür deuten. Ob man einen Durchschlag mit einem Wetterschacht erwartete?
Die Streckenlänge der Grube Olga beträgt insgesamt etwa 280 Meter. Die Lagerstätte muss wohl nicht sehr ergiebig gewesen sein - sonst wären die Strecken etwas höher und breiter gewesen. Ich denke, dass man über Suchen und Aufschluss nie hinaisgekommen ist.

Unsere Gruppe hat noch eine zweite Befahrung geplant: Die Kupfergrube St. Caspar steht auf unserem Programm. Sie liegt am Bärenberg an der Landstraße Plettenberg - Landemert, gegenüber der Gastwirtschaft Heveschotten. Der Wirt gibt übrigens gern Auskunft über die Lage der Grube.
Einzelheiten über den Bergbau im Sauerland erfährt man aus einer Auflistung von Fritz Bertram, der zwischen 1950 und 1960 alle Gruben im 'Märkischen Sauerland' beschrieb und ihrer Geschichte nachforschte. Von Heinrich Streich stammt das Buch 'Vom frühen Erzbergbau im Märkischen Sauerland', im Zeitungsverlag Altena erschienen. Es ist ein wertvolles Nachschlagewerk für jeden Bergbauinteressierten - so auch für uns.

Die Grube St. Caspar ist vielleicht die älteste Grube im Märkischen Sauerland. Sie soll bereits 1046 urkundlich erwähnt sein. Diese Urkunde hat Fritz Bertram im Kloster St. Andreas in Köln aufgespürt. Der Inhalt: St. Caspar am Bierenberg op der Lenne im Lande der Sachsen soll 1 Pfund Silber als Zientlöse (Zins) an St. Andreas zu Köln zahlen.
Wie viele Gruben im Sauerland, so hatte auch St. Caspar eine wechselvolle Geschichte. Oft kam der Bergbau zum Erliegen und wurde dann in Zeiten, wo er besseren Gewinn versprach, wieder aufgenommen. Die Grube St. Caspar ist um die Jahrhundertwende stillgelegt worden.
Im Jahre 1921 stieg das Interesse am Plettenberger Kupfer, aber es kam nicht zum Abbau. 1935, als die Kupfereinfuhr nach Deutschland stark gedrosselt wurde, dachte man erneut an den Abbau der heimischen Vorräte. Proben wurden aus den Halden genommen. Sie ergaben 8,4 Prozent Kupfer. Nach alten Überlieferungen sollten die Proben im Abbau jedoch 27 bis 50 Prozent Kupfer und 40 Gramm Silber pro Tonne ergeben haben. Diese Zahlen erscheinen mir jedoch viel zu hoch. Zu schön, um wahr zu sein...

Der Gastwirt vom Heveschotten führte 1935 den Probenehmer zu den Stollen und Halden. Er zeigt auch uns den Weg. Wir befahren zuerst den aus jüngerer Zeit stammenden unteren Stollen. Das Stollenmundloch ist noch sehr gut erhalten und gibt den Weg frei zur Befahrung. Nur wenig Wasser steht an. Darin tummeln sich einige Salamander. Der Stollen ist in gutem Zustand. In der Mitte fließt das Grubenwasser ab - also die Wasserseige befindet sich in der Mitte der Stollensohle. Bohrlochpfeifen mit 30 mm Durchmesser finden wir. Wir kommen gut voran bei einer Streckenhöhe von 1,50 bis 1,80 Meter und einer Sohlenbreite von 80 Zentimeter. Nach etwa 180 Metern zweigt ein Blindort ab, zehn Meter weiter endet der Stollen. Er ist durch Einbringen eines Dammes verschlossen. Der Überlieferung nach soll der Stollen nach 100 Lachtern (1 Lachter = 2,10 Meter) den Erzgang getroffen haben. Also: HInter dem Damm muss bald der Erzgang beginnen.

Der obere Stollen - fast 1000 Jahre alt - ist dennoch in gleich gutem Zustand wie der wesentlich jüngere untere. Er ist trockener. An den Stößen und an der Firste kann man noch jeden Schlag, den der Hauer mit seiner Hacke durchführte, erkennen und nachempfinden. Im linken Stoß sehen wir die in Stein gehauene Kennzeichnung IV K. Nach etwa sechzig Metern erreichen wir eine Art Kammer. Hier zweigen einige Blindörter und Abbaue ab. Auch führt ein Gesenk oder Bremsberg in tiefer liegende Abbaue, vielleicht sogar zum unteren Stollen.

Der sauber mit der Hacke herausgehauene Stollen hat eine Sohlenbreite von 70 Zentimeter und ist 1,70 Meter hoch; in der Firste ist er 30 Zentimeter breit. Wir finden den Quarz in roter und weißer Farbe. Der Quarz ist mit rotem Schlamm durchsetzt. Ist es Roteisenstein? Auch Gestein mit Malachit finden wir hier. Für uns steht fest: Wir müssen St. Caspar noch ein paar Mal befahren. Es sind noch einige Rätsel zu lösen."


Quelle: WR Plettenberg vom 18.02.1982

Revierkumpel suchen im
Sauerland alte Erzgruben

Von Klaus Tucholski

Plettenberg. Mit einem fröhlichen "Glückauf" verlassen die beiden Männer das Gasthaus "Heveschotten", einsam gelegen an der Landstraße von Plettenberg nach Landemert. Für den Wirt sind die zwei keine Unbekannten. Nur so mancher vorbeifahrende Autofahrer wundert sich über Kleidung und Ausrüstung der Männer, die sich nach wenigen Metern links in die Büsche schlagen und über einen steilen und felsigen Pfad den "Berenberg" hinaufsteigen. Die Kleidung passt denn auch nicht so recht in die Landschaft. Was wollen Leute mit Kumpelmontur, Schutzhelm und Grubenleuchte im grünen Sauerland?

Doch Heinz Hänisch (41) und Helmut Klask (41) aus Marl haben sich nicht ohne Grund so ausstaffiert. Sie sind waschechte Bergleute, fahren seit 26 Jahren auf der Dorstener Zeche "Fürst Leopold" unter Tage und beschäftigen sich in der Freizeit mit alten, längst in Vergessenheit geratenen Bergwerken des Sauerlandes. Die ehemalige Kupfergrube "St. Caspar" steht diesmal auf dem Programm.

Bereits seit Jahren durchforsten die Revierkumpel alte Dokumente, stöbern Stolleneingänge auf. So erkundeten sie die Bleierzgruben "Ziegenkamp" und "Olga" bei Herscheid. Im Sauerland hat es in früheren Jahrhunderten eine Vielzahl solcher Gruben gegeben. Abgebaut wurden nicht nur Eisen-, Kupfer- und Bleierze, sondern ebenso Zink, Silber und wahrscheinlich auch Gold. Fachleute meinen sogar, dass die Wiege des Bergbaus im Sauerland gestanden habe.

Nach 20 Minuten Fußmarsch ist der Stolleneingang erreicht, kaum sichtbar zwischen Felsen und Gebüsch. Ein dunkles, niedriges und schmales Oval - 130 Zentimeter hoch und knapp 80 breit. Heinz Hänisch, fast 1,90 Meter groß, zwängt sich als erster hinein. Totale Dunkelheit schon nach wenigen Schritten durch mitunter knietiefes Wasser. Die Grubenlampen werden eingeschaltet. In gebückter Haltung geht es weiter, Meter für Meter in den Berg hinein.

Helmut Klask deutet auf Bohrlöcher: "Schon unsere früheren Kollegen haben Sprengstoff verwendet". Vermutlich habe der Bergbau hier schon um 1046 begonnen. Der Stollenbau muss eine mörderische Arbeit gewesen sein. Maschinen gab es damals nicht. "Da kam man pro Tag nur wenige Zentimeter weiter", schätzt Heinz Hänisch die Knochenarbeit ein.

Hin und wieder macht der Stollen leichte Biegungen. Mit Bandmaß und Kompass ermitteln die Marler Bergleute den genauen Verlauf. Die Temperatur beträgt rund 11 Grad. Frischluft ist ausreichend vorhanden. Unheimlich ist es trotzdem. Fledermäuse und Feuersalamander tauchen im fahlen Licht der Grubenlampen auf. Dazu die Enge. Nichts für ängstliche Gemüter.

Nach rund 70 Metern erreichen Heinz Hänisch und Helmut Klask das Ende der finsteren engen Röhre. Sie sind vor Ort, vor dem "Gesenk". "Der Kupfererzgang streicht in westöstlicher Richtung. Mächtigkeit: ein Meter", notiert Heinz Hänisch. Mit der Hacke werden Gesteinsproben herausgeschlagen.
Das Gesenk, dass früher einmal den oberen mit dem unteren Stollen der Grube St. Caspar verband, ist verschüttet. Einkerbungen an den Wänden lassen auf eine Haspel als Transportmittel schließen. Reste einer Holzleiter sind zu sehen. Links und rechts vom Gesenk zweigen weitere Stollen ab. Sie sind jedoch nur wenige Meter lang. "Hier hat man vergeblich nach Erzgängen gesucht", ist Heinz Hänisch sicher. Die beiden Bergleute haben für diesmal genug gesehen. Hier noch ein prüfender Blick und dort noch eine Gesteinsprobe. Nach fast drei Stunden klettern die Marler Kumpel wieder ans Tageslicht.


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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