Quelle: Süderländer Tageblatt vom 31.12.2005

Martin Zimmer erkundete
Plettenbergs Tropfsteinhöhle

Zimmers Diavortrag bei den Kückelheimer Senioren stieß auf reges Interesse. Abgebildete Plettenberger Höhlen sind heute meist gar nicht mehr zugänglich.


Heute liegt die Heinrich-Bernhard-Höhle im Oestertal zwar malerisch im tiefen Winterschlaf, erwachen wird sie jedoch in naher Zukunft nicht – sie wurde in der 80er Jahren mit einer meterdicken Metalltür versiegelt. Fotos: J. Mueller-Töwe

PLETTENBERG Auf eine spannende Reise in die vergessenen Stollen und Höhlen der Vier-Täler-Stadt nahm Stadtarchivar Martin Zimmer am Donnerstag etwa 65 Kückelheimer Senioren mit. Er war mit seinem Referat einer Einladung der Kückelheimer Silvestersänger in die Erlöserkirche gefolgt, wo diese einen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen für die Senioren des Dorfes veranstalteten.

Besonders beeindruckend waren neben dem fachlich fundierten Vortrag über den historischen Bergbau in Plettenberg auch die einmaligen Bilder "unter Tage" aus Stollensystemen und Höhlen, die heutzutage gar nicht mehr oder nur noch schwer zugänglich sind. Die Auswahl aus etwa 1 000 angefertigten und zusammengetragenen Lichtbildern vermittelte dem Publikum einen interessanten Einblick in den "Schweizer Käse" Plettenbergs, wie Wolfgang Baberg treffend die Landschaft unter Tage betitelte.

Denn 113 Grubenfelder waren von 1600 bis 1952 im Amtsgerichtsbezirk Plettenberg, zu dem auch die Gemeinde Herscheid gehörte, verzeichnet. Eisen, Kupfer, Blei und Zink wurden in teils kilometerlangen Stollen abgebaut. Ob Hestenberg, Saley oder Bärenberg: Überall wiesen die "Höhlenforscher" um Martin Zimmer Spuren des Bergbaus nach. Neben den Stollensystemen, die teilweise bis ins Jahr 1046 zurück datiert wurden, galt der Fokus des Vortrages, aber auch der Heinrich-Bernhard-Höhle im Oestertal, Plettenbergs größter Tropfsteinhöhle. Diese ist heute nur noch für Fledermäuse zugänglich – aufgrund fortlaufender Beschädigungen der Schlösser hatte man Mitte der 80er Jahre beschlossen, die Höhle mittels einer meterdicken Eisentür zu versiegeln. Die einzigartigen Aufnahmen, die in der "Forschungszeit" entstanden, lassen jedoch aufregende Naturschönheit hinter dem kalten Deckel vermuten.

Viele der Bergwerksstollen im Stadtgebiet seien in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zu Luftschutzbunkern ausgebaut worden. Ein beeindruckendes Beispiel seien die Stollen gegenüber der Firma DURA – leider sind auch diese nicht begehbar, da sie zugemauert wurden. Kurz: Die Kückelheimer Senioren genossen den fachlich versierten Vortrag und erhielten Einblicke in die Historie und die Höhlensysteme der Vier-Täler-Stadt, die kaum alltäglich sind. Im Anschluss saß man in geselliger Runde bei Kaffee und Kuchen zusammen und hatte viel Gesprächsstoff. Höhlen sind doch stets geheimnisvoll und in jedem steckt ein "kleiner Höhlenforscher". jmt


Quelle: "Plettenberg - Märkischer Kreis", herausgegeben vom Kreisheimatbund zum Kreisheimattag 1994 in Plettenberg, hier: Die "Heinrich-Bernhard-Höhle" bei Plettenberg - ein einzigartiges Naturdenkmal, Autor: Martin Zimmer, S.60-63, 6 Fotos, 1 Zeichnung.

"Heinrich-Bernhard-Höhle" bei Plettenberg
- ein einzigartiges Naturdenkmal


Der Gang zum Abstieg in die Tiefe der Heinrich-Bernhard-Höhle wird gesäumt von zahlreichen Tropfsteingebilden. (Foto: Archiv Martin Zimmer)

Von den Höhlen, wie man sie insbesondere in Kalk- und Dolomitgegenden vorfindet, geht zweifellos eine eigenartige Faszination aus. Es liegt wohl daran, dass sie den Zugang zu einem Teil unserer Welt bieten, der uns sonst verborgen bleibt.

Das Sauerland, das "Land der tausend Berge", gilt nicht zu Unrecht als "Land der Naturhöhlen". Die Bewohner dieser Landschaft sowie die große Zahl der Touristen aus dem benachbarten Ruhrgebiet besuchen auf ihren Wanderungen durch das südwestfälische Bergland gern die "Unterirdischen Zauberreiche" der bekannten Tropfsteinhöhlen bei Letmathe oder im Hönne- und Biggetal, um bei ihrem Gang durch die weit verzweigten Felsspalten, Klüfte und Sintergalerien den großen Formenreichtum der Tropfsteine und damit auch ein Stück Erdgeschichte des Sauerlandes zu erleben.

Die "Schau- und Besucherhöhlen" liegen fast ausnahmslos in den mächtigen Formationen des "Sauerländer Massenkalkes", die sich in einem breiten Band von Hagen über Letmathe, Iserlohn, Balve (Hönnetal) bis an die Lenne hinziehen und in ihren Ausläufern Attendorn erreichen. - Neben diversen für die Öffentlichkeit zugänglichen Tropfsteinhöhlen gibt es im Sauerland eine Vielzahl von weniger bekannten Höhlensystemen unterschiedlichster Ausdehnung. Sie sind wegen ihrer oftmals sehr versteckten Lage und schwierigen Begehbarkeit nur von geübten und entsprechend gut ausgerüsteten "Höhlenwanderern" zu begehen. Hinzu kommt, dass in derartigen Naturhöhlen meistens nur wenige Tropfsteine vorhanden sind und sie sich demzufolge als "Touristenhöhlen" kaum eignen würden. Dennoch gilt gerade jenen weithin unbekannten Höhlensystemen das besondere Interesse der Höhlen- und Karstforscher (Speläologen). Sie sind u. a. darum bemüht, Naturhöhlen zu vermessen, durch neue Grabungen vorhandene Gangsysteme weiter zu erforschen oder ihre geologischen Besonderheiten im Bild zu dokumentieren. Somit ist Höhlenforschung ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte des Sauerlandes.


Bernhard Klein vor der von ihm und Heinrich Decker entdeckten Höhle. (Foto: Archiv M. Zimmer)

Außerhalb der bereits erwähnten Zone des Sauerländer Massenkalkes liegt nahe der Stadt Plettenberg das landeseigene Naturdenkmal "Heinrich-Bernhard-Höhle", benannt nach ihren Entdeckern Heinrich Decker und Bernhard Klein aus Plettenberg-Oesterau.


Der Eingang zur Heinrich-Bernhard-Höhle im Jahre 1976. Foto: Archiv Martin Zimmer

Über einem ehemaligen Kalksteinbruch, an dessen Steilhängen Kalke, z. T. Felsklippen bildend, zutage treten, liegt der Eingang zur Höhle (s. Abb. 1/2). Die schätzungsweise 20 bis 30 Meter mächtige Südostwand wird vorwiegend aus den Riffbildern (Organismen) Stromatoporen, Tabulaten und Tetrakorallen aufgebaut. Bei den Kalkschichten handelt es sich um den Ansatz zur Bildung eines Korallenriffs auf einem flachen, küstennahen Meeresboden. Infolge sich ständig wiederholender Einschwemmungen sandiger und toniger Schichten, die das Korallenwachstum stören, konnte sich das Riff nicht voll entfalten. So sind die Kalkablagerungen unrein und teilweise von Grauwackematerial durchsetzt. Wir haben es hier mit einer Kalklinse zu tun, die außerhalb des eigentlichen Sauerländer Massenkalkgürtels liegt.

Schon in den zwanziger Jahren galt dem "Kruplouk", wie die wenige Meter lange Felsspalte in dem kleinen Kalkkomplex des "Keuperkusens" südlich des "Buerhahns" allgemein von den Bewohnern des Oestertales genannt wurde, die besondere Aufmerksamkeit von Bernhard Klein. In seinem Arbeitskollegen und Freund Heinrich Decker fand er einen engagierten Helfer, denn von 1934 bis 1942 führten sie gemeinsam systematische Untersuchungen in "ihrer Höhle" durch.

Der Bereich des recht engen Höhleneingangs wurde zunächst in mühevoller Arbeit erweitert und die einlagernden Lehmschichten abgetragen. Hierbei fand sich schon in den oberen Lehmschichten ein Faustkeil, ein sogenannter "Spinngürtel" zum Bearbeiten von Wolle, und ein Gehörnstück, dass vermutlich von einem Elch stammte. Die Echtheit jener Artefakte, die auf eine sehr frühe Besiedlung unserer Heimat schließen lässt, wurde Jahre später von berufener Seite anerkannt. Leider sind jene Fundstücke durch Kriegseinwirkungen verlorengegangen.

Die eigentliche Neuentdeckung der größeren Höhlenbereiche gelang erst, als ein am Ende des bereits bekannten Lehmganges quer liegender Felsblock durchbrochen werden konnte. - 1942 wurde Heinrich Decker zur Wehrmacht eingezogen. Er kehrte leider nicht wieder in seine Heimat zurück. Bernhard Klein blieb es überlassen, allein die Erschließung "seiner Höhle" fortzusetzen.

Erst im Jahre 1949 wurde man auch seitens der Behörden auf die Forschungsarbeiten von Bernhard Klein aufmerksam. Am 28. Oktober 1949 fand auf Anregung des Sauerländischen Gebirgsvereins, Bezirk Unterlenne, eine Begehung der inzwischen durch Treppen und Leitern erschlossenen Höhle statt. Unter Leitung von Bernhard Klein nahmen seinerzeit Prof. Dr. Beck (Universität Münster), Stadtdirektor Heinrich Kordes (Stadt Plettenberg), Rektor Rosendahl (Nachrodt) sowie der Vorsitzende der damals noch existierenden SGV-Abteilung Oestertal, Willi Arndts, an dieser Exkursion teil.

Wenige Wochen später, am 17. Dezember 1949, wurde die Höhle von Professor Lotze, Münster, erstmalig wissenschaftlich untersucht und beschrieben. Eine genaue Vermessung der gesamten Höhle sowie die Erstellung eines Grundrisses erfolgte allerdings erst im Jahre 1988 durch Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst, Hemer e.V., unter Leitung von Heinz Werner Weber (Hemer).


Der sogenannte "Wasserfall", auch "Orgel" genannt. Foto: Archiv Martin Zimmer

Wie so viele Höhlen des Sauerlandes ist auch die Heinrich-Bernhard-Höhle vorwiegend durch Auslaugung des Kalkes entstanden. Wasser drang durch das Gestein ein und erweiterte durch Auflösung des Kalkes zunehmend die Klüfte und Spalten. Mit Sicherheit floss einst ein Bach durch die Höhle, bis sich - bedingt durch den Einsturz von Teilen des Deckgebirges - der gegenwärtige Taleinschnitt herausbildete, das Erosionsniveau tiefer verlegte und der Bach Keuperkusen seinen jetzigen Verlauf erhielt.

Beschreibung der Höhle
Nach schmalem und gewundenen Eingang erweitert sich die Höhle nach ca. 40 Metern zu einer geräumigen Halle ("Zentralhalle"). Dieser Höhlenteil ist sehr feucht und war bis in die sechziger Jahre hinein noch mit zahlreichen Stalakmiten geschmückt. Der "Wasserfall" - oftmals auch "Orgel" genannt, ist eine größere, von Sickerwasser überflossene sinternase. Sie zeigt bereits beträchtliche Korrosionserscheinungen in Form tiefer, scharfkantiger Furchen. Durch einen schmalen Gang, in dem noch Reste ehemaliger Treppen erkennbar sind und an dessen Deckgebirge die Stümpfe abgeschlagener Stalaktiten hervortreten, erreicht man den Leiterabstieg in den unteren Höhlenbereich. Er ist trocken und weist nur vereinzelt Tropfsteinschmuck auf. Auffallend sind hier die schroffen und zackigen Felsformationen.

Am tiefsten Niveaupunkt der Heinrich-Bernhard-Höhle liegt in einer Kluftspalte von ca. 25 Metern Länge ein kleiner, schmaler See (27 Meter unter Eingangsniveau). Wasserfärbungen haben ergeben, dass von hier aus unterirdische Verbindungen zum Bachlauf des Keuperkusens außerhalb der Höhle bestehen, und der Wasserstand den Schwankungen des Grundwasserspiegels unterworfen ist.

Ein vom tiefsten Höhlenpunkt ausgehender Seitengang ("Korallengang") steigt steil auf in ein weiteres Gangsystem. Es ist streckenweise verstürzt und durch eindringendes Oberflächenwasser sehr schlammig. Dennoch zeigen sich gerade hier in diesem unwegsamen Höhlenbereich seltene Abdrücke verschiedener Riffbilder sowie in versteckten Seitenspalten Exentriques. - Die Gesamtlänge dieser Höhle beträgt 192 Meter, ihre Raumhöhe schwankt zwischen 1,10 Meter und 9,00 Meter.


1978: Das ist "Mathilde", bekanntester Bewohner der Heinrich-Bernhard-Höhle.


Tetrakorallen im Jahre 1976. (Fotos: Archiv Martin Zimmer)

Nach Prof. Lotze weist die "Heinrich-Bernhard-Höhle" gegenüber anderen sauerländischen Höhlen folgende Besonderheiten auf:
1. Während die bekannten Schauhöhlen des Sauerlandes zum oberen Mitteldevon und damit im Massenkalk liegen, befindet sich die "HBH" in einem tiefmitteldevonischen Korallenkalk.
2. Hiermit stehen die besonderen Erosionsformen im unteren Teil der Höhle im Zusammenhang. Während die Höhlenräume im Massenkalk infolge der Reinheit und Gleichmäßigkeit des Kalkes abgerundete, meist glatte Wände aufweisen, hat die Unreinheit der hier anstehenden Kalkschichten (Hobräcker Kalk) mit seinem Grauwackezement zerrissene und schroffe Erosionsformen hervorgerufen.
3. Das Zutagetreten des Grundwassers im unteren Höhlenteil erlaubt hydrologische Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen Grundwasser und Höhenbildung.
4. Hinsichtlich der Tropfsteinbildung ist eine klare Gliederung der Höhle in drei Stockwerke festzustellen. Dieses macht die Höhle zu einem wertvollen Studien- und Lehrobjekt. (s. 148 ebd.)

Somit "weist die 'Heinrich-Bernhard-Höhle' in Plettenberg Eigenschaften auf, wie sie gerade in den überlaufenen Touristenhöhlen nicht mehr anzutreffen sind." (Dr. C. D. Clausen, Geologisches Landesamt NRW, Krefeld, 28.04.1978).


Diese Aufnahme aus dem Jahre 1976 zeigt den Abstieg in den unteren Höhlenbereich nach 121 Metern. Foto: Archiv Martin Zimmer

Auf Vorschlag von Prof. F. Lotze wurde das einstige "Kruplouk", bzw. die "Romberg-Höhle", im Jahre 1951 nach den Vornamen der beiden Entdecker in "Heinrich-Bernhard-Höhle" umbenannt und durch den Regierungspäsidenten in Arnsberg als Naturdenkmal ausgewiesen. Damit erfuhren Heinrich Decker und Bernhard Klein - wenn auch spät - eine Würdigung ihrer mehr als ein Jahrzehnt lang durchgeführten Forschungsarbeiten. Leider kam es in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsamen Einbrüchen in die "Heinrich-Bernhard-Höhle" und zu umfangreichen Zerstörungen im Höhleninneren. Die Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst e.V. Hemer" haben mit großzügiger Unterstützung durch die Stadt Plettenberg, den Sauerländischen Gebirgsverein und den verschiedenen Naturschutzbehörden auf Kreis- und Landesebene versucht, das Naturdenkmal durch den Einbau neuer Sicherungsanlagen vor weiteren Zerstörungen zu schützen. Leider haben die mutwilligen Beschädigungen auch 1994 nicht aufgehört! Somit verdeutlicht die Geschichte dieser Höhle auch das Ausmaß gewaltsamer Zerstörungen eines einst reichhaltig vorhandenen Naturinventars. Dem Gedanken des aktiven Höhlenschutzes kommt daher eine besondere Bedeutung zu.

"Höhlen - Welt ohne Sonne!" (Prof. W. Bauer, Wien 1971) Sie zu erleben, zu erforschen und zu erhalten sind die eigentlichen Motive und Ziele aller "Lehm- und Kriechgefährten", wie sich der Kreis der Höhlenfreunde in Plettenberg und Hemer gern nennt! Allen sei Dank, die sich für den Erhalt unserer Naturdenkmäler aktiv einsetzen und auch weiterhin an der Plettenberger "Heinrich-Bernhard-Höhle" interessiert sind!


1981: Die Eingangssicherung wird verbessert


Einer der engagiertesten Helfer: Guido Koch (†)

Quellen-/Literaturnachweise:
1) Streich, Heinrich, Unterirdische Zauberreiche des Sauerlandes, Verlag P. A. Santz, Altena 1967
2) "Kruplouk", erwähnt bei Sönneken, Walter: Höhlen des Sauerlandes, Verlag Rudolf Beucker, Lüdenscheid 1966, S. 63
3) Vgl. Zeitung Westfalenpost vom 28.10.1949, Lokalbericht Plettenberg/Verf. geh.; Zeitung Süderländer Tageblatt vom 30.04.1962/17.11.1949, 15.01.1983
4) Lotze, Fr. Prof., Die neuentdeckte Tropfsteinhöhle ("Heinrich-Bernhard-Höhle") im Östertal bei Plettenberg In: Naturschutz in Westfalen, 10. Jg. 1950, Beiheft "Natur und Heimat", H. 2, hrsg. vom Landesmuseum für Naturkunde, Münster
5) Schreiben des Märkischen Kreises, Untere Landschaftsbehörde, Altena, vom 09.05.1978 an ArGe Höhlen und Karts Sauerland e.V. Hemer z. Hd. H. W. Weber, Hemer, gez. Luckas, Kreisverwaltungsdirektor; Schreiben GLA, Krefeld, vom 28.04.1978 an den Märkischen Kreis, Untere Landschaftsbehörde, Altena, gez. Dr. C. D. Clausen


Quelle: WDR I. Programm, Hörfunk, Donnerstag, 24.01.1985

Auch kleine Höhlen haben ihren Reiz

Sprecherin: Zu Beginn des heutigen Programms laden wir ein zu einem Erkundungsspaziergang in eine Naturhöhle des Märkischen Sauerlandes . . . Das märkische Sauerland - zwischen Iserlohn und Lüdenscheid - birgt eine Fülle von Naturhöhlen. Einige von ihnen sind wegen ihrer einzigartigen Vielfalt an Tropfsteinformationen dem Besucher dauerhaft zugänglich. Doch auch die versteckt gelegenen, stets verschlossenen, kleineren Höhlen haben ihre Reize. Über eine von ihnen, die Heinrich-Bernhard-Höhle bei Plettenberg, berichten wir jetzt.


Mark vom Hofe interviewt Martin Zimmer vor dem Eingang der Heinrich-Bernhard-Höhle.

Mark vom Hofe: Wir stehen hier an einer kleinen, schmalen Brücke, einem sehr wackeligen Steg über einem dahinplätschernden. Diese Brücke leitet uns steil einen Berg hinan zu einer der vielen Höhlen im Märkischen Sauerland. Niemand kennt diese Höhlen alle. Einige sind bekannt, darunter die Atta-Höhle und die Dechenhöhle, doch diese kleine Höhle, um die wir uns jetzt bemühen und für die wir und interessieren, ist die sogenannte Heinrich-Bernhard-Höhle. Ich habe mir bei Herrn Martin Zimmer, einen begeisterten und interessierten Höhlengänger. Herr Zimmer, was macht den Reiz und die Bedeutung dieser Heinrich-Bernhard-Höhle aus?
Martin Zimmer: Die Bewohner dieser Landschaft sowie die große Zahl der Touristen, vornehmlich aus dem benachbarten Ruhrgebiet, besuchen auf ihren Wanderungen durch unsere Gegend hier gern die unterirdischen "Zauberreiche", wie ein bekannter heimischer Höhlenforscher sie einmal genannt hat, die Tropfsteinhöhlen. Wir finden sie bei Letmathe, im Hönne- und Biggetal, und jeder Wanderer erlebt auf dem oft weit verzweigten Gang durch Felsspalten, Klüfte, Sintergalerien immer wieder den großen Formenreichtum der Tropfsteine.

Und damit erlebt er auch ein Stück Erdgeschichte des Sauerlandes. Diese Schau- oder Besucherhöhlen liegen fast ausnahmslos in den mächtigen Formationen des Sauerländer Massenkalkes aus der Zeit des Oberen Mitteldevons.

Mark vom Hofe: Wie alt ist das ungefähr, das Obere Mitteldevon? Wieviel Jahre liegt das zurück?

Martin Zimmer: Ja man muss ungefähr ausgehen von einer Zahl 340 bis 380 Millionen Jahre, wobei es auf einige Jahre sicherlich hier nicht ankommt. Nun, sie erwähnten bereits vorhin, dass neben diesen bekannten Schauhöhlen es noch eine Vielzahl von weniger bekannten Höhlensystemen in der unterschiedlichsten Ausdehnung gibt. Sie sind nicht einfach zu finden. Oft liegen sie versteckt. Sie sind schwierig in der Begehbarkeit und deshalb auch nur von geübten und auch entsprechend gut ausgerüsteten Höhlenwanderern zu begehen. . . .


Quelle: "Plettenberg, Industriestadt im märkischen Sauerland", 1962, S. 149 (Willi Arndts)

Heinrich-Bernhard-Höhle bei Oesterau


Die Höhle war schon 1934 bekannt, wurde aber erst in den Vorkriegsjahren von Bernhard Klein und Heinrich Decker erforscht und erschlossen. Wer sich ein Bild von der gewaltigen Arbeit dieser beiden Männer machen will, der betrachte die große Lehmhalde vor der Höhle und überlege sich, dass diese ca. 200 Meter lang ist und darin Höhenunterschiede bis zu 40 Metern zu bewältigen sind. In vielen Arbeitsstunden haben Bernhard Klein und Heinrich Decker die ganze Höhle geräumt; es war daher eine Anerkennung ihrer Arbeit, als die Höhle nach dem Kriege unter Naturschutz gestellt und nach den Erforschern "Heinrich-Bernhard-Höhle" genannt wurde.
Durch die Erosion wurden in der Höhle bizarreste Felsformen herausmodelliert und die Skelette verschiedenartiger Korallen freigelegt, herrliche Tropfsteingebilde geben ein Bild von dem Wirken der Naturkräfte.


Quelle: Süderländer Tageblatt vom 17.11.1949

Im Reich der Riesen und der Zwerge
Ein Besuch in der neuen Tropfsteinhöhle im Oestertal

von Rektor Gustav Rosendahl, Naturschutzobmann des SGV-Bezirks Unterlenne

Plettenberg-Oesterau Eine herrliche Höhle wurde von zwei Männern in jahrelanger, mühevoller Arbeit erschlossen. Vor 15 Jahren begannen Bernhard Klein und Heinrich Decker aus Oesterau eine bis dahin nicht beachtete Höhle im Kalkgebirge des Oberdevon einzudringen. Alle freien Stunden mussten dem idealen Werk gewidmet werden, bis man endlich Aussicht auf Erfolg erwarten durfte. Bis zum Jahre 1942 arbeitete man gemeinsam manche Nacht im tiefen Schoß der Erde. Bei spärlichem Lampenlicht wurde der Höhlenlehm entfernt, aber jede Schaufel sorgfältig untersucht, ob nicht auch interessante Einschlüsse entdeckt würden.


Schon in den ersten 10 Metern fand sich in der Oberschicht des Lehms ein Faustkeil (Foto: Kurt Winter), um den sich die Arbeit allein schon gelohnt hätte; denn der Keil ist ein

Zeuge dafür, dass unsere Heimat schon vor mehr als 50.000 Jahren bewohnt war.
Damals reichten die Eisgletscher des Nordens bis zur heutigen Lippe und unser Land galt bisher für unwirtlich und unbewohnt. Der in der Oestertal-Höhle gefundene Faustkeil zeigt deutliche Spuren von Abschlägen, so dass wir es tatsächlich mit einem Artefakten zu tun haben, der ein Denkmal frühester Besiedlung auch unseres "Landes des tausend Berge" ist. Ferner fand sich ein Spinnwirtel aus Stein, der leider durch Kriegseinwirkung verloren gegangen ist, wie es auch mit einem von Menschenhand bearbeiteten Gehörnstück geschah. Im vorderen Teil der Höhle mögen vielleicht noch mehrere Hinterlassenschaften der vorgeschichtlichen Menschen im Lehm verborgen liegen. Klein und Decker drangen nach Ausräumen großer Mengen Höhlenlehms in den weiteren Raum vor, und hier sind

Werke riesiger, erdgestaltender Kräfte wir künstlerischer Zwergenarbeit zu bewundern.
Schmale Gänge wechseln mit hallenartigen Erweiterungen ab. Gewaltige Felsspalten locken zum gefährlichen Aufstieg, um vielleicht weitere Wunder zu entdecken. Winzig klein erscheint der Mensch in dem gewaltigen Reich der Riesen; denn nur riesige Kräfte vermochten die Felsen so zu spalten und zu brechen.

Und dann stehen wir staunend und bewundernd vor den schönen Tropfsteingebilden, die wie ein großer Wasserfall an den Wänden hinabhängen oder vom Boden aus noch immer in die Höhe "wachsen" oder von den Decken sich nach unten strecken. Auch an feinen Gardinen haben es die Zwerge bei der Ausschmückung der Höhle nicht fehlen lassen. Und wie glitzern die Kristalle des Kalkspats an dem Felsgestein! Interessante, formenreichste Kleinbildungen der Tropfsteine erfreuen wieder an anderen Stellen das Auge des Beschauers.


Wunderbare Tropfsteinbildungen finden sich an vielen Stellen der erst zu einem kleinen Teil erschlossenen Oestertaler Höhle. Fotos [3]: Kurt Winter

Ein Höhenunterschied von etwa 45 m musste auf den Leitern, die Bernhard Klein sicher einbaute, überwunden werden. Wenn dann der Blick nach oben schweift und die Felsen vom Licht der Azethylenlampe auch nur dürftig erhellt werden, so ermisst der Mensch an der gigantischen Wunderwelt, die sich vor seinem Blick auftut, seine ganze zwergenhafte Kleinheit. Etwa 150 bis 200 m weit kann man in diese herrliche unterirdische Welt eindringen.

Es ist zu vermuten, dass der Hauptraum der Höhle noch gar nicht erschlossen ist;
Höhlenlehm verhindert das Eindringen. Die Arbeit, die Bernhard Klein und Heinrich Decker hier für die Erschließung der Höhle und damit eines Kleinodes unserer Heimat geleistet haben, ist nur bewundernswert. Bis zum Jahre 1942 opferten die beiden gemeinsam aus Idealismus rd. 20.000 Arbeitsstunden und ernteten nichts als den Spott ihrer lieben Mitmenschen. Sie ließen sich aber nicht beirren. 1942 wurde Heinrich Decker Soldat und gehört bis jetzt zu den Millionen, von denen aus dem weiten Russland keine Kunde mehr in die Heimat kam. Möge er zu seinen Lieben und seinem Werk zurückkehren! Dann kann er dem Freunde die Hand drücken, der nun 7 Jahre allein zielbewusst weiterschaffte, bis ihm endlich die Anerkennung zuteil wird, die ihm lange gebührte.

Der Bezirk Unterlenne des SGV nahm sich der verdienstvollen Sache an, und der Verfasser machte dem Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte in Münster wie dem Regierungsbezirk Arnsberg, Lienenkämper, Meldung. Am 28.10.1949 fand

die erste offizielle Begehung der Höhle
durch den staatlichen Vertrauensmann für kulturgeschichtliche Bodenaltertümer im Regierungsbezirk Arnsberg, Dr. Beck, zusammen mit dem Verfasser sowie dem Stadtdirektor Kordes, Plettenberg, dem SGV-Bildwart Winter, dem SGVAbteilungsvorsitzenden Wilhelm Arndts, Oesterau, unter Führung von Bernhard Klein statt. - Die ersten 15 Meter der Höhle bleiben vorerst unberührt und werden durch das Landesmuseum Münster auf kulturgeschichtliche Funde durchsucht werden.

Herr Stadtdirektor Kordes versprach, sich für den Schutz der Höhle einzusetzen und vor allen Dingen eine Stahltüre und weiteres Material für die Sicherung des Einganges zur Verfügung zu stellen; denn es ist beschämend, wie rohe Hände in dem Wunderwerk der Höhle vernichtend wirkten. 64 DM gab Klein bereits allein für immer wieder zertrümmerte Vorhängeschlösser aus. Eine Azethylenlampe wurde ihm beim Einbruch in die Höhle zerschlagen , mehrere Kilogramm Azethylen durch die Höhle gestreut, manches schöne Tropfsteingebilde freventlich zertrümmert. Hoffentlich wird den Rohlingen das weitere Eindringen bald unmöglich gemacht. Der Naturschutzbeauftragte für Arnsberg konnte am Tage der Begehung leider nicht erscheinen. Er wird sich die Höhle bald ansehen und sie dann unter Naturschutz stellen.

Bernhard Klein und Heinrich Decker aber haben sich durch die Erschließung der Höhle ein Denkmal gesetzt, und jeder Heimatfreund wird ihnen für den der Heimat geleisteten Dienst danken.


Teil der Grotte in der Heinrich-Bernhard-Höhle. Foto: Kurt Winter


Quelle: "Unterirdische Zauberreiche des Sauerlandes", Heinrich Streich, 1967, S. 108-111

Heinrich-Bernhard-Höhle

Vom Ortsteil Lettmecke (Stadt Plettenberg) wandern wir auf der Hauptstraße Richtung Attendorn. Etwa 200 Meter hinter der Straßengabel, welche rechts nach Herscheid, links nach Attendorn führt, verlassen die Attendorner Landstraße und biegen links in ein hübsch gelegenes Tal ein. Nach etwa 20 Minuten Fußmarsch, vorbei am neuen Forsthaus, erreichen wir links am Wege das kleine Wasserwerk der Stadt Plettenberg. Hier steigen wir die Stiege hinab, überqueren den Bach, bewegen uns links über Treppenstufen aufwärts und erreichen unverkennbar den im Felsgestein schön hergerichteten Höhleneingang.

Die Höhle ist normalerweise verschlossen, doch erhalten wir den Schlüssel im neuen, oben erwähnten Forsthaus oder bei Herrn Bernhard Klein in Plettenberg-Oesterau, Oestertalstr. 43.
Tiefster Punkt der Höhle (normaler Stand des Grundwassers) unter Eingangsniveau: 21 Meter. Eingang: Breite etwa 1 Meter, Höhe 1,80 Meter. Der Höhleneingang ist gemauert und mit einer Eisentür verschlossen. Schöne Kulisse. Höhe über Talsohle: 20 Meter.

Die Höhle verläuft zunächst auf einer Erstreckung von 50 Meter annähernd waagerecht, dann erfolgt ein Abstieg von 12 Meter über mehrere Sprossenleitern. Danach verläuft der Gang leicht abwärts. Nach etwa 15 Metern von der Eisenleiter entfernt befindet sich rechter Hand ein langgestreckter Teich in einer Spalte, welcher, durch Grundwasser bedingt, wechselnde Ausmaße hat und sich dem romantischen tiefsten Höhlenteil schön einfügt. Nach links steigt von dieser Stelle der Höhlengang um etwa 10 Meter aufwärts und endet hier in einem schmalen, noch unerforschten Teil. Im Gang linker Hand große Korallen-Abdrücke.

Die Befahrung der Höhle ist leicht und bereitet auch das Durchfahren des Steilstückes mittels der fest eingemauerten Leiter keine Schwierigkeiten. Die Höhle, die inzwischen unter Naturschutz gestellt worden ist, weist gegenüber anderen westfälischen Höhlen folgende Besonderheiten auf:

1. "Während die übrigen Tropfsteinhöhlen des Sauerlandes in dem dem Oberen Mitteldevon angehörenden Massenkalk liegen, befindet sich die Heinrich-Bernhard-Höhle in einem tiefmitteldevonischen Korallenkalk. Es handelt sich bei dem Kalk ganz offenbar um den Ansatz zur Bildung eines Korallenriffes auf einem ganz flachen, küstennahen Meeresboden. Das Riff konnte sich aber nicht voll entfalten, weil immer wieder sandige und tonige Einschwemmungen das Wachstum der Korallen störten.
So sind denn auch die Kalkschichten sehr unrein und vielfach, besonders im tieferen und höheren Teil, stark von Grauwackematerial durchsetzt. Riffbildner sind Stromatoporen, Tabulate und Tetrakorallen. Korallenstöcke sind vielfach zu sehen und durch die Auswaschung zum Teil aus dem Gestein schön präpariert.
2.) Die besonderen Erosionsformen im unteren Teil der Höhle stehen mit vorstehendem im Zusammenhang. Während die Hohlräume im Massenkalk infolge der Reinheit und Gleichmäßigkeit des Kalkes abgerundete,meist glatte Wände aufweisen, hat die Unreinheit des Hobräcker Kalkes mit seinem Grauwackezement sehr komplizierte, zerissene und äußerst schroffe Erosionsformen hervorgerufen.
3.) Das Zutagetreten des Grundwassers im unteren Hönnetal erlaubt hydrogeologische Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen Grundwasser und Höhlenbildung.
4.) Hinsichtlich der Tropfsteinbildung ist eine klare Gliederung der Höhle in 3 Stockwerke festzustellen. Dieses macht die Höhle zu einem wertvollen Studien- und Lehrobjekt." (Prof. Lotze, Münster)

Die Höhle enthält noch schöne Tropfstein- und Sintergebilde. Auch der Fotofreund findet noch dankbare Objekte.
Entdeckt wurde die Heinrich-Bernhard-Höhle 1930, als die Arbeiter Bernhard Klein und Heinrich Decker "Wetterfahnen" aus dem steinigen Boden aufsteigen sahen, was ihnen unerklärlich erschien. Als sie danach einen Dachs im Erdreich verschwinden sahen, begannen sie mit der Erforschung der Höhle. Durch jahrelanges Forträumen des Höhlenlehmes, Durchschlagen von Stufen und der Anbringung der Eisenleiter, alles Arbeiten, die von reinem Idealismus getragen wurden, konnte die Höhle erst 1942 erforscht werden. Heute ist sie staatlicher Besitz.


Quelle: Naturschutz in Westfalen, 10. Jahrgang 1950

Die neuentdeckte Tropfsteinhöhle
("Heinrich-Bernhard-Höhle")
im Oestertal bei Plettenberg

F. Lotze, Münster

Der Arbeiter Bernhard Klein in Plettenberg hatte bereits seit 15 Jahren das Vorhandensein einer Höhle in einem felsig hervortretenden Kalksteinzug südlich des Buerhahns, einer Anhöhe östlich von Lettmecke, vermutet. Seit 1934 hat er dann zusammen mit dem Arbeiter Heinrich Decker systematische Untersuchungen durchgeführt. Durch Abräumen von Gesteinsmassen wurde der Höhleneingang freigelegt und eine zunächst schmale Spalte aufgeschlossen. Dadurch wurde der Zugang zu der eigentlichen, teilweise recht geräumigen Höhle geschaffen.

Diese selbst wurde durch Schlagen von Stufen, durch Erweiterung niedriger Teile und Einbau von Leitern mit Geländer auf beträchtliche Erstreckung begehbar gemacht. Es ist eine bewundernswerte Arbeit, die so von den beiden Männern geleistet wurde; sie könnte eine gewisse Anerkennung dadurch finden, dass wir die Höhle als "Heinrich-Bernhard-Höhle" (nach den Vornamen der beiden Entdecker) benennen.

Man gelangt zu der Höhle von Lettmecke aus, einem Ortsteil von Plettenberg, durch das Tal, das bei Punkt 284 (Meßtischblatt Attendorn) von Osten her in dasjenige des Nuttmecker Baches ein mündet. Nach etwa 600 Metern gabelt es sich. Man geht dann in dem nördlichen Talast in südöstlicher Richtung weiter, seinen Windungen folgend, und gelant nach ca. 750 Meter an eine Stelle, wo von Nordosten her ein steiles Seitentälchen einmündet. Hier findet sich linker Hand (nördlich des Weges) ein kleiner verlassener Kalksteinbruch, und am steilen Hang darüber treten Kalke, z. T. Felsklippen bildend, zutage. In diesen befindet sich die Höhle.

Es handelt sich bei den Kalken um eine Einschaltung in den Hobräcker Schichten des Unteren Mitteldevons. Das Kalkvorkommen ist auf Blatt Attendorn der "Geologischen Spezialkarte von Preußen 1 : 25.000" verzeichnet (vergl. Abbildung). Es hat hiernach nur eine verhältnismäßig geringe Erstreckung. Vom Talgrund aus zieht es sich in nordnordöstlicher Richtung etwa 100 Meter weit hin und wird dann von einer Verwerfung abgeschnitten. Nördlich derselben setzt es, ca. 100 Meter nach Westen verschoben, wieder auf, um nach 120 Metern an einer weiteren Verwerfung zu endigen.


Die schätzungsweise 20 - 30 Meter mächtige, ziemlich steil gegen Südosten geneigte Kalkbank wird vorwiegend aus Organismen, und zwar insbesondere aus Riffbildnern wie Stromatoporen, Tabulaten und Tetrakorallen aufgebaut. In der Höhle sind Korallenstöcke vielfach zu sehen und durch die Auswaschung z. T. aus dem Gestein schön herauspräpariert. Es handelt sich bei dem Kalk also ganz offenbar um den Ansatz zur Bildung eines Korallenriffes auf einem ganz flachen, küstennahen Meeresboden. Das Riff konnte sich aber nicht voll entfalten, weil immer wieder sandige und tonige Einschwemmungen das Korallenwachstum störten. So sind denn auch die Kalkschichten sehr unrein und vielfach, besonders im tieferen und höheren Teil, stark von Grauwackenmaterial durchsetzt.

Die Höhle, deren Eingang etwa 20 Meter über Talsohle liegen mag, ist durch die Auslaugung dieses Kalkes entstanden. Der Kalk bildete wahrscheinlich ehedem eine steilere, felsige Talstufe, über die das Wasser von Nordosten und Südosten kommenden Bäche hinabfloss. Dieses drang durch die vorhandenen Gesteinsklüfte in das Kalkgebirge und erweiterte durch Auflösung des Kalkes während langer Zeiträume allmählich die Klüfte zu Spalten und schließlich zu der geräumigen Höhle von heute.

Zeitweilig mag der gesamte Bach seinen Weg durch die Höhle genommen haben, bis sich - vielleicht z. T. durch Einsturz von Höhlenteilen - der heutige Taleinschnitt herausbildete, das Erosionsniveau tiefer verlegte und der Bach seinen jetzigen Lauf erhielt.

Dieser Entstehung gemäß folgt die Höhle genau dem Streichen der Kalkzone in nordnordöstlicher Richtung. Nach schmälerem, etwas gewundenen Eingang, folgt eine starke Verengung; alsbald aber erweitert sich die Höhle zu einer geräumigen Halle. Diese ist z. T. mit ansehnlichen Tropfsteinbildungen, größeren Stalagtiten und einzelnen Stalagmiten, besetzt. Sie bilden sich heute größtenteils nicht mehr weiter, ja, eine größere, von Sickerwasser überflossene Sintermasse im vorderen Teil der Höhle zeigt sogar beträchtliche Korrosionserscheinungen, und das Wasser hat hierin eine tiefe Furche ausgewaschen.

Auf etwa 30 bis 40 Meter Länge (vom Eingang aus berechnet) bleibt die Höhle etwa im gleichen Niveau. Die weitere Fortsetzung geht recht steil in die Tiefe. Unten senkt sich die Höhlensohle weiter flacher gegen Nordosten ab. Im Gegensatz zu dem höheren, mit Tropfsteinen etwas reichlicher geschmückten Höhlenteil ist dieser untere arm an solchen und überhaupt recht trocken. An einzelnen Stellen sitzen auf den Wänden seitwärts gewachsene, büschelförmige Kalzitgebilde, die sich nicht aus freiem Sicker- und Tropfwasser, sondern aus der "Bergfeuchtigkeit" und dem in den Felsklüften vorhandenen "Schwitzwasser" abgeschieden haben.

Andrerseits zeigen diese tieferen Höhlenpartien sehr eindrucksvolle Erosionsformen, die das die Höhle ehedem durchfließende Wasser ausgewaschen hat. Sehr bizarre, schroffe und zackige Felspartien erzeugen den Eindruck einer wilden Zerrissenheit.
Zuletzt wird der weitere Abstieg durch eine Wasserlache unmöglich gemacht; es handelt sich dabei offenbar um den Spiegel des Grundwassers. Nach den Angaben von Klein zeigt er beträchtliche Schwankungen; so soll er in den letzten, recht trockenen Jahren stark gesunken sein; und 1944 soll das Wasser ganz verschwunden gewesen sein, so dass man im untersten Höhlenteil noch etwa 30 Meter weiter vordringen konnte.

Von der untersten Stelle aus, bis zu der ich bei meinem Besuch am 17.12.1949 gelangen konnte, führen schräg aufwärts weitere Höhlengänge, deren obere Teile sparsam mit Tropfsteinen und daneben mit "Kalzitbüscheln" besetzt sind. Diese Tropfsteine scheinen, wenigstens zum Teil, heute noch weiter zu wachsen.

In den nördlichen Teilen der Höhle scheint der Kalk teilweise dolomitisiert zu sein. Man kann das als Hinweis auf die Nähe der Verwerfungszone werten, die die nördliche Begrenzung der Kalkbank darstellt; solche sekundären Dolomitisierungen pflegen ja vielfach von Verwerfungsspalten auszugehen. Überhaupt erklärt sich das unvermittelte In-die-Tiefe-setzen der Höhle am leichtesten durch die Nähe der Verwerfungszone.

Hinsichtlich der Tropfsteinbildung lassen sich drei übereinander liegende Stockwerke unterscheiden:
1. ein unteres, in welchem sich keine eigentlichen Tropfsteine, sondern büschelförmige Ausblühungen bilden,
2. ein mitteleres, in welchem die Tropfsteine heute noch weiter wachsen,
3. ein oberes, in welchem heute keine Tropfsteine mehr entstehen, im Gegenteil vorhandene durch rinnendes Wasser wieder aufgelöst werden.

Diese Verhältnisse stehen offenbar mit dem Wasserhaushalt in Zusammenhang: im unteren Teil fehlt Tropfwasser fast ganz, im mittleren Teil ist es an Kalk gesättigt, so dass sich daraus bei der Verdunstung Kalk ausscheidet, im oberen ist es ungesättigt bzw. reich an freier Kohlensäure, so dass es hier auflösend wirkt.

Die Höhle, die inzwischen unter Naturschutz gestellt worden ist, weist gegenüber anderen westfälischen Höhlen folgende Besonderheiten auf:
1. Während die übrigen Tropfsteinhöhlen des Sauerlandes in dem dem Oberen Mitteldevon angehörenden Massenkalk liegen, befindet sich die Heinrich-Bernhard-Höhle in einem tief mitteldevonischen Korallenkalk.
2. Hiermit stehen die besonderen Erosionsformen im unteren Teil der Höhle im Zusammenhang. Während die Hohlräume im Massenkalk infolge der Reinheit und Gleichmäßigkeit des Kalkes abgerundete, meist glatte Wände aufweisen, hat die Unreinheit des Hobräcker Kalkes mit seinem Grauwackenzement sehr komplizierte, zerrissene, äußerst schroffe Erosionsformen hervorgerufen.
3. Das Zutagetreten des Grundwassers im unteren Höhlenteil erlaubt hydrogeologische Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen Grundwasser und Höhlenbildung.
4. Hinsichtlich der Tropfsteinbildung ist eine klare Gliederung der Höhle in drei Stockwerke festzustellen. Dieses macht die Höhle zu einem wertvollen Studien- und Lehrobjekt.


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