Artikel aus der Westfälischen Rundschau vom 16.11.1991
Baurat Reinke warf den "Ball ins Wasser" traumhafter Entwürfe
Stadtgebiet. (mau) Wie sagte schon der Dichter Goethe? "Von der Quelle bis zum
Meer mahlen viele Mühlen." Als hätte er gewußt, was auf die Plettenberger Kommunalpolitiker zukommt,
wenn sie bald in die Diskussion um die notwendige Sanierung von Frei- und Hallenbad, aber auch um die
mögliche Attraktivierung dieser reinen Zweckbäder eintreten. Ein weiter, weiter Weg bis zur Entscheidung
steht bevor, von riesigen Finanz(zwick)mühlen begleitet.
Die Mitglieder des Sportausschusses lehnten sich gemütlich in ihre komfortablen
Rathaussessel zurück, als Baurat Dr. Volkmar Reinke auf ihrer letzten Sitzung ein Einführungsreferat über
diesen kommunalpolitischen Dauerbrenner in der Vier-Täler-Stadt hielt. Die Luft war bereits nach seinen
ersten Sätzen raus, als deutlich wurde, daß man sich derzeit lediglich mit dem Gedanken zu befassen habe,
nicht aber mit dem Ausmaß der Maßnahmen und der damit verbundenen Kosten.
An der Wand prangten gleich über zehn Entwürfe aus drei verschiedenen, auf Bäder
spezialisierten Architekturbüros - einer komfortabler, großzügiger und dementsprechend teurer als der
andere. Verlockend also, doch wer soll die bis zu 21,6 Millionen Mark (die WR berichtete) für ein riesiges
Familien-Freizeitbad mit Innen- und Außenanlage im Grünetal aufbringen? Selbst fünf Millionen für die reine
Sanierung ohne Attraktivitätssteigerung sind kein Pappenstiel angesichts der bevorstehenden mageren
Jahre im Stadtsäckel.
Aber zurück zum 3-Stufen-Plan des Dr. Reinke, nachdem es zunächst nur darum gehe,
"den Ball ins Wasser zu werfen, alles mal abzuwägen". Danach solle ein Fachgutachter referieren und
Gedankenspiele fachlich beurteilen. Erst zuletzt hätten die Politiker über die detaillierte Planung
nachzudenken. Reinke: "Es geht noch lange nicht um die Länge einer Wasserrutsche oder eine Dachform."
Wobei um die Einlösung der Sanierungsverpflichtung kaum umhinzukommen sein wird. Darüber allerdings
herrscht interfraktionell Einigkeit: "Klar muß etwas gemacht werden."
" . . . was gegessen wird, entscheiden wir"
Dr. Reinke wog in seinen Gedankenspielen ab, ohne zu bewerten. Nicht von der Hand zu
weisen sei, daß die Zusammenlegung von Frei- und Hallenbad die enormen Betriebskosten von derzeit
jährlich rund 600.000 Mark deutlich drücken könne. Im Zuge einer Sanierung könne aber auch nur das
Hallenbad durch Mehraufwendungen attraktiviert oder eine neue, größere Anlage im Grünetal entstehen.
"Legen Sie sich bloß nicht zu früh fest", warnte Reinke angesichts der Komplexität des Themas.
Stadtdirektor Walter Stahlschmidt, durch und durch Realist, meldete sich zu Wort. "Eine
Investition von über 20 Millionen Mark schließe ich im Augenblick völlig aus. Die Architekten wollen uns mit
ihren Entwürfen offenbar Appetit machen, gehen beim Ausbau der Bäder bzw. dem Bau eines großen Bades
von einer Verzehnfachung der Einnahmen aus, von traumhaften Erträgen bei der Vermietung der Sauna und
unterbreiten erheblich gedrückte Betriebskosten. Der Sache stehe ich eher kritisch gegenüber", so
Stahlschmidt, womit er dem ein oder anderen Politiker sicher aus dem Herzen gesprochen hatte.
Siegfried Davideit von der SPD meinte, daß die Architekten "uns ja ruhig Appetit machen
dürfen, ob und was gegessen wird, das entscheiden aber wir". Auf seine Nachfrage hinsichtlich der jetzigen
Mängel an Plettenbergs beiden Bädern antwortete Dr. Reinke: "Die Mißstände sind zumindest so groß, daß
wir uns zu einer regelmäßigen Überprüfung entschlossen haben. Wir nehmen die Hinweise auf die
vorhandenen Mängel jedenfalls nicht auf die leichte Schulter."
Sportausschussvorsitzender Reinhard Schulz (CDU) erinnerte daran, vor der
Detaildiskussion zunächst einmal die Fachleute vom Architektenbüro Geller und Müller aus Mainz zu Wort
kommen zu lassen. Das sei im Preis (23 000 Mark) für ihr Gutachten schließlich enthalten. Schulz: "Die
Jungs sollen mal kommen. Vielleicht haben wir bis dahin ja auch noch gute Ideen. Und wie ich uns so
kenne, haben wir die!" Gelassenheit vor der sicher knallharten Debatte um eine Rieseninvestition.
Artikel aus der Westfälischen Rundschau vom 03.09.1991
Gutachten sollen Beantwortung der Attraktivitätsfrage erleichtern
Plettenberg. (mau) Am 1. Mai hätten die Pforten des Warmwasserfreibades
Plettenberg-Grünetal geöffnet werden können. Alles war vorbereitet. Wegen des miesen Wetters jedoch
wurde der Termin auf den 24. Mai verschoben. Erst Mitte Juli entwickelte sich der Sommer '91 zum echten
Hochsommer. Und erst zu diesem Zeitpunkt setzte der Run auf die "Badeanstalt" ein.
Obwohl die Besucherzahlen also eineinhalb Monate lang erheblich hinter den Erwartungen
zurückblieben, zieht Frank-Ulrich Sohn vom Sportamt jetzt kurz vor Toresschluß am 8. September
(bei schlechter Witterung früher) zufrieden Bilanz: "Mit vermutlich etwas über 57.000 Besuchern erreichen
wir die Zahl des Vorjahrs. "So unattraktiv, wie vielfach behauptet, kann's Freibad demnach nicht sein.
Dennoch sparen zum Ende der Freibadsaison einige Plettenberger nicht mit Kritik an der kostenintensiven
Freizeiteinrichtung und liefern sogar konkrete Verbesserungsvorschläge.
Besonders sauer ist verschiedenen Badbesuchern der Freibad-Kiosk aufgestoßen, den
seit nunmehr zwei Jahren Oliver Arndts betreibt. Zur nicht gerade umweltfreundlichen Plastikbecherfrage -
nur Bier wird in Flaschen gereicht - konnte der städtische Umweltbeauftragte Dietrich Schulze Horn wegen
Urlaubes gestern keine Stellung beziehen, Oliver Arndts aber zeigt sich mit dieser mangels geeigneter
Spülanlage vom Ordnungsamt empfohlenen Regelung zufrieden. "Würde ich alles in Pfandflaschen
verkaufen, ergäbe sich das Problem der Lagerung, des Umpackens der Kästen, des damit verbundenen
größeren Personalaufwandes und letztlich auch der fehlenden Kühle der Getränke", meint der Kioskbetreiber.
Gutachten sollen Beantwortung der Attraktivitätsfrage erleichtern
Und einen Schwarzen Peter schiebt er gleich an einige Besucher zurück: "Sie können sich
nicht vorstellen, wieviel Müll, den die Leute von zu Hause mitbringen, ich abends rund um den Kiosk
aufsammeln muß. Einwegflaschen, Plastiktüten. Dagegen nimmt sich das Plastikbecherproblem bescheiden
aus."
Beschwerden, er öffne zu spät, weist er zurück:"lch habe von der Stadt die Auflage, um
zehn Uhr zu öffnen. Daran halte ich mich." Ebenso den Vorwurf, der Kiosk habe sich zu einem
willkommenen morgentlichen Treffpunkt bierzechender Zeitgenossen entwickelt. "Wer bei mir ein Bier
bestellt, der bekommt auch eins."
Falsch liegt Arndts jedoch mit seiner Behauptung, jeden, der in seinem wie eine öffentliche
Gaststätte betriebenen Kiosk etwas verzehren und nicht schwimmen möchte, Eintritt durch die Hintertür zu
gewähren. Dazu Sportamtmann Sohn: "Alle, auch die, die nur in den Kiosk wollen, müssen wie jeder andere
Badegast am Haupteingang bezahlen."
Ansonsten nimmt Sohn den sich mühenden Oliver Arndts und dessen Mitarbeiter in
Schutz: "Im Freibad als Kioskbetreiber allen Ansprüchen gerecht zu werden, ist sicher schwer. Und Herr
Arndts macht das erst seit zwei Sommern. Vielleicht sollten ihm Anregungen zuerst einmal persönlich
mitgeteilt werden, anstatt ihn öffentlich herunterzuputzen." Sicher positiv: Arndts legt nach eigener Aussage
bei seinem Süßigkeitenangebot von fünf Pfennigen an aufwärts auf umweltverträgliche Verpackungen
besonderen Wert.
Spannend wird es hinsichtlich der Attraktivitätsfrage von Frei- und Hallenbad in
Plettenberg vermutlich im Oktober, wenn den Lokalpolitikern drei von der Stadt in Auftrag gegebene
Gutachten vorgestellt werden. "Ohne Moos nichts los" wird auch hier vermutlich der Leitspruch heißen, mit
dem sich Baurat Dr. Volkmar Reinke allerdings nicht anfreunden möchte. "Allein zur Bestandserhaltung sind
wir hier zum Handeln gezwungen", macht er deutlich, den notwendig gewordenen, sicher wählerwirksamen
Sparkurs nicht über Gebühr zu propagieren.
Zur Debatte stehe seit Jahren die sinnvolle Zusammenlegung des Baubetriebshofs mit der
Stadtgärtnerei, die derzeit noch unmittelbar ans Freibad angrenzt. Die Frage wird nach Reinkes Auffassung
in die Haushaltsplandebatte für 1992 einfließen müssen. Die zweite Frage, die sich aus einer möglichen
Zusammenführung ergibt, ist folgende: Was wird aus der frei werdenden Stadtgärtnereifläche im Grünetal?
Im Vorfeld sind unterschiedliche Nutzungsansprüche laut geworden. Gewerbliche Nutzung durch
emissionsarme Betriebe wie beispielsweise eine Auto- oder Motorradwerkstatt oder
Freibadflächenerweiterung? Alles Spekulation bisher, doch notierten sich Dr. Reinke und Frank-Ulrich Sohn
spontan eine Badegastanregung - übermittelt durch die WR.
So kann der Vorschlag, mit wenig finanziellem Aufwand die Fußballtennis-Betonplatte an
einen Randbereich der Liegewiese zu verlagern, durchaus kurzfristig verwirklicht werden. Auf diese Weise
dürfte die Stadt die Sonnenanbeter in der Umgebung der Fußballfelder, ständig belästigt durch
herumfliegende Fußbälle, wie auch die Bolzfans endlich in gleichem Maße zufriedenstellen. Vor allem
unabhängig von einer Entscheidung in Sachen Stadtgärtnereifläche.
Haare in der "Chlorsuppe" des Freibads wird jeder finden können, solange er nur
verbissen genug sucht. Sauberkeit der Toilettenanlagen beispielsweise. Dazu Frank-Ulrich Sohn: "Unsere
Wartefrauen erledigen ihre Aufgabe gründlich, stehen bei großem Besucheraufkommen sogar auf Abruf
bereit. Doch fängt die Hygiene meiner Meinung nach bei jedem einzelnen Benutzer der Toiletten selbst an."
Auch hinsichtlich der zu Spitzenzeiten mit über 3000 Besuchern vorhandenen Parkplatznot ist aus rein
geographischen Gründen in der Enge des Grünetals kaum Abhilfe zu schaffen. Doch verspricht Sohn, jeder
Anregung aus der Bevölkerung nachzugehen. "Dazu muß die Bevölkerung mir aber zunächst ihre Sorgen
mitteilen."
Und viele Plettenberger loben eben auch die zahlreichen positiven Seiten "ihres" Freibads.
Vergleichsweise niedriger Eintritt, ein freundliches und verständnisvolles Schwimmeisterteam mit Norbert
Geistert, Klaus Hägerbäumer, Reiner Holterhof und Henning Figge, das nur dann "stinksauer" wird, wenn
man sie als Bademeister tituliert, der Schwimmkanal, die reizvolle Lage und einiges mehr. Dennoch sind
Dinge verbesserungswürdig, doch werden sich darüber auf Gutachtenbasis vermutlich schon im Oktober
hoffentlich nicht allzu sparsame Politiker unterhalten. Immerhin erwächst auf der Lenneschiene im
benachbarten und bald komplett renovierten Frei- und Hallenbad Finnentrop attraktive Konkurrenz.