Quelle: Vertrag zwischen der Evang. Kirchengemeinde Ohle und Freiherr
Carl von Wrede über die Auflösung des Patronatsverhältnisses, Sig. 1.12.5,
Verfassung/Organisation/Verträge, fol. 1-6 im Kirchenarchiv Ohle, ergänzt
durch Martin Zimmer.
Vertrag über die Auflösung des
Patronatsverhältnisses
In die Amtszeit von Pastor Karl Friedrich Wille (1809-1870) fällt die Auflösung
des Patronatsverhältnisses zwischen den "Herren von Brüninghausen" und der Evangelischen
Kirchengemeinde Ohle - ein Ereignis, das die jahrhundertelange Bindung zwischen
Kirche und Patronat auflöste. Dieses Rechtsverhältnis glich seit der Reformation
einem Kuriosum, denn der Patron der Evangelischen Kirche Ohle war ein Katholik!
So hatte er u. a. das Recht, die Ohler Pfarrstelle zu besetzen. Zudem waren die
Patronatsherren zu Brüninghausen verpflichtet, in Fällen, da das Kirchenvermögen
zur Erhaltung der Kirche und Schule nicht ausreichte, zwei Drittel der erforderlichen
Kosten zu übernehmen.
"Das unnatürliche Verhältnis, daß der katholische Besitzer des Hauses Brüninghausen
Patron der Ohler Kirche war, führte zu Unzuträglichkeiten, sogar zu Prozessen. 1847
erklärte das Oberlandesgericht zu Hamm den Patron für schuldig, in Fällen, wo das
Kirchenvermögen zur Erhaltung der Kirche nicht zureicht, zwei Drittel der desfalls
erforderlichen Kosten beizutragen. Deshalb war die beste Lösung dieses Zustandes
die 1875 getroffene Auseinandersetzung, die den Freiherrn von Wrede nach Zahlung
von 5.250 Mark alle Patronatspflichten und -Rechte ledig erklärte. (*Diese Angaben
von P. D. Frommann über den Zeitpunkt und die Höhe der Ablösung stimmen mit dem im
Kirchenarchiv vorliegenden Original-Vertrag von 1869 nicht überein. Welche
Primärquellen P. D. Frommann benutzt hat, bleibt unklar)

Erste Seite des im Kirchenarchiv Ohle vorhandenen Ablösevertrages, "Verhandelt im Gasthof des Wirths Peter
Wilhelm Mayweg, No. 1 Cat. in Ohle, den 29. April 1800 achtund sechszig."
In alter Zeit war Haus Brüninghausen kurkölnisches Lehen und Stammhaus des
Geschlechts von Brüninghausen. Um 1370 wurde der aus zwei Burghäusern bestehende
Besitz geteilt. So gelangte Eberhard von Rüspe in den Besitz des Turmhauses.
Im Jahre 1401 wird er vom Kölner Erzbischof mit dem Oberhof "Oyle in parochia
Oyle" belehnt. Damit gelangten die von Rüspe auch in den Besitz des Patronats
über die Ohler Kirche und die patrimoniale Gerichtsbarkeit über die zum Oberhof
Ohle gehörenden Bauern.
Abschrift des Ablösevertrages vom 29. April 1868:
Verhandelt im Gasthof des Wirths Peter Wilhelm Mayweg, No. 1 Cat. in
Ohle, den 29. April 1800 achtund sechszug.
Behufs Aufnahme eines Ablöse Vertrages, hatte sich der unterschriebene
Commissar heute zur oben bezeichneten Wohnung begeben, woselbst angetroffen wurden:
1, Herr Domainen Rath Hofmeister von Arnsberg, als Vertreter des Herrn
Landraths, Freiherr Carl von Wrede-Amecke zu Nettlingen (Anm.: bei Hildesheim)
2, nachbetraute Personen als Repräsentanten der hiesigen Gemeinde Ohle,
a - Landwirth Caspar Diedrich Selter von Teindeln
b - Landwirth Johann Peter Mayweg von Erkelsen
c - Landwirth Friedrich Vollmer von hier
d - Gastwirth Peter Wilhelm Mayweg von hier
e - Landwirth Wilhelm Baberg von hier, als Vertreter des verstorbenen Landwirths
Peter Caspar Schmidt in Hilfringhausen
sämmtlich von Person und als dispositionsfähig bekannt.
Es wurde hiermit nachstehender Ablöse-Vertrag aufgenommen:
§ 1
Das dem Freiherrn Carl von Wrede-Am[e]ke als Fideikommißbesitzer des Guts
Brüninghausen (*Fideikommiß = unveräußerliches u. unteilbares Erbgut, Stammgut)
zustehende Patronat über die evangelische Kirchengemeinde zu Ohle wird mit dem
heutigen Tage in allen seinen Beziehungen aufgehoben. Insoweit insbesondere die
Befugnisse des Patrons die Ausübung eines Aufsichtsrechts über die Vermögensverwaltung
der hiesigen Gemeinde Ohle enthalten, erlöschen dieselben vollständig und erfolgt
die Beaufsichtigung der genannten Kirchengemeinde in Zukunft lediglich durch die
vorgesetzten Kirchen- und Staatsbehörden nach Maßgabe der Kirchenordnung vom 5-ten
März 1835 und der Kirchenverwaltungsordnung vom 7-ten May 1838. Ebenso erlischt
das dem Patronat zustehende Präsentationsrecht zur hiesigen Pfarrstelle und geht
dasselbe auf die Kirchengemeinde in Ohle in der Art über, daß Letztere durch ihr
Presbyterium und die größere Gemeinde Repräsentationen in Zukunft dem Geistlichen
nach §§ 4 bis 18 und 59 der Kirchenordnung vom 5. März 1835 selbst wählt.
§ 2
Andererseits erlöschen aber auch mit dem heutigen Tage die sämtlichen mit dem
Patronate verknüpften Verpflichtungen des Patrons, Freiherrn von Wrede-Amecke,
insbesondere die Verpflichtung zur theilweisen Bestreitung der aus dem
Kirchenvermögen nicht zu deckenden Baukosten der kirchlichen Gebäude nach §§ 712
bis 714, 720, 731 und 789 Lit. II/Theil II des Allgemeinen Landrechts, insbesondere
die im Hypothekenbuche der Gemeinde Ohle Band a, Blatt 163, Rubrica II no. 4
eingetragene Verpflichtung, des jedermaligen Besitzers des Guts Brüninghausen
als Patron der hiesigen Kirche in Fällen, in welchen das Kirchenvermögen zur Erhaltung
der hiesigen Kirche nicht nicht hinreicht, zwei Drittel der deshalb erforderlichen
Kosten beizutragen, und übernimmt die hiesige Kirchengemeinde für die Zukunft die
alleinige Bestreitung der sämmtlichen Unterhaltungsreparatur- und Neubaukosten der
sämmtlichen kirchlichen und Pfarrgebäude in Ohle, verzichtet auch auf alle
desselbigen Anspruchs an den Patron, bzw. an die Besitzer des Guts Grimminghausen,
sowohl für die Vergangenheit als für die Zukunft.
§ 3
Die hiesige evangelische Kirchengemeinde bewilligt die Löschung der im Hypothekenbuche
hiesiger Gemeinde, Band a, Blatt 163, Rubrica II No. 4 eingetragene Reallast über
das in § 1 bezeichnete Patronat und wird durch die Ablösung des Letzteren das
Verhältnis der hiesigen Kirchengemeinde zu den Besitzern des Guts Brüninghausen,
jedoch unbeschadet der aus einem Parochial-Verbande (= Kirchspiel) herreichende
Rechte und Pflichten vollständig gelöst, so daß die Besitzer und resp. Pächter des
Guts Brüninghausen nur insofern sie der evangelischen Confession angehören und
innerhalb des Parochialbezirks ihr Domizil haben, gleich allen übrigen Gemeindegliedern
zu den kirchlichen Lasten heran gezogen werden können.
So fern der letztere Fall nicht vorliegt, kann das Gut Brüninghausen von dem im
hiesigen Kirchspiel belegenen Grundbesitze in keiner Weise zu den Kirchbaukosten
dieser Gemeinde herangezogen werden. Dagegen erstreckt sich die vereinbarte Ablösung
lediglich auf die aus dem Patronate folgenden Rechte und Verpflichtungen und läßt
die etwa an die hiesigen kirchlichen Fonds zu entrichtenden Reallasten gänzlich
unberührt. Die dem Patron Freiherrn von Werde Amecke (= Name im Original so geschrieben)
zustehenden Privat-Sitz-Berechtigungen in der hiesigen evangelischen Kirche
werden jedoch - mit Ausnahme der für das Gut Brüninghausen zu reservierenden breiteren
Bank von ca. 3 Sitzen im Schiff links - der Kirchengemeinde in Ohle zur freien
Disposition des Presbyteriums überlassen.
§ 4
Für die in §§ 1 bis 3 kumulirten Ablösung des Patronats, insbesondere für die
Übernahme der gesamten Baupflicht hinsichtlich der kirchlichen und Pfarrgebäude
seitens der hiesigen Gemeinde zahlt der Freiherr Carl von Wrede-Amecke in
Nettlingen an die genannte Kirchengemeinde die Capitalabfindungssumme von 1.750
Thaler, buchstäblich "Eintausend-siebenhundert und fünfzig Thaler" binnen drei
Monaten. Zur Empfangnahme und Quittungsleistung über diesen Betrag wird das
Presbyterium hierselbst ermächtigt.
§ 5
Beide Theile entsagen allen Einreden gegen diesen Ablöse-Vertrag und verzichten
gegenseitig auf alle weiteren Ansprüche. Von den Kosten dieses Ablöse-Vertrages
übernimmt jeder Theil die Hälfte und wird beiderseits zweimalige Ausfertigung
dieser Verhandlung beantragt.
Vorgelesen genehmigt & unterschrieben
Hoffmeister, Caspar Diedr. Selter, Johann Pet. Mayweg, Fr. Vollmer, Pet. Wild.
Mayweg, W. Baberg.
Köppel, Assessor
wird hierdurch glaubhaft ausgefertigt Urkundlich unter Siegel und Unterschrift
des Gerichts
Plettenberg den 30-ten April 1868
Königliche Kreisgerichts Commission - Köppel
Ausfertigung für die evangelische Kirchen-Gemeinde zu Ohle, zu Händen des
Herrn Pfarrer Wille zu Ohle. Vorstehender Vertrag wird Namens der evangelischen
Kirchengemeinde hierdurch genehmigt.

Es folgen zwei Siegel und zwar
1. Münster, den 6-ten Februar 1869, Siegel des Königl. Consist. D. Provinz Westfalen
Nr. 232 c mit vier Unterschriften
2. Arnsberg, den 22. Januar 1869, Siegel der 'Königlich Preussische Regierung
zu Arnsberg' (Königliche Regierungs-Abtheilung des Innern, Nr. 388, drei
Unterschriften.
|