Quelle: Heimatblätter des mittleren Lennegebietes, Jahrgang 3, Nr. 9, Mitte Mai 1926

Sagen vom Schwarzenberg

Nach der Erbauung der Burg Schwarzenberg bei Plettenberg auf einem schmalen, steil abfallenden Höhenrücken im Jahr 1301 fehlte es den Rittern an einer geeigneten Wasserzufuhr. Der so dringend benötigte Brunnenbau bis zu dem 80 Meter tiefen Lennespiegel war schon oft besprochen worden. Die ungeheure Arbeit schreckte die Ritter aber immer wieder von dem Unternehmen ab. Die Sage erzählt nun von diesem Brunnenbau folgendes:

Die Arnsberger Ritter waren als böse Wegelagerer bekannt. Sie trieben ihre Räubereien auch in den benachbarten märkischen Landen. Engelbert von der Mark beschloss, gegen diese Raubritter zu Felde zu ziehen und bot seine Mannen zum Kampf gegen die Arnsberger auf. Unter seinen Kampfgenossen befanden sich auch die Burgmannen vom Schwarzenberg, Ritter vom Bomhoff und Ritter von der Wibbecke.
Nach einem heißen Tage, als sie von den Kämpfen des Tages ausruhten, sprachen sie auch wieder über die schlechte Wasserzufuhr auf der Burg Schwarzenberg. Die Streitgenossen verabredeten, noch in derselben Nacht 2 Hörige des Feindes abzufangen und zum Brunnenbau auf ihres Herrn Schloss zu zwingen.
Nach Eintritt der Dunkelheit begaben sie sich auf den Weg, um eine günstige Gelegenheit zu erspähen. In einem tiefen Walde stießen sie auf Bewaffnete der Arnsberger Raubritter. Schnell entschlossen drangen die beiden Schwarzenberger in das kleine Häuflein der Feinde und schlugen diese durch ihre Tolkühnheit in die Flucht. Die letzten beiden der Fliehenden wurden aber eingeholt und gebunden. Dann ging es zurück zum Schwarzenberg.

Mittlerweile graute der Morgen. Düster blickten die Gefangenen um sich, ahnend, dass ihnen ein schweres Schicksal bevorstand, denn gewöhnlich wurden die gefangenen Strauchdiebe an dem nächsten Baum aufgehängt. Nach einigen Stunden wurde den Gefangenen bedeutet, einen Brunnen zu graben oder zu sterben. Finsteren Blickes begannen die Gefangenen das schwere Werk, mussten sie vielleicht doch bis an den Wasserstand der Lenne graben. Mühsam und langsam drangen sie in den Fels. In den ersten Tagen konnten die Unglücklichen wenigstens noch die Sonne sehen und nachts ihre müden Glieder auf dem Schlosshof ausstrecken. Doch bald, als sie tiefer drangen, mussten sie Tag und Nacht im Brunnenschacht verbringen. Sitzend und zusammengekauert erwarteten sie den Morgen. Die wenigen Speisen wurden ihnen durch die Kette, an der das Geröll hochgezogen wurde, in die Tiefe gelassen.

Allein und verlassen, nur ein einziges Stück Himmel erblickend, flehen sie zu Gott, sie von ihrem harten Los zu erlösen. Entkräftigt und entmutigt schritt die Arbeit langsam vorwärts. Einige Monate waren sie schon im Brunnenschacht. Mit wunden und zerschundenen Gliedern hoben sie wieder ein Stück Fels ab und da trat plötzlich das Wasser mit einem kräftigen Strahl hervor. Erst als sie ihre brennenden Lippen und Glieder an dem Wasser gekühlt hatten, kam ihnen zum Bewußtsein, dass sie jetzt wieder frei seien. In freudiger Erregung berichteten sie das Vorhandensein des Wassers nach oben, und nach kurzer Zeit wurden sie nach monatelanger Dämmerung ans Tageslicht gezogen. Uebergroß war die Freude der Unglücklichen und, Gott für die wiedergewonnene Freiheit dankend, fielen sie sich in die Arme. Doch die Anstrengungen und Entbehrungen waren zu groß gewesen. Kaum waren sie einige Schritte gegangen, fielen sie vor den Füßen ihrer Peiniger tot zur Erde.


Des Burgfräuleins Sprung in die Lenne

In einem Burgmannshaus wohnte einst der wilde Ritter Dietrich. Spiel und Trunk waren seine Beschäftigung, wenn er nicht gerade an einem Jagd- oder Kriegszug teilnahm. Von den Burgfrauen und Fräulein war er wegen seines wenig tugendhaften Lebenswandels gefürchtet. An einem wunderschönen Sommerabend ging ein Burgfräulein außerhalb der Burg spazieren, als sie plötzlich Schritte hinter sich hörte. Sich umblickend, gewahrte sie den Ritter Dietrich, der eilig hinter ihr herkam. Nichts Gutes ahnend, lief das Burgfräulein über den Felsrücken dem steilen Lennefelsen zu. Die Angst gab ihr ungeahnte Kraft, doch der Verfolger kam immer näher. Als sie nun keinen anderen Ausweg mehr sah, stürzte sie sich in ihrer Todesangst von dem hohen Felsen in die Lenne und rettete sich vor dem wilden Ritter an das andere Ufer.


Der Felsenstuhl des Grafen Engelbert

Nördlich der Ruine, unweit des hohen Felsens an der Lenne, befindet sich im Felsen eine sitzartige Vertiefung. Die Sage berichtet, dass Graf Engelbert von der Mark hier mit Vorliebe gesessen haben soll und sich dort von seinen Kämpfen und Fehden ausruhte. Von hier aus soll er mit besonderem Wohlgefallen auf sein land an der Lenne geschaut haben. Noch heute wird dieser Felsenstuhl der Engelbertstuhl genannt.


Der Geist im Flammenmantel

Doch auch der Spuk ist heimisch in dem alten Gemäuer. Im vorigen Jahrhundert sahen die Bewohner in einer stürmischen Gewitternacht auf dem Gemäuer der Burg eine überlebensgroße Gestalt in einem wehenden Flammenmantel, aus dem die Feuergarben züngelten. Die Bewohner erzählten sich von einem bevorstehenden schweren Unglück auf der Burg. Und kurze Zeit nachher schlug der Blitz auf der Burg ein und der Brand zerstörte die Reste der der stolzen märkischen Veste. In dunklen stürmischen Gewitternächten soll man heute noch die Gestalt in dem wehenden Feuermantel sehen können.


Quelle: WP (Westfalenpost) vom 11.04.1953

Der Klausner von Plettenberg

Einst machte der (Ritter) von Schnellenberg einen Überfall auf die Stadt Plettenberg. Es wäre ihr übel ergangen, wäre nicht der Ritter von der Schwarzenburg der Stadt zu Hilfe gekommen. So aber wurden die Schnellenberger jämmerlich in die Flucht geschlagen.

Der Schwarzenberger Ritter erfuhr großen Dank, doch man gab ihm diesen Dank nur ungern, denn er war ein jähzorniger Mensch, und jedermann mußte sich fürchten vor seinem Schwert, das allzu lose in der Scheide saß. So hätte er auch an der Tafel, daran die Sieger saßen, im Jähzorn einen anderen Ritter um einer nichtigen willen erschlagen, wären nicht die anderen Herren dazwischengesprungen. Sie drängten den Wütenden aus dem Saal. Der Ritter tat einen Racheschwur und ritt davon.

Als er aber durch den grünen Wald kam, wurde ihm plötzlich das Herz weit von der Schönheit der Natur und ihrem Frieden. Er bereute seine Tat und sann darüber nach, wie er sie sühnen könne. Da gedachte er der Wallfahrtskapelle auf dem Heiligen Stuhl, jener Höhe, die nicht weit von seiner Burg entfernt lag. Dorthin nahm er seinen Weg.

Der Klausner saß gerade auf einer Bank vor der Kapelle, als der Ritter erschien. Der Schwarzenberger erzählte reumütig von seinem argen Sinn und wollte von dem Klausner einen guten Rat haben. Der Klausner sprach: "Am Wege, der von deiner Burg zur Stadt Plettenberg führt, liegt eine Quelle. Du kennst sie. Ihr Wasser hat die Kraft, kranke Augen gesund zu machen. Wenn aber die Quelle getrübt wird, sei es nur durch ein fallendes Blatt oder durch einen Stein, verliert sie die Wunderkraft. So gehe hin und hüte das Wasser, damit viele des Segens teilhaftig werden!"

Der Ritter folgte dem Rat. Er ging hin, baute sich eine Hütte aus Reisig und bewachte fortan als Klausner die wundertätige Quelle. Sein jäher Sinn legte sich. Sein schnelles Schwert war vergessen. Jetzt lauschte er in Freuden den Glocken, die von Plettenberg, der nahen Stadt, herüberklangen in seine Einsamkeit.

Eines Tages kam ein Pilger gegangen, der tastete an einem Stab den Weg zur Quelle. Fast blind war der Pilger. Der ritterliche Klausner stand auf, den Armen heranzuführen. Da erkannte er in ihm einen seiner alten Feinde. Im Augenblick erwachte wieder der unselige Zorn in dem Ritter, er setzte seinen Fuß in die Quelle, das Wasser war sogleich getrübt und konnte keine Hilfe mehr bringen. Der Pilger wandte sich mit leidvoller Miene und ging stumm von dannen.

Da erkannte der Klausner, was er getan. Er fiel reumütig auf seine Knie und betete. Gott aber strafte ihn, denn von nun an waren seine Ohren gehalten, daß sie nie mehr die Glocken klingen hörten. So ward ihm die Freude genommen bis an sein Ende.

Jene Stelle, da der Klausner an der Quelle wohnte, heißt heute noch der Klusener Siepen. Und es ist geblieben bis auf den heutigen Tag, daß man die Glocken der Plettenberger Kirchen hier nicht vernehmen kann, so nahe sie auch sind.


Quelle: ST vom 08.02.195? - "Alte Sagen um den Sundern bei Ohle", Albold

Alte Sagen um den Sundern bei Ohle

Das Gespenst auf der Hünenburg

Es war am Ende des siebzehnten Jahrhunderts, da war ein Köhler mit Namen Johannes N. am Sundern bei Ohle, unterhalb der Hünenburg, damit beschäftigt, das Holz für einen neuen Meiler zu fällen. Nach Köhlerart hatte er sich, um die Unbilden der Witterung besser ertragen zu können, aus Ginsterbüschen und Stangengehölz in der Nähe seines Arbeitsplatzes eine Hütte aufgeschlagen.

Als nun die Mittagszeit gekommen war, und er sich in seine Hütte zurückgezogen hatte, sein ärmliches Mahl zu verzehren, da sieht er auf einmal eine überaus seltsame Gestalt vor sich. Es ist ein Mann mit hohen Stulpstiefeln, langer Schoßweste mit silbernen Knöpfen, blauem Frack und dreispitzigem Hut.

Unser Johannes wusste sofort, dass er es mit einem übernatürlichen Wesen, mit einem Gespenst, zu tun hatte, das nach der Art der vornehmen Geister das Recht hatte, um die Mittagsstunde umzugehen. Er sah auch bald, dass dem unheimlichen Wanderer der Edelmann auf dem Gesicht geschrieben stand, und ehrfürchtig lüftete Johannes aus angeborenem Respekt seine Kappe. "Fort mit dir!", herrschte der Edelmann den Köhler an. "Was tuest du Lümmel hier mitten auf dem Fahrwege zu meiner Burg?" Und ehe noch der erschrockene Köhler recht zur Besinnung kam, war der gespenstige Ritter mitten durch die Hütte hindurchgeschritten, als wären die Ginsterwände eitel Luft. Johannes sah noch, wie die Gestalt im Torwege zur Burg verschwand.

Zitternd raffte der Köhler das Gestänge und die Ginsterwände seiner Hütte zusammen und trug sie, um den gestrengen Herrn nicht zu beleidigen, an einen anderen Fleck. Aber vergebens! Am andern Mittag erschien der Edelmann wieder und rief um einen Ton lauter: "Fort mit dir! Was tuest du hier mitten auf dem Reitwege zu meiner Burg?"Und wieder schritt er, noch ehe Johannes etwas unternehmen konnte, gespenstig mitten durch die Hütte hindurch zu den Trümmern der alten Burg. Der Köhler fürchtete sich noch mehr und beeilte sich wiederum, an einer noch entfernter liegenden Stelle seine Hütte aufzubauen.

Aber wieder war es umsonst, denn am Mittag des nächsten Tages erschien der Edelmann zum dritten Mal und schrie schon von weitem den Köhler zu: "Fort mit dir! Was tuest du auf dem Schleichwege zu meiner Burg?"
Diesmal aber war der Köhler schneller und hatte seine Hütte schon niedergelegt, als der Ritter herankam. Dieser rasche Gehorsam gefiel anscheinend dem gestrengen Herrn. Sein Angesicht legte sich in gnädige Falten. Er nickte und winkte dem Köhler zu. "Folge mir", sprach er. Seine Mütze in der Hand, keinen Widerspruch wagend, ging Johannes hinter dem Ritter her.

Siehe, da standen sie auf einmal vor einer geheimen Pforte im Walle, die Johannes früher noch nie gesehen hatte. Der Ritter führte ihn hindurch in ein großes unterirdisches Gewölbe voll von altertümlichen Kisten und Truhen.

"Johannes", sagte da der Ritter und setzte sich auf seinen alten Kasten. "Johannes, ich war der letzte Ritter, der hier gehaust hat. Und wie du jetzt vor mir zitterst, so und noch ganz anders haben hier viele vor mir gekniet, gezittert und um Gnade gefleht. Mich aber kümmerte ihr Winseln nicht. Ich nahm ihre Schätze und ihr Leben. Hei, das war eine lustige Welt! Rauben und Morden da drunten im Lennetal und dann hier das Zechen und Jubeln in der Burg! Nun aber muss ich büßen und muss wandern hin und her an allen Stätten, wo ich vor Zeiten gefrevelt habe. Und ich bin überall gewesen, dann muss ich hier sitzen bis die Wanderung wieder anhebt, hier vor diesen Kästen und Truhen muss ich sitzen, vor allem, was ich zusammengeraubt und was meine Feinde nicht fanden, als sie mein Nest zerstörten. Und all das Blut, das an den Schätzen klebt, kommt mir wieder vor die Seele, und hier" - dabei lüftete er den Deckel zur nächsten Truhe und hob ein Bündel glänzender Ringe hoch empor - "hier in diesen Ringen sehe ich wieder die Finger der Erschlagenen, die ich abschnitte, um bequemer ihre Kleinodien zu rauben."

Den Köhler überlief es heiß und kalt, als der Ritter so erzählte, und ob ihm auch unter anderen Umständen die blitzenden Dinger arg gefallen hätten, jetzt war es ihm, als sähe er auch, was der Ritter sah, und als stiege ein Modergeruch aus den großen Kisten empor, als zöge eine bluttriefende Geisterschar gespenstig durch das Gewölbe, als hörte er das Ächzen der Verwundeten, das Fluchen und Beten der Sterbenden, und das Haar stand ihm, wie er hernach sagte, "pilricht in de Lucht!".

Aber als nun der Ritter zu ihm sagte: "Johannes, du kannst mich erlösen, wenn du die silbernen und goldenen Geräte, die Ketten, Ringe und Münzen nimmst und sie wieder in den Verkehr bringst; nimm sie, sie sind dein!" - Da raffte sich unser Johannes jählings auf. Es war ihm, als wäre der Mann mit dem Dreispitz und dem blauen Frack der Teufel selber, und spornstreichs rannte er davon, als brenne die Hölle hinter ihm. Schleunigst nahm er seine Hütte und brachte sie, da er alle Wege kannte, auf denen der Ritter umherging, wieder an eine andere Stelle. Und nun hatte er seine Ruhe vor dem ruchlosen Umgänger.

Als Johannes später die Geschichte einmal erzählte, haben viele nach jenem versteckten Pförtchen gesucht, denn nicht alle Menschen haben ein so zart besaitetes Gewissen wie der Köhler. Sie meinten wie der römische Königssohn: "pecunia non olet", d. h., "Es stinkt nicht, man riecht es dem Golde nicht an, wer es gehabt hat oder woher es stammt." Andere wieder meinten, die Jahrhunderte hätten wohl den Höllenrost des Blutes und der Frevel abgewischt, und es sei daher nicht mehr gefährlich, die alten Schätze zu heben und zu besitzen. Indes, so viel sie suchten, die geheimnisvolle Pforte fand keiner wieder.

Die besten Freunde des Köhlers aber, der noch immer von Zeit zu Zeit von seiner sicheren Hütte aus auf dem einen oder anderen Burgberge den gespenstigen Ritter umgehen sah, haben ihn oftmals bestürmt, er möge ihnen doch zu einer Begegnung mit dem Geiste verhelfen. Johannes war durchaus nicht abgeneigt, gegen einen soliden Schluck aus der Flasche eine solche Bitte zu erfüllen.

Aber, wie der Erfolg bewies, war das Sehen des ritterlichen Gespenstes an eine ganz besondere Bedingung geknüpft. Den Geist konnte nur jemand erblicken, der wie unser Johannes am 29. Februar, gerade dann, wenn der Tag auf einen Sonntag fiel, mittags 12 und 13 Uhr geboren war. Wenn darum der Köhler seine Besucher auf einen der drei Burgwege geführt hatte und, indem er sich selbst schaudernd zurückhielt, hinüberzeigte: "Seht, da schleicht der Ritter wieder!", da sahen die anderen nichts als Gestrüpp und Büsche, und heute noch liegt im Sundern uneröffnet das Gewölbe mit seinen Truhen und Kleinodien und wartet des Sonntagskindes mit weitem Gewissen und habgierigem Herzen.


Quelle: ST vom 08.02.195? - "Alte Sagen um den Sundern bei Ohle", Albold

Von den Riesen auf der Hünenburg

In der Hünenburg auf dem Sundern lebten in der Urzeit Riesen. Sie waren von ungeheuren Dimensionen. Wenn zum Beispiel die Riesenfräulein sich waschen wollten, so kamen sie aus ihrer Burg heraus. Dann setzten sie den einen Fuß auf den Sundern, den anderen aber gegenüber im Tal auf die Höhe des Stübels. Ihr gewaltiges Handtuch war über die Schultern gelegt, und so beugten sie sich zur Lenne hinab, um Hände und Gesicht zu reinigen. Das geschah in der Höhe des heutigen Dorfes Böddinghausen. Daran kann man das "Format" ermessen, das diese Riesenjungfern vom Sundern einst gehabt haben.