Polizeiverwaltung in den Jahren 1932 - 1936

zusammengestellt von Horst Hassel 2013

Bericht für die Zeit vom 1. April 1932 bis 31. März 1936


I. Allgemeines
Die Geschäfte der Ortspolizeibehörde wurden von dem Bürgermeister als Polizeiverwalter wahrgenommen. Leiter der Exekutivpolizei war bis zum 31. Mai 1934 der Polizeimeister Lange. Der Pol.Mstr. wurde am 1. Juni 1934 durch Erlass des M. d. J. als Kriminalkommissar nach Göttingen versetzt. Vom 01.04.1932 bis 30.09.1932 wurde der Exekutivdienst von 4 Polizeibeamten ausgeführt.

Am 30.09.1932 trat der Polizei-Hauptwachtmeister Wilhelm Becker nach einer Gesamtdienstzeit von 28 Jahren, wovon er über 25 Jahre im Dienste der Stadt Plettenberg gewirkt hatte, durch Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand.

Da von dem Herrn Reg.Präs. 2 neue POlizeibeamtenstellen bewilligt waren, wurden am 1. Oktober drei neue Polizeibeamten eingestellt. Es waren dies die Versorgungsanwärter Albert Düsselbach aus Elbing und Johann Keller aus Hamm sowie der Pol.-Hauptwachtmeister Gottlieb Bastek aus Duisburg-Hamborn.

Die drei genannten Beamten wurden zunächst auf eine Probedienstzeit von 6 Monaten eingestellt. Durch die Neueinstellung der Beamten erfuhr die Polizei die schon lange notwendige Verstärkung. Der Nachtdienst wurde von der Zeit ab von 2 Beamten versehen. Auch war die Polizeiwache dauernd mit einem Polizeibeamten besetzt, so dass für polizeilichen Schutz weitgehend gesorgt war.

Mit Anfang März 1933 bis zur Auflösung im August selbigen Jahres wurde zeitweise die neugeschaffene Hilfspolizei zum Dienst herangezogen. Durchweg kann den Hilfspolizeibeamten nur das grösste Lob gezollt werden. Sie waren diensteifrig und gingen völlig im Dienst der Sache auf. Für die Polizei waren sie eine willkommene und notwendige Hilfe, die in den lebhaften Zeiten nicht entbehrt werden kann.

Die Ausrüstung der Polizeibeamten ist so, dass diese den staatlichen Bestimmungen voll und ganz entspricht.
(handschriftlicher Vermerk am Rande: "X - Tödlicher Unfall" und "Ib")
Leider wurde Anfangs 1934 auf Grund einer Anordnung des Herrn Landrat die Polizeimeister- sowie 2 Hauptwachtmeisterstellen als künftig wegfallend bezeichnet, so dass nach Ausscheiden der Stelleninhaber diese Stellen wegfielen.

Dieses trat schon zunächst in Erscheinung, als, wie eingangs erwähnt, der Polizeimeister Lange versetzt wurde. Schon im Laufe des Jahres 1935 fielen ebenfalls die beiden anderen Stellen weg und zwar wurde am 01.06.1935 der Polizeihauptwachtmeister Dorsch nach Kierspe und am 01.10.1935 der Polizeihauptwachtmeister Bastek nach Iserlohn versetzt. Nach dieser Zeit, und zwar bis zum Schluss der Berichtszeit, wurde der Polizeidienst nur von 4 Beamten durchgeführt, so dass eine dauernde Besetzung der Polizeiwache sowie eine doppelte Besetzung des Nachtdienstes wegfiel.

Die Schulung der Polizeibeamten erfolgte auf Grund einer Verfügung des Herrn Landrat gemeinsam mit den Gendarmeriebeamten des Kreises. AUßerdem fanden monatlich Ortsdienstversammlungen unter der Aufsicht des Bürgermeisters statt.

II. Gewerbepolizei
Die Zahl der in der Stadt Plettenberg vorhandenen gewerblichen Betriebe schwankte zwischen 146 bis 155 und zwar
1932/33 146 Betriebe
1933/34 149 Betriebe
1934/35 155 Betriebe
1935/36 155 Betriebe
Die Betriebe wurden jährlich einer mehrmaligen Kontrolle unterzogen. Auf die vorhandenen Mängel wurden die Inhaber an Ort und Stelle aufmerksam gemacht und für Abstellung derselben Sorge getragen. Die Neuerrichtung von Betrieben wurde besonders überwacht und wurden die gewerbepolizeilichen Bestimmungen durchgeführt.

In der Berichtszeit wurden 182 Arbeitsbücher ausgestellt und zwar
1932/33 28 Arbeitsbücher
1933/34 66 Arbeitsbücher
1934/35 66 Arbeitsbücher
1935/36 22 Arbeitsbücher

Die Zahl der Unfälle betrug 692. Diese verteilten sich auf die einzelnen Jahre wie folgt:
1932/33 111 Unfälle
1933/34 131 Unfälle
1934/35 223 Unfälle
1935/36 227 Unfälle
Unter diesen Unfällen befanden sich 7 landwirtschaftliche Unfälle.
An Gast- und Schankwirtschaften waren in der Berichtszeit 22 vorhanden. Außerdem bestanden für 15 Verkaufsstellen Erlaubnis zum Verkauf von Spirituosen in Flaschen.


Quelle: Süderländer Tageblatt vom 19.04.2011

Zweifacher Totschlag für etwas Fleisch
Zwei Polizisten werden 1920 bei versuchter Festnahme erschossen. Alles beginnt mit einem einfachen Viehdiebstahl


Beamte und Angestellte des damaligen Amtes Plettenberg trauerten um ihre Kollegen.

PLETTENBERG. Die Zahl der Übergriffe auf Polizisten in Deutschland ist in den letzten Jahren drastisch angestiegen. Das zeigen zumindest verschiedene statistische Erhebungen. Doch ist die Gewalt gegenüber Staatsbediensteten wirklich gewachsen und der Respekt vor ihnen geschwunden? Vor rund 90 Jahren ereignete sich in Plettenberg ein Mord an zwei Polizisten, dessen Kaltblütigkeit viele der gegenwärtigen Übergriffe in den Schatten stellt.

Irgendwo in Plettenberg, auf einer unbewachten Weide - nachts. Vom 22. auf den 23. Juni 1920 betreten die beiden vorbestraften Vettern Karl Leonhardt aus Hilfringhausen und Willi Teipel aus Eiringhausen die Wiese. Ihre Absicht: eine Kuh stehlen, sie schlachten und das Fleisch verkaufen. Damit stehen die beiden zu jener Zeit nicht alleine. So genannte "Geheimschlachtungen" sind in einer Zeit des Mangels, vor allem des Mangels an kostengünstigen Nahrungsmitteln, keine Seltenheit. Ihr Plan geht zunächst auf. Sie töten die Kuh, schlachten sie und verstecken das Fleisch zunächst, wie sie später vor Gericht aussagen, "in den Tannen". Am Abend des 23. Juni holen die Viehdiebe ihr Fleisch aus dem Versteck und bringen es in das Haus von Karl Leonhardt. Dort wird es verkaufsfertig verpackt.

Auseinandersetzung am Bahnhof Ohle
Die beiden treffen sich am folgenden Tag erneut. In den frühen Morgenstunden begeben sie sich zum Bahnhof in Ohle. Von dort aus wollen sie per Zug nach Hagen fahren, um dort ihr "illegales" Fleisch zu verkaufen. Geheimschlachtungen sind auch damals bereits verboten. Mit einem Schließkorb voller Fleisch kaufen sie beim Bahnbediensteten Erlemann zwei Tickets. Doch diesem kommt "die Sache verdächtig" vor. Er informiert Wachtmeister Karl Thiele, der zusammen mit seinem Kollegen Wilhelm Langhammer in Ohle erscheint. Erlemann gibt später zu Protokoll, er habe Langhammer noch ausdrücklich vor dem stadtbekannten Willi Teipel gewarnt.

Doch dieser Warnung bedurfte es nicht. Denn das Verhältnis zwischen dem Polizeiwachtmeister und dem 23-jährigen Arbeiter ist bereits mehr als gespannt. Mehrere Zeugen bestätigen später vor Gericht, dass Langhammer bei jedem Vorfall als erstes Willi Teipel in Verdacht hatte. Und dieser ist darüber natürlich alles andere als angetan.

Morddrohungen ausgesprochen
Bis die beiden Polizisten am Ort des Geschehens eintreffen, sind Leonhardt und Teipel bereits auf einer Bank im Wartesaal eingeschlafen. Nun werden sie unsanft geweckt. Thiele geht voraus und schaut sich den Schließkorb an. Nachdem er dessen Inhalt geprüft hat, wird der Korb beschlagnahmt. Die beiden Vettern werden aufgefordert den Bahnhof zu verlassen. Außerdem müssten sie sich bald mit einer Strafanzeige konfrontiert sehen. Es kommt zu einem Wortgefecht zwischen den Viehdieben und den Wachtmeistern, in den auch die Bahnbediensteten hineingezogen werden. Bahnwärter Brenscheid sagt später vor Gericht aus, Willi Teipel habe seinem Kollegen Erlemann offen gedroht: "Du Dicker, du lebst keine acht Tage mehr!" Offensichtlich hat Teipel gemerkt, wer ihn und seinen Vetter an die Polizei verraten hat.

Eine ähnliche Drohung spricht Teipel auch gegenüber Wachtmeister Thiele aus, ehe die Vettern das Bahnhofsgelände fluchtartig verlassen und sich so einer Festnahme entziehen wollen. Sie begeben sich in die Wohnung Karl Leonhardts und setzen sich dort an den Küchentisch. In der Wohnung befinden sich außerdem die Mutter und die Frau Karl Leonhardts. Was angeblich niemand von ihnen weiß: Willi Teipel hat in seiner rechten Hosentasche einen Revolver. Im März 1920 hat er die "Browning" einem Gardisten abgekauft. Durch das Fenster der Wohnung kann er nun sehen, wie die beiden Polizisten sich der Tür nähern. Willi Teipel bleibt ruhig sitzen.

Versuchte Festnahme im Haus Leonhardt
Als auch die Mutter Karl Leonhardts sieht, wie sich die Beamten nähern, verlangt sie von den beiden Viehdieben, das Haus zu verlassen. Erfolglos. Thiele und Langhammer sind in Begleitung des Fabrikarbeiters Pickardt, der sie zu der Wohnung Leonhardts führt. Er wird von den Beamten aufgefordert das Haus ebenfalls zu betreten, was dieser jedoch energisch ablehnt. Nach seiner Aussage habe nur Langhammer das Haus Leonhardts betreten. Thiele sei vor dem Haus geblieben ohne seine Waffe gezückt zu haben.

Andere Zeugen beschreiben jedoch ein anderes Szenario. Demnach sei Thiele als erster voraus in die Wohnung gegangen und habe den beiden mitgeteilt, sie seien festgenommen. Karl Leonhardt folgt seiner Verhaftung widerstandslos. Erst danach betritt Wilhelm Langhammer das Haus und befiehlt in einem aggressiven Ton, Teipel solle die Hände hoch nehmen. Nachdem dieser der Aufforderung mehrmals nicht nachkommt, gibt Langhammer zunächst einige Schreckschüsse in den Boden ab. Als auch diese nichts bewirken, sieht sich Langhammer gezwungen, Willi Teipel ins Bein zu schießen. Die Frau Karl Leonhardts gibt später zu Protokoll, dass Langhammer einen sehr aufgeregten Eindruck gemacht habe, als er in die Wohnung kam. Erschreckender sei jedoch das Gefühl gewesen, das der verletzte Willi Teipel in der jungen Frau erzeugt. Er habe "einen unheimlichen Eindruck" auf sie gemacht.

Willi Teipel - "das ständige Sorgenkind"
Willi Teipel ist 1920 in dem kleinen Städtchen Plettenberg kein unbeschriebenes Blatt. Aus dem Ersten Weltkrieg kehrt er als Verwundeter zurück. Er gesteht, sehr leicht erregbar zu sein und zu Jähzorn zu neigen. Bereits 1915, mit 18 Jahren, wurde er zum ersten Mal verurteilt. Damals erhielt er mehrere Monate Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung, die er seiner eigenen Mutter zugefügt hatte. Der Sachverständige im späteren Prozess gegen Teipel, Dr. Bettler, stellt dennoch fest, dass er "in keinster Weise geisteskrank oder irgendwie erheblich belastet ist". Seine Mutter nimmt ihn im Verlauf des Prozesses dennoch in Schutz. Wachtmeister Langhammer habe mehrmals ihren Sohn zu Unrecht verschiedenster Verbrechen überführen wollen.

Auch der örtliche Kaplan Tilli sieht in Willi Teipel ein "ständiges Sorgenkind". Gendarmeriewachtmeister Gutz hält nicht viel von Teipel. Er habe selber des öfteren die Drohungen Teipels gegen Langhammer gehört. Ob diese von den vielen falschen Verdächtigungen herrühren, kann er nicht sagen. Allerdings kennt er Teipel "als Taugenichts von Jugend an".


Mit einer solchen Waffe wurden die beiden Polizisten erschossen.

Die Situation eskaliert: Schüsse fallen
Als Willi Teipel verwundet am Boden liegt, schickt er die Mutter und die Frau seines Vetters aus dem Zimmer. Wachtmeister Langhammer befindet sich zu diesem Zeitpunkt vor der Wohnung Leonhardts. Nach dem Beinschuss sagt Teipel, er könne nicht mehr gehen. Wilhelm Langhammer spricht daher mit dem Landwirtschaftsgehilfen Baberg über die Überlassung eines Fuhrwerks, mit dem er den Verwundeten transportieren kann.

Nachdem er die Wohnung wieder betritt, liegt Teipel immer noch am Boden. Den späteren Zeugenaussagen zur Folge baut sich der Polizist vor ihm auf und sagt: "Du Aas, das tut gut, jetzt wollen wir mal abrechnen!" Vor Gericht sagt Teipel später aus, er habe sich dadurch bedroht gefühlt.
Der Bahnarbeiter Plankemann, der im selben Haus wohnt, gibt später zu Protokoll, sowohl die Schreckschüsse als auch die übrigen Schüsse gehört zu haben. Denn nachdem Langhammer in der Tür steht, springt Willi Teipel auf und schießt "blindlings" auf den Polizisten. Danach geht er, wie auch der Zeuge bestätigt, zum Hauseingang und feuert drei weitere Schüsse auf Wachtmeister Thiele ab.

Auch Frau Gustav Schrader wird Zeugin des Geschehens. Sie sieht, wie sich Thiele mit dem Hund seines Kollegen dem Haus nähert. "Im gleichen Augenblick dreht er sich um, lief fort." Zur gleichen Zeit seien drei Schüsse des Angeklagten auf Thiele gefallen, sagt sie später vor Gericht.

Karl Leonhardt, Komplize und Vetter Thieles, belastet diesen vor Gericht ebenfalls schwer. Er habe zwar schon mehrere Viehdiebstähle mit seinem Vetter begangen, allerdings habe er nicht gewusst, dass Teipel einen Revolver bei sich trägt. Einen Angriff des Wachtmeisters Thiele auf seinen Vetter habe er nicht gesehen.

Eine kurze Flucht beginnt
Nach dem Angriff beginnt Teipel seine Flucht. Mit dem Revolver noch in der Hand läuft er über die Brücke in Brüninghausen in Richtung seine Wohnung. Mehrere Anwohner Leonhardts verfolgen ihn. Der Walzmeister Skoge, der Bahnwärter Maybaum sowie der Landwirt Kaiser gehören zu denen, die dem Mörder folgen. Erst als Teipel droht, sie zu erschießen, brechen sie ihre Verfolgung ab. Auf seiner Flucht durch den Hilfringhauser Wald wird er nur noch durch den hinzugerufenen Wachtmeister Becker aus Plettenberg verfolgt. Teipel kann ihm jedoch entkommen und wirft die Tatwaffe unterwegs weg.

Erst später am Tag kann Wachtmeister Hirschfeld den Gesuchten in der elterlichen Wohnung in Eiringhausen stellen und festnehmen. Er wird zunächst im Plettenberger Amtsgerichtsgefängnis verwahrt.

Geständnis vor dem Landgericht
Vor Gericht legt Teipel ein umfassendes Geständnis ab. Er besteht jedoch darauf, in Notwehr gehandelt zu haben - nach dem aus den Zeugenaussagen rekonstruierten Tathergang eine Lüge. Auch die tödlichen Schusswunden bei den Beamten entkräften die Notwehr-Ausrede. Die ärztlichen Sachverständigen Dr. Potthoff und Dr. Jürgens stellen bei Wilhelm Langhammer zwei Kopfschüsse fest. Bei Karl Thiele sind es drei Herz- und Lungenschüsse. Am 10. Oktober 1920 beginnt vor dem Landgericht Hagen unter Vorsitz des Landgerichtsrats Dr. Mayer die Verhandlung.

Nach Anhörung der Zeugen plädiert der Staatsanwalt auf Mord. Willi Teipel habe eine "bewusste Tötungsabsicht gehabt." Dessen Verteidiger plädiert hingegen auf Totschlag. Er sieht in dem Angeklagten "keinen normalen Menschen" und beruft sich somit auf mildernde Umstände.
Nach der Beratung der Geschworenen und des Gerichts steht folgendes Urteil: Im Fall Langhammer wird Willi Teipel wegen "Totschlags unter Versagung mildernder Umstände zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe" verurteilt. Auch im Fall Thiele versagt ihm der Richter die mildernden Umstände. Der Totschlag an Thiele, gepaart "mit unbefugtem Waffenbesitz" führt zu einer weiteren Verurteilung von "zehn Jahren und fünf Monaten Zuchthaus".

Ein "fast endloser Trauerzug" bildete sich Ende Juni 1920 zur Beerdigung der beiden Plettenberger Polizisten. Die "langjährigen und im Dienst stets eifrigen und vertrauenswürdigen Polizeiwachtmeister" wurden Opfer eines kaltblütigen Verbrechens. C. Christogeros


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