Quelle: 5 DIN A4 Schreibmaschinenseiten des Protokolls des RA Dr. Schneider aus 1947, 1 handschriftliche Liste von Gräbern auf dem Soldatenfriedhof in der Senne bei Paderborn, (von Frau Inge I., Plettenberg, dem Autor am 03.08.2006 zur Verfügung gestellt - Kopie im Archiv HH)

Plettenberger Volkssturmmänner im
"Freikorps Sauerland": Der Tod
kam im Hohlweg bei Nord Lünern

Zusammengestellt von Horst Hassel

Nr.123 der Urkundenrolle für 1947
Verhandelt zu Plettenberg am 26. Februar 1947
Vor mir, dem Rechtsanwalt Dr. Herm. Schneider zu Plettenberg erschienen auf Vorladung von Person bekannt:
1.) Betriebsleiter Alfred Hessmer, Plettenberg, Grünestr. 30a
2.) Zimmermann Willy Müller aus Plettenberg, Sundheller Weg 56
Den Erschienenen wurde mitgeteilt, dass sie auf Veranlassung der Fürsorgestelle der Stadt Plettenberg eine eidesstattliche Erklärung darüber abgeben sollen, was sie über den Verbleib der vermissten Volkssturmmänner der I. Kompanie des III. Bataillon Freikorps Sauerland im April 1945 wissen. Sie wurden über die Bedeutung und die Folgen einer solchen Versicherung eingehend belehrt.

Herr Hessmer: Ich bin am 27.09.1905 geboren und war als Rechnungsführer dem Freikorps Sauerland zugeteilt. Ende März erhielten wir für die I. Kompanie in Lütgendortmund 175 Erkennungsmarken, welche folgende Bezeichnung hatten: 39 XX III I Div und die laufenden Nummern 1 bis 175. Dieses Zeichen bedeutete: Gau 39 Bataillon XX.III, I. Kompanie, DV Deutscher Volkssturm.
Alle Toten, die eine solche Nummer trugen, mussten darum der I. Kompanie unseres Regiments angehört haben. Der Ausdruck Freikorps Sauerland wurde auf Dienstsiegeln übrigens nicht gebraucht, hier hieß es stets nur Deutscher Volkssturm Gau 39 Batl. XXIII. Jede Kompagnie führte eine Stammliste aller Soldaten der Kampagnie. Ich habe die Liste der I. Kompagnie geführt. Die Liste war ursprünglich dem Alphabet nach geordnet. Die Sollstärke der Kompagne war 175. Demnach war die Liste, die in dreifacher Ausfertigung geführt wurde, auch nur bis 175 nummeriert.

Durch Krankheit, Dienstunfähigkeit und Abkommandierungen schieden viele aus. Die neu Eintretenden erhielten ihre Nummern. Dadurch wurde die genaue Nummerierung unterbrochen. Nummerierung gleich Nummernfolge. Herr Werkmeister Wilhelm Schröder aus Weiße Ahe hat mir nun folgende Liste zugesandt (Erkennungsmarken-Nummern):

Otto Birkenhof
Heinrich Blumenauer
Alfred Haarmann
Fritz Ihne
Walter Kampschulte
Heinrich Klein
Eugen Schäfer
Wilhelm Schmidt
Alfred Schulte
Paul Schulte
Walter Schürholz
Julius Seuthe
Erich Vormann

  18
  19
  43
  54
  59
  60
  95
110
118
122 oder 127
124
129
169

Sämtliche Erkennungsmarken trugen außerdem folgende Buchstaben und Ziffern: 39 XXIII 1 D.V.
Diese Liste soll er auf einem Soldatenfriedhof in der Senne bei Paderborn von den dort befindlichen Gräbern abgeschrieben haben. Auch Herr Karl Schmellenkamp bei Fa. Budde & Steinbeck, Plettenberg, war auf dem Friedhof und hat sich Namen und Nummern ebenfalls abgeschrieben. Außerdem waren nach Angabe der beiden Herren dort noch 11 Gräber vorhanden auf denen die Nummern der Erkennungsmarken aufgeführt waren nämlich:
39 XXIII 1. D.V. 68, 69, 84, 101, 130, 131, 155, 162, 165, 174.
Aus der Kompagnie sind folgende Männer bis heute noch nicht zurückgekehrt, haben auch kein Lebenszeichen von sich gegeben:
Ernst Lahme 69
Alfred Quitter 84
Alfred Schmellenkamp 101
Emil Schmidt 104
Albert Schulte 120
Walter Seuster 131
Die folgenden Namen unterfallen nicht dieser Reihenfolge, so dass es sich hier nur um eine Annahme handelt, die sich darauf stützt, dass die Zahl der Nummer und Verluste sich deckt, und dass es sich bei diesen Männern um später eingetroffenen Ersatz handelt:
Rudolf Stock, wahrscheinlich Nr. 155
Walter Blumenauer, wahrscheinlich Nr. 162
Hans Rempel, wahrscheinlich Nr. 165
Johann Krause, wahrscheinlich Nr. 174
In der Nacht vom 9. zum 10. April wurde gemeldet, dass die I. Kompagnie schwere Verluste habe. Ich selber habe keine Gefallenen gesehen, Es wurde nur gesagt, dass der Komp. Führer Coczelnick (lt. Heinrich Rüsche v. 22.08.2006 hatte C. beim Einwohnermeldeamt der Stadt gearbeitet und immer H. Rüsches Urlaubscheine abgestempelt) und der Volkssturmmann Karl Schmidt schwer verwundet seien. Aus eigener Kenntnis weiß ich das nicht.
Ich versichere die Richtigkeit meiner Angaben an Eidesstatt.

Sodann erklärt Herr Willy Müller:
Die vorstehenden Angaben des Herrn Hessmer sind zweifellos richtig. Die zunächst genannten 13 Volkssturmmänner und die dann genannten 7 Volkssturmmänner sind bestimmt gefallen und unter der angegebenen Nummer begraben. Auch bei den zuletzt genannten Volkssturmmännern vermute ich, dass sie die angegebene Nummer tragen, wobei ein Irrtum innerhalb dieser 4 Nummern möglich ist.
Ich war von 1911bis 1919 Soldat und war Zugführer des I. Zuges der I. Kompanie. Von den oben genannten gehörten 18 zu diesem meinem I. Zug, die restlichen 6 gehörten zum II. Zug.

Am 9. April 1945 hatte mein Zug das Dorf Nord-Lünern bei Unna besetzt, musste es aber räumen, weil die Amerikaner in starker Übermacht immer näher rückten und uns mit schwerem MG-Feuer belegten. Ich zog mich mit meinem ganzen Zug, der etwa 26 Mann stark war, aus dem Dorf zurück und sammelte ihn hinter einer Hecke außerhalb des Dorfes. Ich gab dann Befehl, zu einer etwa 800 Meter entfernten SS-Stellung zurück zu sprengen, wobei teilweise ein Hohlweg benutzt wurde. Da ich den Weg zeigen musste, sprang ich als erster vor und ließ dann die folgenden Männer an mich herankommen. Unterwegs musste ich feststellen, dass die Verbindung abriss. Inzwischen waren aber die feindlichen Panzer durchgebrochen und belegten das ganze Gelände mit schwerem Feuer. Ich sah noch wie etwa 4 Mann über eine Höhe sprangen, konnte aber nicht erkennen, ob sie zu meiner Kompanie gehörten. Wegen einer Bodenerhebung konnte ich von der neuen Stellung aus nur die Dächer von Nord Lünern, nicht aber unseren Sammelplatz sehen. Bei dem schweren Feuer und Motorengeräusch war auch nichts zu verstehen.

Um unsere Leute zu entlasten, wurde von den deutschen Stellungen aus Feuer auf das inzwischen von den Amerikanern besetzte Dorf Nord Lünern gelegt, doch hatte dies nur zur Folge, dass wir selbst schwer mit Artillerie und Jagdbomberbeschuss belegt wurden, so dass wir, und besonders die SS, noch Verluste hatten. Beim Bataillon bat ich, dass ich mit einem stärkeren Trupp nach meinem restlichen Zuge suchen dürfte, doch wurde das als aussichtslos abgelehnt. Gegen Abend flaute das Feuer ab.

Auf die Frage, ob ich aus der Richtung meines Zuges MG- oder Infantriefeuer gehört habe, kann ich nur erklären, dass überall schwerer Feuerlärm war, so dass nichts Bestimmtes gehört werden konnte. Da von meinem Zuge niemand mehr zurückkam, musste ich annehmen, dass alle Mann gefallen oder gefangengenommen waren. Ich habe sonst nichts mehr von den Vermissten gesehen oder gehört.
Die Richtigkeit dieser meiner Angaben versichere ich an Eidesstatt.
gez. Hessmer, Müller, Dr. Herm. Schneider
Die Übereinstimmung mit der mir vorliegenden Urschrift beglaubige ich hiermit.
Plettenberg, den 25. März 1947. Stempel und Unterschrift von Notar Dr. H. Schneider.


Nr.125 der Urkundenrolle für 1947
Verhandelt zu Plettenberg am 27. Februar 1947
Vor mir, dem Rechtsanwalt Dr. Herm. Schneider zu Plettenberg erschienen, von Person bekannt: Der Glüher Heribert Cronauge aus Plettenberg-Bhf., Werdenstr. 9, geboren 16.03.1902.
Nachdem er sehr eingehend und dringlich auf die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung hingewiesen war, erklärte er folgendes:

Die Aussagen des Herrn Hessmer und Müller sind mir vorgelesen. Sie sind richtig. Ich selber gehörte dem I. Zug unter Führung des Zugführers Müller an. Die 18 Mann des I. Zuges kannte ich teilweise nur flüchtig und dem Namen nach. Die sechs nicht aus Plettenberg stammenden Volkssturmmänner gehörten wohl dem II. Zug an und waren mir nicht bekannt.
Richtig ist, dass der Zugführer Müller seinen Zug aus dem Dorf Lünern herausgeführt und hinter einer Hecke gesammel hat; es waren insgesamt etwa 30 Mann. Ich selber kam als Letzter zu diesem Sammelplatz und sah dann, wie die Volkssturmmänner H. Rempel und Heinr. Blumenauer in Richtung eines rückwärts führenden Hohlweges geduckt zurückliefen. Ich selber blieb als letzter hinter der Hecke liegen. Wir bekamen nun schweres Feuer, weil die feindlichen Panzer durchbrachen. Ich bekam einen Streifschuss von rechts in den Rücken. Kurz darauf sah mich ein feindlicher Unteroffizier, der mir zurief: "Come on, hands up!". Ich warf die Waffe fort und ging mit erhobenen Händen auf ihn zu. Er führte mich nach Nord-Lünern zurück. Dort wurde ich verbunden und traf den Volkssturmmann Hans Kahlstadt aus Plettenberg-Holthausen, der ebenfalls verwundet war.

Auf dem Wege zum Dorf führte mich der Unteroffizier durch den Hohlweg, durch welchen der I. Zug sich hatte zurückziehen sollen. Ich sah dort eine große Zahl von Volkssturmmännern auf dem Bauch liegen. Die Zahl kann ich nicht genau angeben, weil ich mich in begreiflicher Aufregung befand. Die größte Zahl lag ziemlich eng beieinander im Hohlweg. Gesichter konnte ich im Vorübergehen nicht erkennen, weil alle auf dem Bauch lagen. Die meisten schienen tot zu sein. Drei Verwundete stöhnten aber noch. Ich habe dann gesehen wie mehrere Kanadische Unteroffiziere sich unterhielten und sah dann, dass ein Unteroffizier mit einer Maschinenpistole die Reihen entlang ging und alle diejenigen, die noch stöhnten, mit der MP tötete. Ob er dies tat, weil er glaubte, sie könnten doch nicht am Leben erhalten bleiben, weiß ich nicht.

Wir bekamen dann leichtes deutsches Granatfeuer, so dass sich die Kanadier hinlegten. Das Feuer hörte aber schon wieder auf und mein Führer ging mit Kahlstadt und mir weiter und lieferte uns in einem Haus ab, wo wir warten mussten, bis uns ein Lkw zu einer Verwundeten-Sammelstelle brachte.
Nachdem ich aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekommen bin, bin ich noch mal im Herbst 1946 in Nord Lünern gewesen, um nach Möglichkeit festzustellen, ob meine Kameraden dort begraben wären. Die Dorfbewohner, besonders der Gemeindevorsteher Vogt, erzählten uns dann, dass tote Volkssturmmänner auch außerhalb des dieses Hohlweges gefunden worden seien. Alle Leichen seien auf einem Lkw gesammelt und fortgebracht worden.

Der Hohlweg konnte von der großen öffentlichen Straße aus eingesehen werden. Ich bin der Ansicht, dass die Volkssturmmänner des schweren Feuers wegen nicht weiter haben durchgehen können, dass sie von der öffentlichen Straße aus gesehen worden sind und mit einer MG-Garbe getötet bzw. verwundet worden sind. Ganz sicher ist, dass aus diesem Hohlweg niemand lebendig entkommen ist. An dem Tod der in der Aussage Hessmer aufgezählten Volkssturmmänner kann daher nicht der geringste Zweifel bestehen.
Nach nochmaliger Verwarnung erklärte darauf Herr Cronauge: "Ich versichere die Richtigkeit der vorstehenden Angaben an Eidesstatt".
Das Protokoll ist ihm vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig unterschrieben; gez. Heribert Cronauge.

Nachträglich erschien der Prokurist Karl Schmellenkamp aus Plettenberg, Herscheider Str. 14a, geb. am 25.11.1897, und erklärt nach Belehrung:
Mein Neffe ist als Volkssturmmann bei Nord Lünern gefallen. Infolgedessen habe ich mich um Aufklärung bemüht und war viermal in Nord Lünern und einmal auf dem von Amerikanern in der Senne bei Paderborn angelegten Soldatenfriedhof. Der Gemeindevorsteher Vogt in Nord Lünern hat mir folgendes erzählt: Am 9. April 1945 hätte ein deutscher Volkssturmmann tot vor seiner Haustür gelegen. Er habe ihm seine Papiere abgenommen und den Namen Quitter aus Hüinghausen festgestellt. Am nächsten Morgen sei die Leiche verschwunden gewesen. In Mühlhausen bei Nord Lünern erzählten mir die Bewohner, Amerikaner hätten alle Leichen auf einen Lkw aufgesammelt; sie hätten nur nach langem Zureden die Herausgabe der Leiche eines aus Mühlhausen stammenden Volkssturmmannes erreichen können.

Die Witwe Otto Birkenhoff aus Hüinghausen hatte beim Roten Kreuz München nach dem Verbleib ihres Mannes geforscht und hatte aus Washington/USA die Nachricht erhalten, ihr Mann sei unter Grab Nr. 33 in der Senne bei Paderborn begraben. Daraufhin fuhr ich nach Paderborn und erhielt von dem Lehrer Oelker in Senne I, welcher den Friedhof betreute, folgenden Bescheid:
Die Amerikaner hätten unter weißer Führung aus Negern bestehende Beerdigungskommandos gebildet, welche alle an den großen Wegen liegenden Leichen aufgesammelt und gemeinsam begraben hätten. Die Amerikaner hätten über die Beerdigung genaue Listen geführt und der Gemeinde Senne I hinterlassen. In diesen Listen wurden nur die Namen und Erkennungsmarken-Nummern aufgeführt, nicht der Wohnsitz. Teilweise fehlten die Namen, wahrscheinlich, weil die Soldbücher fehlten. Aus dieser Liste habe ich mir den Auszug gemacht, den Herr Hessmer widergegeben hat. Die Abschrift stimmt genau mit der Urschrift überein.

Als ich nach Senne I fuhr, hatte ich die Erkennungsmarke des Herrn Cronauge mit. Sie trägt die Nummern 175. Der noch anwesende Herr Cronauge bestätigt, dass er erst nachträglich zur I. Kompanie gekommen sei. Herr Schmellenkamp erklärt ferner: Nach meinen Ermittlungen steht fest, dass die in Senne I beigesetzten deutschen Soldaten identisch sind mit den als vermisst angeführten Volkssturmmännern.
Ich versichere die Richtigkeit meiner Angaben an Eidesstatt.
Vorstehendes Protokoll wurde vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben.
gez. K. Schmellenkamp.
Dr. Herm. Schneider: Die Übereinstimmung der vorstehenden Abschrift mit vorliegenden beglaubige ich hiermit. Plettenberg, den 25. März 1947.
(Stempel und Namenszug von Dr. Schneider)


Nr.136 der Urkundenrolle für 1947
Verhandelt zu Plettenberg am 07. März 1947
Vor mir, dem Notar Dr. Herm. Schneider, Plettenberg, erschienen folgende Personen: Der Schlosser Erich Kahlstadt aus Plettenberg-Holthausen.
Nach eingehender Belehrung über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung erkläre ich folgendes:

Ich habe die eidesstattlichen Versicherungen der Herren Alfred Hessmer, Willi Schulte, Herbert Cronauge (Nr. 123 und 125 der Urkundenrolle Dr. Schneider) sorgfältig durchgelesen. Aus eigener Kenntnis kann ich über den Tod meiner Kameraden folgendes erzählen: Unsere Erkennungsmarken waren mit 39XXXID!V.1-175 bezeichnet. Meine Nummer weiß ich nicht mehr, da mir bei der Entlassung alle Ausweise abgenommen wurden.

Ich war Gruppenführer im II. Zug der I. Kompanie und kannte als Plettenberger alle die von Herrn Hessmer aufgezählten Volkssturmmänner. Im I. Zug waren im allgemeinen Plettenberger, im II. Zug Volkssturmmänner aus dem Elsetal (Holthausen, Hüinghausen, Herscheid). Entstehende Lücken wurden teilweise aus Plettenberg-Bhf. und Ohle nachgefüllt. Als Gruppenführer hatte ich mit dem I. Zug Verbindung zu halten (Gruppenführer der I. Gruppe), und kam so am 9. April (1945) mit in das Dorf Lünern. Dort sah ich noch den Otto Birkenhoff.
Wir bekamen schweres Feuer, liefen auseinander und zogen uns in einen hinter dem Dorf liegenden Hohlweg zurück. Dort sah ich den Fritz Ihne. Es waren dort etwa 10 bis 12 und ich kann mich an ihre Namen nicht mehr erinnern. Es war eine dauernde Unruhe, weil immer einzelne woanders Deckung suchten, während andere hinzukamen.

Mit Emil Schmidt aus Ohle versuchte ich aus dem Graben rückwärts heraus zu springen. Schmidt lief vor. Nach etwa 20 bis 30 Schritt warf ich mich nieder, weil dauerndes schweres Feuer auf dem Gelände lag. Dort wurde ich durch Streifschuss an Kopf und Hals verwundet. Als wir aus dem Graben sprangen, waren offenbar schon mehrere Kameraden verwundet oder gefallen. Ich lag offen auf einem ansteigenden Gelände. Um Deckung zu finden, sprang ich in den Hohlweg zurück. Dort waren aber schon Amerikaner, denen ich mich durch Händeaufheben ergab.

Durch den Blutverlust war ich so geschwächt, dass ich über das Folgende keine Angaben mehr machen kann. Ich erinnere mich nur, dass dort 7 bis 8 Kameraden lagen, die ich alle für tot hielt. Keiner bewegte sich. Heribert Cronauge und Willi Kowalewski waren schon gefangengenommen. Wir wurden dann abtransportiert und zwar ich und Cronauge zusammen - ohne Kowalewski. K. ist dann in französischer Gefangenschaft gestorben.

Das Gefecht bei Nord Lünern war etwa gegen 13-14 Uhr. Bis zum Abend lag schweres Feuer auf dem Dorf und dem Gelände zwischen Dorf und der rückwärtigen SS-Stellung. Meiner festen Überzeugung nach ist außer Cronauge, Kowalewski und mir keiner lebend herausgekommen, sondern alle übrigen sind gefallen. Ich habe nichts davon gesehen, dass ein feindlicher Unteroffizier verwundete Deutsche erschossen haben soll.

Das vorstehende Protokoll ist Herrn Kahlstadt vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig unterschrieben.
gez. Erich Kahlstadt, Dr. Her. Schneider Notar
Die Übereinstimmung der vorstehenden Abschrift mit der hier vorliegenden Urschrift beglaubige ich hiermit.
Plettenberg, den 29. März 1947
Stempel und Unterschrift gez. Dr. Herm. Schneider

Auf dem Friedhof in Senne I sind demnach folgende Volkssturmmänner mit der Erkennungsmarke 39 XX III DV begraben:

Vormann, Erich, Hüinghausen, Reihe 1, Grab 2, Erkennungsmarke-Nr.169
Haarmann, Alfred, Pl., Seydlitzstraße, Reihe 1, Grab 3, Erkennungsmarke-Nr. ?
Rempel, Hans ? Reihe 1, Grab 4, Erkennungsmarke-Nr. 165
Schmellenkamp, Alfred ? Reihe 1, Grab 5, Erkennungsmarke-Nr. 101
? Reihe 1, Grab 6, Erkennungsmarke-Nr. 68
Stock, Rudolf ? Reihe 1, Grab 8, Erkennungsmarke-Nr. 155
Blumenauer, Walter ? Reihe 1, Grab 10, Erkennungsmarke-Nr. 162
Klein, Heinrich, Reihe 1, Grab 11, Erkennungsmarke-Nr. 60
Schmidt, Wilhelm, Bremcke, Reihe 1, Grab 12, Erkennungsmarke-Nr. 110
Seuthe, Julius, Plettenberg, Reihe 1, Grab 13, Erkennungsmarke-Nr. 129
Schürholz, Walter, Oesterhammer, Reihe 1, Grab 14, Erkennungsmarke-Nr. 124
Schmidt, Emil ?, Reihe 1, Grab 15, Erkennungsmarke-Nr. 104
Schulte, Paul, Marlerweg, Reihe 1, Grab 16, Erkennungsmarke-Nr. 127
Ihne, Fritz Karl, Herscheider Straße, Reihe 2, Grab 34 (oder 27), Erkennungsmarke-Nr. 27
?, Reihe 2, Grab 21, Erkennungsmarke-Nr. 139
Quitter, Alfred ?, Reihe 2, Grab 29, Erkennungsmarke-Nr. 84
Krause, Johann ?, Reihe 2, Grab 30, Erkennungsmarke-Nr. 174
?, Reihe 2, Grab 59, Erkennungsmarke-Nr. 53
Birkenhoff Otto, Hüinghausen, Reihe 2, Grab 33, Erkennungsmarke-Nr. 39
Kampschulte, Walter, Reihe 2, Grab 53, Erkennungsmarke-Nr. 53
Schäfer, Eugen, Erkennungsmarke-Nr. 118

lt. Willy Timm, Freikorps Sauerland im Deutschen Volkssturm. Südwestfalens letztes Aufgebot 1944/45, S. 63-64 kamen ums Leben
Schmidt, Karl bei Nordlünern
Grothe, Wilhelm in Wilhelmshöhe bei Strickherdicke

Überlebt haben demnach in Nordlünern:

Cronauge, Herbert, Erkennungsmarke-Nr. 175
Hessmer, Alfred
Kahlstadt, Erich
Kowalewski, Willi (starb später in französ. Gefangenschaft ?)
Müller, Willy


Quelle: Internet, Seiten des "Historisches Centrum Hagen", Bericht von Ralf Blank

. . . Im letzten halben Jahr des Weltkriegs hatte sich der alliierte Bombenkrieg besonders auch im Gaugebiet Westfalen-Süd verschärft. Ab Herbst 1944 gesellten sich zu den schweren Luftangriffen durch strategische Bomber auch Angriffe durch zweimotorige Mittelstreckenbomber und Jagdbomber ("Jabo").
Die ständigen Bombardierungen ließen die größeren Städte in Hoffmanns Gaugebiet in Schutt und Asche versinken. Bereits im September 1944 wurde im Gau Westfalen-Süd das "Freikorps Sauerland" gebildet. Im Oktober 1944 erfolgte die Eingliederung des "Freikorps" als eigener Gauverband in den "Deutschen Volkssturm", Maßnahmen zum Totalen Kriegseinsatz, der Luftkrieg und den Ausbau der Verteidigung im Gaugebiet. In den letzten Kriegswochen arbeitete Albert Hoffmann als "leitender Reichsverteidigungskommissar West" mit dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall Walter Model zusammen...


Vereidigung des "Freikorps Sauerland" in Lüdenscheid, 12.11.1944 (W. Nies, StadtA Lippstadt)


Quelle: Mendener Zeitung vom 19.10.1944, Stadtarchiv Menden (Repro: Klötzer/Hassel)



Quelle: Mendener Zeitung vom 23.10.1944, Stadtarchiv Menden (Repro: Klötzer/Hassel)



Quelle: Internet-Forum "Militaria Fundforum" vom 02.10.2004

Das "Freikorps Sauerland"
wurde Mitte 1944, noch vor der Ausrufung des Volkssturms im Gau Westfalen-Süd durch Vorarbeiten der Gauleitung und anscheinend nur durch die Auswahl von Kaderpersonal aufgestellt. Nach ausruf des Volkssturmes wurden mehrere Bataillone des "Freikorps Sauerland" aufgestellt. Da nur Freiwillige aus den Reihen des Volkssturms aufgenommen wurden, und in jedem Kreis nur ein Bataillon des Freikorps aufgestellt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass das Freikorps Sauerland als eine Art von Elitetruppe innerhalb des Volkssturms dieses Gaues beabsichtigt war. Entgegen der sonstigen Regelungen bestanden anscheinend auch Regimentsstäbe. Die Verbände des Freikorps erhielten Feldgraue o. erdbraune Uniformen, letztere aus Stoff und Beständen der Organisation Todt (OT).

Von der Gauleitung wurden als besondere Abzeichen eingeführt ein weißer Ärmelstreifen mit der Aufschrift "Freikorps Sauerland" und ein Ärmelabzeichen. Letzteres wurder auch in Fällen in verkleinerter Form als Abziehbild auf die rechte Seite des Stahlhelmes geklebt. Von dem Ärmelabzeichen gibt es gedruckte und gewebte Abzeichen, wobei es sich bei den gewebten Abzeichen wahrscheinlich um ganz frühe Nachkriegsproduktionen handelt! MfG EWald


Ärmelabzeichen in Maschinenstickerei (Quelle: Willy Timm, S. 35)


Ärmelabzeichen in der gedruckten Variante (bei Fa. Harbig, Herdecke)


Quelle: Timm, Willy: Freikorps Sauerland im Deutschen Volkssturm. Südwestfalens letztes Aufgebot 1944/45. (Schriftenreihe zur Geschichte Unnas und der Grafschaft Mark, Heft 12), Unna 1993

Der Gauleiter von Westfalen-Süd, Albert Hoffmann, der die bereits als SA-Sturmbann-Namen bestehende Bezeichnung „Freikorps Sauerland“ übernehmen wollte, mußte von Bormann hören, daß „von irgendwelchen Zusätzen symbolischer, heimatlicher oder geschichtlicher Art“ abzusehen sei. Trotz dieser Belehrung hielt das „Freikorps Sauerland“ auch im Rahmen des Volkssturms an seinem Namen fest und trug ein nie genehmigtes Ärmelabzeichen.



Quelle: Timm, Willy, S. 63/64:

Ebenfalls an die Nordgrenze des Gaus, nach Hamm und in die nordöstlichen Teile des Kreises Unna, war das Z.b.V.-Bataillon Nr. 23 Joest verlegt worden, dessen Kompanien sich vor allem aus der Stadt Dortmund und dem Kreis Iserlohn rekrutierten. . . Vor dem amerikanischen Druck musste das Bataillon in den ersten Apriltagen nach Süden ausweichen. Im Raum Mühlhausen/Nordlünern stieß am 9. April eine Gruppe dieses Bataillons mit amerikanischem Militär zusammen. Es kam zum Schusswechsel. Als die Freikorpsmänner sich in den Schutz eines bei Nordlünern gelegenen Wäldchens flüchten wollten, wurden mehrere von ihnen tödlich getroffen. Anschließend beschossen zwei schwere amerikanische Panzer das Waldstück. Gegen 18 Uhr wurde das Feuer eingestellt. Amerikanische Soldaten bargen die vor dem Wald gefallenen Deutschen und transportierten sie mit einem Lastkraftwagen fort. Erst am übernächsten Tag teilte eine amerikanische Streife der Ortsverwaltung mit, dass im Wald noch tote deutsche Soldaten liegen müssten. Mit Zustimmung der Amerikaner wurden diese am 11. April auf dem Flachwagen eines Lünerner Landwirts zum Friedhof nach Lünern gebracht und dort in einem Massengrab beigesetzt (Quelle: Nach einem Erinnerungsbericht von Karl-Heinz Wellmann, Unna-Lünern).
Von den gefallenen Freikorpskämpfern dieses Gefechtes vom 9. April sind folgende Namen überliefert:...Karl Schmidt aus Plettenberg,. . .

Quelle: Timm, Willy, S. 64

Eine andere Kompanie dieses Z.b.V.-Bataillons Nr. 23, das unter dem Kommando des Kompanieführers Heinrich Humme stand, hatte, als es sich am 11. April östlich an Unna vorbei nach Süden absetzte, in der Landgemeinde Uelzen . . . ihren ersten Toten. Südlich der Stadt Unna traf die Kompanie am selben Tage . . . mit amerikanischem Militär zusammen und wurde in ein Gefecht verwickelt, das dem Freikorps "Sauerland" weitere elf Tote kostete. . . Bei diesen Gefallenen handelt es sich um die Freikorpsmänner Wilhelm Grothe aus Plettenberg, . . . Einige dieser Gefallenen wurden zunächst provisorisch im Garten eines Bauernhofes an der Wilhelmshöhe (bei Strickherdicke) beigesetzt, später aber in ihre Heimatorte umgebettet.


Quelle: Süderland - Heimatland, heimatkundliche Beilage des Süderländer Tageblatt vom 18.03.1995

Elend der Kompanie Plettenberg des Freikorps
Sauerland in den letzten Kriegstagen April 1945

Am 9. April 1945 fielen 27 Männer der Kompanie Plettenberg - Beigesetzt in Senne I bei Bielefeld

Von Heinrich Rüsche, Plettenberg

zum Gedenken an die 27 gefallenen, getöteten, an ihren Verwundungen und in der Gefangenschaft gestorbenen Männer der Kompanie Plettenberg des Freikorps Sauerland:

Otto Birkenhof, Hüinghausen
Heinrich Blumenauer
Walter Blumenauer
Wilhelm Grothe
Oskar Koczelnik
Walter Kampschulte
Heinrich Klein
Willi Kowalewski
Johann Krause
Ernst Lahme
Alfred Haarmann
Fritz Karl Ihne
Hans Rempel
Eugen Schäfers
Alfred Schmellenkamp
Emil Schmidt
Wilh. Schmidt, Bremcke
Karl Schmidt
Alfred Schulte
Albert Schulte
Paul Schulte
Walter Schürholz
Julius Seuthe
Walter Seuster
Rudolf Stock
Alfred Quitter
Erich Vormann

Einleitend die Worte eines russischen Dichters: "...Ohne Erinnerung gibt's kein Leben ..."

. . . Aber schauen wir zurück, in die Geschichte unserer Stadt Plettenberg, deren Namen 1944/45 mit dem Schicksal einer Freikorps-Kompanie verbunden wurde, deren tragisches Schicksal "im Dunkel der Geschichte" verborgen liegt. Erinnern wir uns an die sogenannte Kompanie Plettenberg des Freikorps Sauerland, an die 27 Männer, die am 9. April 1945 noch sinnlos geopfert wurden bzw. später starben.
. . .
Der Volkssturm hatte in Westfalen eine Vorgänger-Organisation
Vor dem 18. Oktober 1944 waren im Bereich des damaligen Gau Süd-Westfalen bereits Kader für eine dem Volkssturm ähnliche Heimatschutztruppe aufgestellt worden, unter dem Namen Freikorps Sauerland, so auch in unserer Heimatstadt Plettenberg.
Nicht mehr wehrpflichtige Männer bis zu 60 Jahren gehörten dieser Kompanie Plettenberg an. Und diese Kompanie wurde anschließend als sogenannte Stamm-Einheit in den Freikorps-Bataillonen XXII und XXIII zusammengefasst. Die Kompanie Plettenberg gehörte als 1. Kompanie zum Bataillon XXIII. Anfangs war einer der beiden Bataillons-Kommandeure ein gebürtiger Plettenberger, Jahrgang 1915.

Im Sinne des Gesetzes Soldaten
Das Freikorps Sauerland (FKS) war dem Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Albert Hoffmann mit Dienstsitz in Bochum und späterem Befehlsstand auf dem Harkortberg bei Wetter unterstellt. Nach dem Erlass vom 25.04.1944 galten die Angehörigen des Deutschen Volkssturms (DV) und des Freikorps Sauerland (FKS) während ihres militärischen Einsatzes als Soldaten im Sinne des damaligen Wehrgesetzes und sie standen somit unter dem Schutz der Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907.

Auf Pressefotos anlässlich der Vorstellung des FKS in Lüdenscheid am 12.11.1944 trugen die Männer des FKS reguläre Wehrmachtsjacken mit schwarzen Kragenspiegeln und Nummern ihrer Bataillone, DV-Armbinden, Karabiner und Stahlhelm, also eingekleidet und ausgerüstet wie die reguläre Truppe. Damit steht fest, dass das FKS keine Partisanen- oder "Werwolf"-Organisation war...

Der Abend des 8. April 1945
Der Abend des 8. und die Nacht des 9. April 1945: Ganz geringe Kräfte der 116. Pz.-Div. - etwa 10 Soldaten - der auch bei den Alliierten bekannten "Windhund-Division" (unsere Divisions-Abteilung befanden sich im Zuge der Absetzbewegungen im Auflösungsraum Sauerland) am Abend des 8. April 1945 in dem Dorf Nord Lünern, ostwärts Unna.


Gauleiter Westfalen-Süd Albert Hoffmann (1907-1972) Foto: H. Hoffmann, München

In unserem Abschnitt verließen wir die jeweiligen Dörfer und Geländeteile frühmorgens vor Sonnenaufgang so rechtzeitig und schnell, um nach Möglichkeit jede Kampftätigkeit zu vermeiden. Niemand von uns wollte noch einen sinnlosen Tod sterben oder eine Verwundung riskieren.

Die unmittelbare Kapitulation stand bevor. Die alliierten Soldaten, die "morgens nach dem Frühstück mit gebügelten Hosen" vorrückten, waren auch nicht daran interessiert, noch in den "letzten Stunden des Krieges" ihr Leben zu verlieren. Aus diesem Grunde setzten sie auch bei der geringsten "Feindberührung" alle Waffen ein. Hinzu kam, dass die alliierten Jagdbomber die absolute Lufthoheit ausübten und jede Person und jedes Fahrzeug - zivil oder nicht zivil - unter schweren Beschuss nahmen...
. . . Beim abendliche Erkunden eines möglichst gefahrlosen Rückzugsweges traf ich in der Dämmerung am Dorfrand eine ankommende, marschierende Kolonne unter Führung eines Einheitsführers, die auf mich einen etwas merkwürdigen Eindruck machte. Es handelte sich um ältere, stark ermüdet wirkende Männer mit Handfeuerwaffen unterschiedlichster Machart ausgerüstet. Mein erstes Zusammentreffen mit dem Freikorps Sauerland bzw. DV. Mein Gedanke war: "Was wollen die denn hier? Wollen die vielleicht noch Krieg spielen?"
Um so überraschter war ich, als ich plötzlich ein, zwei, drei bekannte Gesichter sah - meine Nachbarn aus Ohle: A. Obermann, E. Rumpe und G. Langenstroer. Dann erkannte ich den Kolonnenführer, einen Plettenberger (Anm. d. Redaktion: Oskar Koczelnik). Es kam zu einem kurzen Gespräch mit ihm. Ich erklärte ihm die örtliche Lage, unsere eigenen Ansichten und den Entschluss, das Dorf noch vor dem "Kommen" der Amerikaner, noch vor Sonnenaufgang, zu verlassen. Er berief sich jedoch auf seine Befehle.

Die Verantwortlichen des Volkssturms bzw. Freikorps Sauerland waren überwiegend Teilnehmer des I. Weltkrieges. Sie hatten keinerlei Erfahrung in der Führung eines Gefechts unter dem Einsatz von hochgerüsteten mobilen Verbänden der Boden- und Lufttruppen der Alliierten. Aus vermutlich dieser mangelnden Erfahrung heraus hat der Kompanieführer nicht begriffen, dass nach Aufnahme der Gefechtstätigkeit der Untergang seiner Kompanie "vorprogrammiert" war.
Meine Nachbarn aus Ohle haben auf mein Drängen hin den Ort noch am gleichen Abend verlassen und sind auch gesund zurückgekehrt.

In dieser Nacht wurden wir immer wieder angesprochen. Wir haben ihnen gesagt, was am nächsten Morgen passieren wird, wenn sie sich mit den alliierten Kampftruppen einlassen. Wir alle befanden uns auf dem Grundstück eines großen Bauernhofes, direkt am Dorfrand gelegen. Die alliierten Truppen befanden sich in einem gegenüberliegenden Waldgelände, etwa 700 Meter entfernt. Die nicht versorgten, frierenden und übermüdeten Männer lagen hinter einem Haus/Gartenhecke (die heute noch vorhanden ist), Mann neben Mann auf dem Erdboden; die meisten schliefen vor Erschöpfung, sie waren nicht mehr ansprechbar. Sie wussten noch nicht, ahnten vielleicht etwas, dass am Abend des 9. April mehr als 23 Kameraden gefallen, getötet, viele verwundet und fast alle in Gefangenschaft sein würden.

Wir verließen Nord Lünern noch vor Sonnenaufgang. Unser Angebot, sie auf unseren zwei Kettenfahrzeugen mitzunehmen, war ohne Erfolg. Sie haben die Situation einfach nicht begriffen. Das Schicksal nahm seinen Lauf.
Heute ist mir nach Einsicht in das Buch von Willy Timm "Freikorps Sauerland, Südwestfalens letztes Aufgebot 1944/45", Seite 57, klar geworden, warum sie nicht auf uns hörten. Dort wird berichtet, dass z. B. der Bataillonskommandeur des XVII Btl. des Kreises Altena/Lüdenscheid in einer Ansprache am Karsamstag, dem 31.03.1945, seine Männer mit den Worten aufrief "der Bevölkerung wieder den Glauben an den Sieg zu geben und die morsche Wehrmacht zum Kampf anzuhalten, sich selbst aber bis zum Letzten einzusetzen". Ergebnis: Dieses Btl. XVII verlor nach wenigen Tagen Einsatz mehr als 30 Männer, hatte viele Verwundete, und alle gingen in amerikanische Gefangenschaft.

Nochmals zurück nach Nord Lünern
Ein "alter, erfahrener Obergefreiter", wie man so sagte "das Rückgrat der Armee", wollte in Nord LÜnern in Gefangenschaft gehen. Er hatte sich in dem Kartoffelkeller des Bauernhauses versteckt, um nicht draußen bei einem möglichen Feuerwechsel noch getötet oder verletzt zu werden. Um so überraschter war ich am Abend des 10. April 1945, als der Obergefreite wieder "auftauchte" und mich mit den Worten ansprach, die ich bis heute nicht vergessen habe: "Du, das waren doch deine Leute, aus deiner Stadt. Als sie gesehen haben, wen sie da vor sich haben, haben sie 'reingehalten'. Ich bekam Angst und habe mich weiter verborgen gehalten. In der nächsten Nacht bin ich dann aus dem Dorf geflüchtet und hatte schon nicht mehr damit gerechnet, euch wiederzufinden."

... (es folgen Auszüge aus den eidesstattlichen Erklärungen von 1947) . . .

...Heute, nach 50 Jahren, ist nicht die Zeit anzuklagen, nicht die Zeit "aufzurechnen". Diese Generation gibt es fast nicht mehr. Es geht hier um das Offenlegen des Geschehens, um ein würdiges Erinnern an die Söhne unserer Stadt, die zuletzt noch in einem sinn- und aussichtslosen Kampf ihr Leben verloren...


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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