400 Jahre
Evangelische Kirchengemeinde
in Plettenberg

Quelle: Festschrift 1555 -1955 Evangelische Kirchengemeinde Plettenberg i. Westf., Hrsg.: Presbyterium der Ev. Kirchengemeinde, 55 S.


DIE EINFÜHRUNG DER REFORMATION IN PLETTENBERG

Man schrieb das Jahr 1555. Die Heuernte war einigermaßen ausgefallen, und das Getreide stand gut im Halm. Das wußten nicht nur die Ackerbürger der Stadt und die Amtseingesessenen des ganzen Plettenberger Kirchspiels, sondern ebenso gut der Amtsdroste von Plettenberg und der Junker Joist Schade, die - vor allem aber der letztgenannte - ihre Bediensteten und deren Frauen in die zehntbaren Gärten und Felder der Bürger und Amtsleute schickten, um die Höhe des voraussichtlichen Ertrages auszuspionieren, damit an ihrem Zehntgewinn nichts "verdunkelt" würde.

Es war darum nur zu verständlich, daß sich bei solchem Gebahren manche Faust in der Tasche ballte, zumal man wußte, daß die Zehntherren, vor allem aber der Junker Schade, Schwiegersohn des Ritters Hermann von Cobbenrodt und Besitzer des adligen Hauses Cobbenrodt, im Nehmen sehr rigiros waren, dagegen den schuldigen Zehntzins an den Zehntbesitzer, das Kapitel St. Andreas zu Köln, nur säumig oder oft überhaupt nicht ablieferten und sich häufig weigerten, die schuldige Rechnung diesem Stift gegenüber abzulegen.

Seit uralter Zeit hatten die Bewohner des Plettenberger Kirchspiels enge Bindungen, vor allem kirchlicher Art, die vorwiegend in der Zahlung hoher Abgaben ihren Niederschlag finden. Als Hauptempfänger der Abgaben traten auf: der kurkölnische Hof, die Stifte St. Andreas und St. Severin zu Köln. Weitere Abgabenempfänger waren die Stifte Meschede und Oedingen, die Klöster Grafschaft und Oelinghausen. Fast alle Bürgerhäuser und Höfe der Amtseingesessenen waren mit ihrem Zubehör diesen Stellen gegenüber zehntpflichtig, in den meisten Fällen aber gegenüber Köln. Und gerade das Kölner St. Andreasstift, das den größten Anteil im Plettenberger Kirchspiel hatte, bediente sich beim Einzug des Zehnten in Form von Getreide, Früchten, Vieh, Geld usw. eines solchen Subjektes wie des obengenannten Junkers Schade, der eigentlich Drost zu Kuglenberg war, über seine Frau in den Besitz des Hauses Cobbenrodt mit allen Liegenschaften und Gerechtsamen kam und sich meist nur in Plettenberg aufhielt, um die Zehntabrechnung mit den Bürgern und Amtsleuten vorzunehmen.

Und nun war wieder Erntezeit, und der Junker befand sich im alten Steinhoff, dem nach den späteren Besitzern genannten Haus Cobbenrodt.

Aber noch ein anderer Umstand hatte in diesem Jahr besonders die Gemüter in Bewegung versetzt. Luthers Reformation hatte mächtige Wellen in den südlichen Teil der Grafschaft Mark geworfen. In den märkischen Nachbarstädten Iserlohn, Lüdenscheid und Altena sowie im nahen Valbert, hatte die Reformation längst Einzug gehalten. In Herscheid und Halver regte sich seit einiger Zeit reformatorischer Geist. Auch in Plettenberg hatte bereits ein Umbruchsprozeß eingesetzt. Verfechter der neuen Lehre war hier der Pastor Goddert Klouver (Klöver), Sohn des Plettenberger Bürgers Johannes Klouver, dessen Eifer in den letzten Jahren zu heftigem Meinungsstreit innerhalb des Rates der Stadt und zwischen Bürgermeister und Rat auf der einen und der Bürgerschaft auf der anderen Seite geführt hatte.

Konnte man noch bis Anfang dieses Jahrhunderts von einer tiefverwurzelten Volksfrömmigkeit sprechen, die gerade im Plettenberger Raum zu einer besonderen Entfaltung kam und sich in einer Fülle von Kapellen- und Altarstiftungen offenbarte, so waren auch hier die engen Bindungen der an sich konservativen einheimischen Bevölkerung zu ihrer Geistlichkeit infolge der in den letzten Jahren offensichtlicher gewordenen üblichen Fäulniserscheinungen im Gefüge der mittelalterlichen Kirche bedeutend lockerer geworden. Die Stellung der Geistlichen war erschwert. Die Pastorats- und Vikarieeinkünfte gingen schleppender ein. Teilweise wurden sie überhaupt verweigert. Durch Veräußerung und Tausch von kirchlichen Liegenschaften durch einen Teil der Kirchspieleingesessenen waren die Einkünfte "cerdunkelt" und wesentlich geschmälert worden.

Daran hatten weder die Bemühungen der kaiserlichen Obrigkeit um die Bereinigung der Streitpunkte innerhalb der Kirche und um die Wiederherstellung der kanonischen Ordnung im allgemeinen, noch die Vorstellungen der Pletenberger Geistlichen beim damaligen herzoglichen Richter in Plettenberg etwas ändern können. Bei der schwankenden Haltung des Landesherrn trat der Plettenberger Richter wohl nur vermittelnd, vermutlich aber nicht entscheidend ein. So hatten die Dinge kaum gehindert ihren Lauf genommen, im eigentlichen Sinne als eine Angelegenheit der bürgerlichen Gemeinde.

Entscheidend für den Fortgang dieser Entwicklung in Plettenberg wurde dann im Frühherbst dieses Jahres (1755) die Haltung der Kölner Stiftsherren von St. Andreas, die beim raschen Fortschreiten der Reformation im märkischen Sauerland um den Weiterbestand ihrer umfangreichen Rechte an dem Plettenberger Zehnten bangten und schließlich geneigt waren, diese so günstig wie möglich abzutreten. Von welcher Seite nun der erste Anstoß hierzu kam, ist nicht mehr festzustellen. Jedenfalls stand die Bürgerschaft, vertreten durch ihre Bürgermeister und Rat, mit den Kölner Stiftsherren wegen des Verkaufs des Plettenberger Zehnten an die Stadt Plettenberg in Verbindung.

Nachdem sich schließlich Bürgermeister und Rat von der gesamten Bürgerschaft Vollmacht hatten übertragen lassen, wurde der Kaufvertrag im Kapitel St. Andreas besiegelt. Ein großes Ereignis in der Geschichte der Stadt von enormer Tragweite war geschehen, freudig begrüßt und gefeiert von der gesamten Bürgerschaft und den Amtseingesessenen. Von der Rathaustreppe wurde der Wortlaut des Vertrages den Bürgern kundgegeben.

Zwar war das Opfer, das die Stadt infolge des Zehntkaufs bringen musste, außerordentlich groß, und es mussten fremde Gelder zur Aufbringung des Kaufschillings herangezogen werden,. Allein, die Tatsache, für immer aus der Kölner Abhängigkeit befreit zu sein, wog diese Opfer auf und leitete die letzte Phase des Umbruchprozesses ein und beeinflusste diese entscheidend. Ebenso entscheidend war das Zustandekommen des Augsburger Religionsfriedens, dem der Landesherr zugeneigt war und sich diesem schließlich anschloss.

Alle diese Faktoren waren dem Fortgang der Reformation so dienlich, dass diese bereits nach wenigen Monaten als restlos durchgeführt galt. Die Bürgerliche Gemeinde war Verwalter des kirchlichen Vermögens geworden. Nachdem die hier seit vielen Jahrzehnten bestehenden Bruderschaften aufgelöst worden waren, ließ der Magistrat einen Teil der geistlichen Stellen eingehen. Schon im Frühjahr 1556 waren die hier existierenden Bruderschaften aufgelöst. Gleichzeitig ließ man einen Teil der geistlichen Stellen eingehen, und zwar solche der auswärts wohnenden Vikare. Alle Einkünfte der Vikarie B. Mariae Virginis wurden vom Magistrat der Stadt dem Schulvermögen zugelegt, um damit dem Schulwesen besondere Förderung angedeihen zu lassen.

Abgesehen von der Abschaffung des Meßkanons und der Heiligenanrufung sowie der Einführung der lutherischen Gesänge hatte sich an der Form des Gottesdienstes nichts geändert. Auch äußerlich war eine Veränderung nicht bemerkbar. Der Hochaltar und die Seitenaltäre, selbst das Meßglöcklein, blieben an ihrem alten Platz. Es gab keine Bilderstürmerei, wie sie anderswo hervortrat. Weil die ganze Gemeinde zur evangelischen Lehre übergetreten war, blieb sie von inneren Zwistigkeiten, wenigstens in der letzten Zeit, verschont.
Wahrlich, mit dem Jahre 1555 war ein für die Plettenberger Kirchen- und Heimatgeschichte ereignisreiches Jahr zur Neige gegangen.

Unsere Christuskirche
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Pastorenkatalog

Die lutherischen Pfarrer
1555-1558 Raymund Palsoel
1558-1561 G. Klöver (zuvor Vikar)
1561-1580 Peter Stöter
1580-1599 Hermann Dübbe
1599-1609 Heinrich Huetband
1609-1653 H. B. Dübbe
1654-1691 Christoph Dübbe
1691-1707 H. E. Brockhaus
1707-1720 C. Hammerschmidt
1708-1735 J. W. Thöne
1723-1725 G. L. Brockhaus
1725-1783 J. P. Reininghaus
1738-1760 J. W. Lange
1762-1800 G. H. Möller
1784-1803 J. C. D. Dümpelmann
1801-1807 J. Fr. A. Kleinschmidt
1803-1809 G. H. C. Boden
1807-1828 J. P. Schlieper
Die reformierten Pfarrer
1626-1656 Caspar Dübbe
1657-1677 Wilhelm Homberg
1677-1682 J. A. Pavenstedt
1682-1695 Konrad Beckhaus
1695-1710 Hermann Mintert
1711-1722 Diedrich Homberg
1722-1747 Peter Volkmann
1748-1805 C. C. Volkmann
1798-1803 Friedrich Ehrenberg
1805-1845 J. K. Paffrath
1845-1867 K. E. Paffrath







Vereinigte lutherische und reformierte Gemeinde

1829-1876 K. F. W. Schirmer
1867-1877 Friedrich Poetter
1876-1921 Hermann Klein
1878-1888 August Oetting
1889-1917 Eduard Ebbinghaus
1908-1915 Fritz Oetting
1916-1935 Kurt Müller

1918-1922 Gottfried Röttgen
1922-1934 Otto Klein
1924-1945 Fritz Maas
1936-1945 Georg Benz
1938-1945 Karl Sandmann
1946-1953 Otto Grünberg

Von 1934-1945 halfen noch folgende Pastoren und Hilfsprediger: Albers, von Stockum, Nockemann, Baberg, Boche, Stockamp, Clausen, Lohmann, Becker, Stolzenwald.
(im Jubiläumsjahr 1955 sind Pastoren: W. Knippschild, Hans Oestreicher, Dr. G. Litschel)

(die gesamte Chronik kann auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden)

Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
58849 Herscheid, Tel.: 02357/903090, E-Mail: webmaster@plbg.de